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Richard III und seine Darstellung in der Literatur
20.09.2016, 03:47
Beitrag: #23
RE: Richard III und seine Darstellung in der Literatur
(20.09.2016 00:26)Sansavoir schrieb:  Richard III. hatte als Regent u.a. die Aufgabe gehabt, das Leben der Prinzen zu schützen. deswegen hätte er nicht zulassen dürfen, dass sie unehelich erklärt werden. Dies ist ihm offensichtlich nicht gelungen. Als loyaler Regent hätte er tatsächliche oder fingierte Beweise über Eduards IV. Bigamie beseitigt.

Da letztlich gar nicht klar ist, was mit seinen Neffen tatsächlich geschehen ist, bleibt auch die Frage offen, ob Richard III. wirklich als Regent versagt hat, weil er seine Neffen nicht schützen konnte.

Hätte er vorhandene Beweise einfach verschwinden lassen, wäre das auf jedem Fall Betrug gewesen, und das galt damals sehr wohl als Verbrechen und außerdem als Sünde. Dass er als loyaler Regent solche Beweise hätte beseitigen lassen müssen, dieser Ansicht bin ich nicht, es sei denn, wir gehen davon aus, dass der Zweck in der Politik bei einem Herrscher jedes Mittel rechtfertigte, und das lasse ich auch bei einem Herrscher aus dem Mittelalter nicht gelten.

Wenn die Beweise über die Bigamie seines Bruders fingiert waren, hätte er höchstens dafür sorgen müssen, dass dies geklärt wird.

Waren sie nicht fingiert, war es wahrscheinlich sogar die sinnvollste Lösung, selbst die Herrschaft zu übernehmen, um sie in der Familie zu halten. (Auch wenn das die Erfüllung seines Traumes gewesen ist, kann nicht übersehen werden, dass diese Rosenkriege den Yorks bereits eine ganze Menge gekostet hatten, so z. B. seinen Vater und einem seiner Brüder und anderen Verwandten das Leben.)

Möglicherweise hat er, indem er zuließ, dass seine Neffen für unehelich erklärt wurde, diese sogar erst einmal geschützt. (Da es keineswegs gesicherter Fakt ist, dass er ihre Schwester selbst heiraten wollte, soweit ich das beurteilen kann, wird das lediglich von unseren Verfasser/innen historischer Trivialromane zurzeit behauptet, hat das Argument, dass die Prinzen als uneheliche Kinder keine Gefahr für seine Herrschaft bedeuteten, sehr wohl Gewicht.)

Letztlich wird sich diese Frage nicht mehr lösen lassen, da es für beide Sichten gute Argumente gibt:
- "Böser" Richard III.: Will Thron, Neffen für unehelich erklären lassen, Weg zum Thron für ihn frei, da so der Erbe.
- "Guter" Richard III.: Will Herrschaft der Familie halten und stützen, Erben (Neffen) wegen der Bigamie seines Bruders unehelich, lässt sich ohne Rechtsbruch / Betrug nicht mehr hinbiegen oder vertuschen, Richard III. muss in die Bresche springen.

Eines muss man Tey jedenfalls lassen: Da Henry VII. eigentlich auch kein legaler Lancaster war, wären auch uneheliche Söhne Edwards IV. für ihn, im Unterschied für Richard III. für ihn tatsächlich eine Gefahr gewesen.

Wie das Beispiel eines William I. oder eines Henry VII. oder später einer Mary I. oder Elizabeth I. zeigte, musste eine "uneheliche" bzw. nicht eindeutig legale Herkunft zumindest in England (unter gewisssen Voraussetzungen) keineswegs ein Hindernis für den Thron sein.

Abgesehen davon, stellt sich übrigens die Frage, wenn Edward tatsächlich eine frühere Ehe geschlossen hatte, da die Frau bereits längst verstorben war, warum er sich nicht einfach nach dem Tod mit Elizabeth Woodville ein zweites Mal trauen und in diesem Zusammenhang seine zuvor geborenen Kinder legalisieren hat lassen. Weil sie einfach nur erfunden war, weil er gar nicht mehr wusste, dass er da einmal bereits eine Ehe eingegangen war, weil er es nicht für notwendig hielt ..., nun, soweit ich das beurteilen kann, lässt sich das heute auch nicht mehr klären.

Wie auch immer, wenn Richard III. eine mehr oder weniger gültige erste Ehe seines Bruders nutzte, um die Neffen um die Krone zu bringen, weil er diese selbst tragen wollte, sie für unehelich erklären zu lassen, so fällt jedenfalls auf, dass er dazu auf einen fingierten Unfall oder tatsächlichen Mord zunächst verzichtet hat. Sollte er es nachträglich doch für sicherer gehalten haben, sie töten zu lassen, stellt sich schon die Frage, warum er sie einfach verschwinden und ihren Tod geheimhalten ließ. (Wäre ein angeblicher Unfall oder wenigstens eine offizielle Todesmeldung klüger gewesen?)

(20.09.2016 00:26)Sansavoir schrieb:  Der Affront gegen Elisabeth und ihre Kinder bedeutete das Ausschalten Anthony Woodvilles, des Earls of Rivers. Der Earl of Rivers hätte als Onkel durchaus auch Ansprüche auf eine Regentschaft stellen können. Meiner Ansicht ist dies eine Fortsetzung des Machtkampfes zwischen der Neville- und der Woodville-Fraktion, die bereits seit etwa 1464 besteht und zu den tragischen Ereignissen von 1469 bis 1471 führten. Man sollte auch beachten, dass die Woodvilles de facto das Erbe von John of Bedford besaßen und so zu den reichsten Familien Englands zählten.


Wobei auch hier die Überlieferung nicht eindeutig ist - hatte Anthony Woodville tatsächlich solche Pläne und Richard III. ist ihm da zuvorgekommen oder hat Richard III. diese Möglichkeit "vorsorglich" gleich verhindert. (Mir sind beide Sichten untergekommen, wieder ist ausschlaggebend, ob Historiker/in pro oder contra Richard ist, vermutlich sind auch hier die Faktenlage nicht sicher oder die angeblichen "Belege" sind erst "aus späterer Zeit".)

Irgendwie hatte Edward IV. schon Pech, dass er es nicht geschafft hat, noch ein oder zwei Jahre länger am Leben zu bleiben. Dann hätte sich nämlich das Problem mit der Regentschaft erübrigt. (Edward IV. ist da übrigens kein Einzelfall.)
Und ein bereits volljähriger Edward V. hätte, illegal oder nicht, eindeutig bessere Chancen gehabt, seine Nachfolge anzutreten.

(20.09.2016 00:26)Sansavoir schrieb:  Wenn die Prinzen zwischen dem 9. April 1483 und 22. August 1485 starben, ist er der Hauptverantwortliche, egal ob er einen Mordauftrag gab oder nicht. Henry Tudor oder seine Mutter Margaret Beaufort kämen als Täter erst nach dem 22. August 1485 in Frage. Denn Henrys Legitimation als König bestand nur in seinem Sieg gegen Richard III.

Margaret Beaufort hielt sich bereits vor dem 22. August 1485 in England auf, sie käme also als Täterin zumindest theoretisch in Frage.

Mit dem Sieg gegen Richard III. verschaffte sich Henry VII. seine Legitimation als König, aber die Königswürde hatte er bereits vorher angestrebt. Warum soll er also nicht schon früher damit begonnen haben, mögliche Rivalen (durch Handlanger) auszuschalten?

(20.09.2016 00:26)Sansavoir schrieb:  Ich denke aber, dass die beiden Prinzen bereits vor dem 9. April 1484 - dem Todestag von Richards Sohn Eduard of Middlesham - gestorben sind. Hätten sie zu diesem Zeitpunkt noch gelebt, wäre nicht Clarences Sohn zum Erbe bestimmt wurden.

Wenn sie tatsächlich unehelich waren, warum hätte Richard III. sie sozusagen nach dem Tod seines eigenen Sohnes wieder für legal erklären lassen sollen? (Hätte er da nicht sofort, als er selbst König wurde, eine diesbezügliche Regelung treffen können, wie z. B. er löst das Legalitätsproblem seiner Neffen, indem er sie adoptiert und als so als seine Erben einsetzt, wenn er keinen eigenen Sohn haben sollte.)

Dass er übrigens seinen anderen Neffen zum Erben bestimmt hat, ist nicht uninteressant, da dieser in der Thronfolge eigentlich vor ihm gewesen wäre. Nachdem Edwards Söhne für unehelich erklärt worden waren, hätte Richard III. da nicht für ihn als Nachfolger eintreten können und als sein Regent die Herrschaft zu übernehmen.

War bei Richards Machtübernahme ausschlaggebend, dass er eben bereits ein erwachsener Mann war, der zudem gezeigt hatte, dass er zum Herrscher taugen würde? Was der aktuellen politischen Lage vielleicht als die bessere Lösung gesehen wurde, als die nominelle Herrschaft von unmündigen Kindern?

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