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Ab wann gibt es "Deutschland"?
19.10.2016, 19:39
Beitrag: #20
RE: Ab wann gibt es "Deutschland"?
Heute gelten die Jahre 843 und 919 und zum Teil auch das Jahr 911 als wichtige Eckdaten der Entstehung Deutschlands. Für die Zeitgenossen hatte diese Ereignisse nicht die Bedeutung, die wir ihnen heute zugestehen. Ludwig der Deutsche hat seinen Beinamen erst später erhalten, von seinen Zeitgenossen wurde er nicht so genannt. Außerdem wurde nach seinem Tod das Ostfrankenreich erneut geteilt. Das diese Teilungen nicht dauerhaft blieben, ist dem frühen Tod seiner Söhne geschuldet.

Die Jahre 911 und 919 haben ihre Bedeutung hauptsächlich darin, dass im Ostfrankenreich nichtkarolingische Könige an die Macht kamen. Das Jahr 919 wird als Beginn der Ottonenherrschaft höher bewertet. Es kann aber nicht als Geburtsjahr Deutschlands gesehen werden. Spätestens seit 955 hatte die Erlangung der Kaiserkrone höchste Priorität, d.h. zumindest die drei Ottos betrieben eine Politik der Erneuerung des karolingischen Reiches. Das Ostfrankenreich war nur Teil, wenn auch Kern des Reiches.

Nach dem Tod Ottos III. (1002) erfolgte zwar eine Zäsur in der Außenpolitik, der Reichsgedanke wurde aber nicht aufgegeben. Die Politiker des letzten Ottonen Heinrich II. und des ersten Salier Konrad II. betrachteten ihr Reich eher in den Teilen Ostfrankenreich, Italien und ab 1032 folgte noch Burgund. Diese drei Teilreiche galten als Basis des HRR und des Kaisertums. Heinrich III. strebte dann wieder eher zu einem "Weltkaisertum", das offensichtlich nur von ihm selbst gehalten werden konnte. Sein früher Tod im Jahr 1056 leitete dann eine jahrzehntelange Reichskrise ein, in der die "Karten neu gemischt wurden".

Etwa um 1100 wird der Bezeichnung "ostfränkisch" durch "deutsch" ersetzt. Dies ist keine Eigenbezeichnung, sondern eine Fremdbezeichnung aus dem Umfeld des Papstes. In Frankreich wird die Herrschaft Ludwigs VI. von 1108 bis 1137 bzw. das Wirken des Abts Suger († 1151) als entscheidend für den Übergang vom westfränkischen Reich zu Frankreich gewertet. Deswegen ist es sicher nicht falsch Heinrich V., Lothar III. oder Konrad III. deutsche Könige zu nennen.

Ein weiterer Gedanke ist, dass sich um 1200 Dichter wie Walter von der Vogelweide, Hartmann von Au, Wolfram von Eschenbach als deutsche Dichter betrachteten. Dies sicher, weil sie sich von den französischen und den aquitanischen Troubadoren oder englischen Dichtern (Artussage) abgrenzen wollten. D.h. eine Schicht von Geistesschaffenden sah sich bereits im 12./13. Jahrhundert als deutsch, aber ein Nationalgefühl breiter Volksmassen bestand noch nicht.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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RE: Ab wann gibt es "Deutschland"? - Sansavoir - 19.10.2016 19:39

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