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Der Untergang der Hohenstaufen
23.01.2018, 18:24
Beitrag: #5
RE: Der Untergang der Hohenstaufen
Es stellt sich aber auch die Frage, ob vieles nicht erst später tragisch verklärt wurde. Bei Margaretha und Albrecht dem Entarteten ist zumindest auffallend, dass es für vieles, was ihm angelastet wird, keine anderen Belege als die Chronisten gibt, und Chronisten sind nicht gerade die zuverlässigsten Quellen, wenn es um Wertendes geht.

Was die Hinrichtung von Konradin betrifft, und seine Behandlung weiterer Familienmitglieder der Staufer so ist immerhin interessant, dass sie zwar gewöhnlich negativ bewertet wird, aber sich für Karl letztlich voll ausgezahlt hat, so böse das klingt. Karl konnte zwar nicht alle seine Pläne verwirklichen und verlor letztlich Sizilien an Aragon, aber in Neapel bzw. Süditalien hielt er sich an der Macht und war Stammvater einer Dynastie, die über 1 Jahrhundert an der Macht war und in der Folge auch politisch im ungarischen Königreich und am Balkan Fuß fassen konnte.

Eine weitere Frage ist, ob Manfred tatsächlich ein Usurpator war. Die Primogenitur dürfte sich erst in der frühen Neuzeit endgültig durchgesetzt haben und Friedrich II. soll seine Beziehung zu Manfreds Mutter legalisiert haben. Manfreds Tochter Konstanze heiratete immerhin in das Königshaus von Aragon ein und ihr Ehemann begründete später seine Herrschaft über das Königreich Sizilien über die Ehe mit ihr.

Unklar bleibt natürlich, ob Manfred sich nach Konrads Tod als "Platzhalter" für dessen Sohn sah (und die Königswürde übernahm, weil das anders nicht zu machen gewesen wäre, oder von Anfang an seine eigene Dynastie in Neapel-Sizilien etablieren wollte. (Auch vorstellbar, dass hier eine Entwicklung vorliegt.)
Beantworten lässt sich die Frage nicht, da Konradin erst nach Manfreds Tod nach Italien gezogen ist.

Aus heutiger Sicht scheinen der Tod Manfreds und die Eroberung durch Karl von Anjou der Auslöser für Konradins Romzug zu sein. Gibt es eigentlich Belege dafür, dass der Romzug bereits vor dem Tod Manfreds eine Option war.

Aus heutiger Sicht entsteht der Eindruck, dass dieser Romzug ohnehin nur scheitern konnte (auch wenn vielleicht die Hinrichtung Konradins nicht vorhersehbar war), aber es stellt sich für mich schon die Frage, ob das Scheitern tatsächlich für die Zeitgenossen so eindeutig vorhersehbar war. In einem Aufsatz, den ich vor einigen Jahren gelesen habe, leider weiß ich den Autor nicht mehr, findet sich die These, dass der Sieg von Karl bei Tagliacozzo keineswegs eindeutig feststand.

Hätte ein erfolgreicher Italienzug zur Folge gehabt, dass Konradin in Italien geblieben wäre? Hätte er Konradins Kandidatur für die Kaiser- bzw. Königswürde des Heiligen Römischen Reiches gefördert? .....

Wer hatte um 1267/1268 ein Interesse daran, dass Konradin nicht mehr aus Italien zurückkehrte?

Im Wikipedia-Artikel zu Konradin wird eine "Konradinische Schenkung" erwähnt, die Konradin seinem Onkel Herzog Ludwig II. von Baiern und seinem Stiefvater Graf Meinhard von Görz (als solcher Meinhard IV.) und Tirol (als solcher Meinhard II.) machen musste. Jedenfalls profitierten beide Herren davon, dass er nicht aus Italien zurückkehrte.

Zumindest dürfte die Hinrichtung von Konradins Begleiter Friedrich von Schwaben für den böhmischen König Przemysl Ottokar II. durchaus wünschenswert gewesen sein. (Und auffallend ist jedenfalls, dass er nicht gezögert hat, nach dessen Hinrichtung Friedrichs Mutter Gertrud endgültig aus dem Herzogtum Steiermark auszuweisen.) Vermutlich könnte es interessant sein, wie es um seine Italien- und Frankreichkontakte bestellt war.

Könnte Ottokar irgendwelche Kontakte zu Karl gehabt haben? Ich habe den Eindruck, dass es dazu bisher keine Forschungsergebnisse gibt, vielleicht, weil den Historikern und Historikerinnen bisher nichts diesbezüglich aufgefallen wäre. König Ottokar gilt auch als Gegner des ungarischen Königs, auch wenn seine zweite Ehe im Zusammenhang einer Aussöhnung mit diesem zustande gekommen sein dürfte. Jedenfalls hat er außer den Herzogtümer Österreich und Steiermark auch versucht, das Herzogtum Kärnten mit der Mark Krain (Krain zusammen mit der Südsteiermark heute der Staat Slowenien, wurde erst im 14. Jahrhundert Herzogtum) unter seine Herrschaft zu bringen. Im heutigen Kroatien, das damals unter zum Teil unter ungarischer Herrschaft stand, findet sich immerhin die Adelsfamilie Frangepan, die wiederum in die Hinrichtung von Konradin verwickelt gewesen sein soll, und in Dalmatien, das heute zu Kroatien gehört, finden wir als unter den Herrschenden die Republik Venedig.

Fakt ist außerdem, dass Ottokars Gegnerin Gertrud [Mutter des Friedrich von Baden, Nichte von Herzog Friedrich II. von Österreich ("Friedrich der Streitbare", der als der "letzte" Babenberger gilt), sie war übrigens auch die Witwe seines älteren Halbbruders und Ottokar war in erster Ehe mit einer ihrer Tanten verheiratet), was das Erbe der Babenberger betrifft, zunächst von päpstlicher Seite unterstützt wurde, und Ottokar wird wohl ebenfalls Verbindungen zur Kurie gehabt haben. (Zumindest wurde seine erste Ehe mit ausdrücklicher Zustimmung des damaligen Papstes aufgelöst.)

Wenn Ottokar tatsächlich römisch-deutscher König werden wollte (und seine Ambitionen für diese Würde nicht erst nach seinem Tod aus Propagandagründen vergrößert wurden), dürfte ihm die Hinrichtung von Konradin ebenfalls nicht wirklich betrübt haben.

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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RE: Der Untergang der Hohenstaufen - Teresa C. - 23.01.2018 18:24

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