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Der Untergang der Hohenstaufen
26.01.2018, 04:04
Beitrag: #16
RE: Der Untergang der Hohenstaufen
War es wirklich nur Ottokars Erfolg geschuldet? Sicher, er war wohl der mächtigste Reichsfürst damals. Andererseits aber hatte sich Friedrich II. seinerzeit erfolgreich gegenüber Otto von Braunschweig behauptet, und Alfons X. war sicher auch kein machtloser Fürst. Vielleicht hätte Ottokar bessere Chancen gehabt, wenn er im Vorfeld nicht so stark in die Reichspolitik involviert gewesen wäre.

Auf der anderen Seite aber scheinen die Umstände doch komplexer gewesen zu sein. So weit ich es aufgrund seiner Taten beurteilen kann, dürfte der gute Ottokar zwar ein ziemlich ehrgeiziger und rücksichtsloser Herr gewesen sein, aber seine Erfolge, die immerhin etwa zwanzig Jahre anhielten, zeigen, dass er doch kein Idiot war. Hinzu kommt, dass die Herrschaft über das böhmische Königreich intakt gewesen sein muss, denn sie überstand immerhin seinen Sturz und Tod sowie die Brandenburger Herrschaft. Sein Sohn konnte letztlich dort seine Herrschaft behaupten und hat immerhin versucht, nach Rudolfs Tod sich die Herzogtümer, die sein Vater längere Zeit beherrschte, zurückzuholen. Hinzu kommt noch, dass Wenzel II. am Ende seines Lebens versuchte, die Nachfolge im ungarischen Königreich anzutreten und Gebiete des polnischen Herrschaftsgebietes an sich zu bringen. Wäre er (übrigens noch keineswegs sehr alt) nicht gestorben und sein Sohn nicht bald darauf ermordet worden, wäre die Geschichte vielleicht ganz anders verlaufen ...

Es stellt sich also die Fragen: Hat Ottokar beziehungsweise haben seine Ratgeber einiges falsch gemacht oder gab es einige Entwicklungen, die Ottokar falsch eingeschätzt hat oder mit denen er nicht rechnete, vielleicht auch gar nicht rechnen konnte?

In diesem Zusammenhang wäre zum Beispiel sehr interessant, warum er es überhaupt zuließ, dass jemand seine Kurstimme, da er offensichtlich nicht anwesend war, verwenden konnte und noch dazu nicht in seinem Sinn. (Oder war er in Wirklichkeit bei der Wahl dabei und seine Abwesenheit ist eine Erfindung späterer Chronisten. Auffallend ist immerhin, dass die negative Berichterstattung der Chronisten recht bald nach seinem Sturz einsetzte und sich doch sehr von der unterscheidet, die er zuvor gehabt hatte.

Zumindest in Wien, dass damals eine recht unklare Position hatte (Reichsstadt oder wenigstens eine freie Stadt des römisch-deutschen Königs) hatte Ottokar zum Beispiel bis zuletzt eine Anhängerschaft. Überhaupt scheint es, dass Wien zu jenen Städten im damaligen Herzogtum Österreich gehörte, die den "guten Rudi" und seinen Nachfolgern noch relativ lange Schwierigkeiten gemacht haben.
Es scheint, dass die Machtverhältnissen in den Herzogtümern, die Ottokar während des Interregnums an sich gebracht hat, als Rudolf zum römisch-deutschen König gewählt wurde, keineswegs so schlecht waren, dass sein Sturz zu erwarten gewesen wäre.

Dass Rudolf angeblich gerade die Stadt Basel belagerte, als er von seiner Wahl erfuhr (vorausgesetzt, es war tatsächlich so und es ist keine Erfindung von Chronisten), vermittelt natürlich den Eindruck, dass Rudolfs Wahl wirklich ein Überraschungscoup (auch für ihn) war und er zuvor keine Ambitionen diesbezüglich gezeigt hatte. Aber auch, wenn er nicht selbst das erwartet hat, können wir wirklich ausschließen, dass er (oder Anhänger von ihm) im Vorfeld nicht etwas versucht haben, um ihn als möglichen Kandidaten durchzubringen.

Über Graf Adolf von Nassau ist immerhin belegt, dass er Wahlversprechungen gemacht und aktiv an seiner Wahl mitgewirkt hat. (Auch wenn er die meisten Wahlversprechen nicht gehalten hat oder nicht halten konnte.)

Interessant ist übrigens, dass Rudolf mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit die rangniedrigste Herkunft von allen, die jemals zum römisch-deutschen König gewählt wurden, gehabt haben dürfte. Er war nur ein Graf (wenn gleich kein armer), aber er war Graf im Stande des Reichsfürsten. Das könnte vielleicht noch für Adolf von Nassau zutreffen, zu dem ich diesbezüglich nichts gefunden habe, alle anderen, selbst wenn sie nur Grafen waren wie Heinrich VII. waren gefürstete Grafen (also Grafen im Stand eines Reichsfürsten).

Nun ist auffallend, dass Rudolf offensichtlich nach seiner Wahl sofort zwei seiner Töchter an "kurfürstliche" Familien verheiratete. Ich habe schon einmal gelesen, dass er auf diese Art vier der Kurfürstenstimm gekauft haben soll. Nun, wenn dass der "Preis" oder eine Gegenleistung für seine Wahl gewesen sein soll, wird er den sicher gerne gezahlt haben, seine Töchter machten dabei noch bessere Partien als er wohl erwartet hatte. (Interessant ist übrigens, dass eine weitere von Rudolfs Töchtern einen Sohn oder Enkel von Karl von Anjou geheiratet hat.)

Die Belagerung von Basel zeigt zwar, dass Rudolf selbst andere Prioritäten zu dieser Zeit hatte, als sich um die römisch-deutsche Krone zu bewerben, aber ich würde nicht ausschließen, dass auch wenn seiner Seite bereits im Vorfeld Interesse da war und er wohl doch nicht so gänzlich die "Überraschung" war.

Es stellt sich allerdings schon die Frage, warum einige der Fürsten diesen Grafen Rudolf unterstützt haben.
- War es wirklich nur, weil er eben unbedeutend war und schon recht alt? In diesem Fall dürfte es wohl an Rudolfs Persönlichkeit gelegen haben, dass er sich in der Folge als König behauptete und eine ganze Reihe von Chancen, die er so hatte, auch nutzte. Eine böse Überraschung für die, die ihn gewählt hatten!
- Oder war bei der Wahl ausschlaggebend, dass sich inzwischen selbst die Kurfürsten eine stabilere politische Lage im Reich wünschten, und Rudolf bot sich hier als die mögliche Lösung an.
- War Rudolf ein Überraschungskandidat? Oder wurde er erst für spätere Generationen als ein solcher wahrgenommen?

Interessant wäre übrigens auch die Frage, warum die Kinder der Könige während des Interregnums beziehungsweise der Gegenkönige nicht als mögliche Nachfolger gehandelt wurden oder in Erscheinung getreten sind. Abgesehen vom Landgrafen Heinrich IV. "Raspe" von Thüringen hatte alle anderen mindestens einen Sohn, der 1273 alt genug gewesen wäre, um sich um die römisch-deutsche Krone zu bewerben.
- Graf Wilhelm von Holland als "Gegenkönig und König" hatte eine Sohn, der zum Zeitpunkt seines Todes noch minderjährig war, aber 1273 zumindest hätte mitmischen können.
- Von den Söhnen des Grafen Richard von Cornwall war 1273 Edmund am Leben und volljährig.
- König Alfons X. von Kastilien wurde durch die Wahl Rudolfs de facto abgesetzt. Er hatte mehrere Söhne.
Selbst wenn sie keine guten Aussichten hatten, stellt sich die Frage, warum sie es nicht einmal versucht haben.

Zurück zur ursprünglichen Frage:
Welchen Fehler könnten die Staufer gemacht haben.

Nun ist auffallend, dass sich viele große Reiche im Mittelalter nicht gehalten haben.
Zum Beispiel. Da erbt ein Henry II. von seiner Mutter das Herzogtum Normandie und Ansprüche auf das Königreich England, das er unter seine Herrschaft bringt. Von seinem Vater erbt er die Grafschaft Anjou und weitere Herrschaften, durch seine Ehe fallen ihm Herzogtümer, Grafschaften und Herrschaften im heute südlichen Frankreich zu. Es gelingt ihm Teile des heutigen Irlands zu erobern, er nimmt zumindest Einfluss auf die walisischen Fürstentümer und das Königreich Schottland. Diese "Reich" ist schon in der nächsten Generation wieder Geschichte. Angeblich waren seine Söhne, besonders John schuld daran - zerstrittene Familie und in Frankreich der fähige Herrscher Philippe Auguste, der die Lage zu seinem Vorteil ausnützt - die übliche Erklärung.

Aber könnte es nicht sein, dass der Hauptgrund dafür in Wirklichkeit war, dass so ein Reich mit den damaligen Herrschaftsstrukturen nur schwer zu halten war.

Kaiser Friedrich II. erbte das Königreich beider Sizilien. Dort ist er aufgewachsen, auf die Herrschaft dort war er vorbereitet und dieses Königreich dürfte er auch als sein Zentrum gesehen haben, wie seine Politik zeigt. Jedenfalls fällt auf, dass er dort öfter gewirkt hat, als nördlich der Alpen, wo er gewöhnlich durch Vertretungen herrschte. (Was wiederum den Reichsfürsten mehr Freiheiten und Möglichkeiten eröffnete.) Immerhin aber war es Friedrich II. gelungen, sich als römisch-deutscher König durchzusetzen. Das bedeutet aber, dass er für die Päpste und ihren Staaten schon aufgrund seines Herrschaftsgebietes bedrohlich gewirkt haben dürfte und dass die italienischen Stadtstaaten eine Barriere zwischen Sizilien und jenen Teilen des Heiligen Römischen Reiches, in denen er tatsächlich Macht ausübte, bildeten, war für ihn nicht gerade ideal.

Für mich ist vorstellbar, dass alleine die Dimensionen des Herrschaftsgebietes der Staufer eine wesentliche Hürde bedeuteten, die letztlich für die Familie eine schwere Hypothek war.

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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