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Normale Version: Im Schatten der Vorgänger - psychologisch betrachtet?
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(09.07.2021 20:05)Sansavoir schrieb: [ -> ]
(08.07.2021 21:32)Teresa C. schrieb: [ -> ]Dass Karl um die Geburt seiner Kinder aus der dritten Ehe viel Trara gemacht hat, ist übrigens Fakt, In einem anderen Thread in diesem Forum hat die Userin Bunbury als Möglichkeit einer Annäherung von historischen Personen die Psychologie vorgestellt. Bei König Wenzel von Böhmen, der bis heute als Wenzel der Faule (wenn gleich Beinamen inzwischen wissenschaftlich verpönt sind), Mörder des Heiligen Johannes von Nepomuk und angeblich unfähigster oder zumindest schwächster König / Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gehandelt wird, könnte natürlich die Frage gestellt werden, ob nicht möglicherweise die Inszenierung des Vaters Karl letztlich wesentlich daran schuld war, dass der Betroffene später doch eher als "Versager" auffiel.

Das ist schwierig zu sagen. Es ist aber auffallend, dass zwischen 1377 und 1380 fähige Könige wie Eduard III. von England, Karl V. von Frankreich oder eben Kaiser Karl IV. starben, deren jeweiligen Nachfolger als unfähig und schwach gelten. Das kann Zufall sein, kann aber auch psychologische Ursachen haben oder eine Folge gesellschaftlicher Entwicklungen sein. Oder werden Richard II., Karl VI. und Wenzel IV. als unfähig betrachtet, weil es in ihrer Zeit fähigere Herrscher wie Wladislaw II. Jagiello von Polen, die Herzöge von Burgund oder Johann I. von Portugal gab?

Dass Karl IV., aber auch sein Bruder Johann Heinrich von Mähren ihre Söhne als etwas Besonderes inszenierten, hat sicher Einfluss auf deren Charakter genommen und ist sicher auch ein Grund, dass sich sowohl Brüder als auch Cousins ihre eigenen Interessen im Vordergrund stellten. Das Verhalten ihrer Väter ist nur erklärbar, weil sie lange auf männlichen Nachwuchs warteten. Johann Heinrich galt ja nach seiner gescheiterten Ehe mit Margarete Maultasch als impotent, Karl IV. war zum Zeitpunkt von Wenzels Geburt bereits 45 Jahre alt. Die Geburt des ältesten Sohn löste bei beiden Luxemburger ein großes Problem.

(14.07.2021 21:36)Teresa C. schrieb: [ -> ]Dass das daran liegt, dass es fähigere zeitgenössische Herrscher gab, bezweifle ich. Immerhin, egal wie Richard II., Karl VI. und Wenzel (IV.) letztlich beurteilt werden und ob sie tatsächlich schwache Herrscher waren, zumindest ist bei ihnen eindeutig nachvollziehbar, warum sie gewöhnlich als schwache Herrscher gelten oder für solche gehalten werden.
...

(15.07.2021 16:50)Sansavoir schrieb: [ -> ]Das stimmt natürlich auch.

Auffällig ist übrigens, dass die Nachfolger dieser drei Herrscher alle noch sehr jung an die Macht gekommen sind. Bei Richard II. (der übrigens ein Schwiegersohn von Kaiser Karl IV. war) und Karl VI. ist außerdem deutlich zu erkennen, dass sie zunächst (aus eigener Initiative oder auf Rat ihrer Ratgeber?) versucht haben, ihre Herrscherrolle etwas anders als ihres Vorgängers zu inszenieren. Ob Wenzel, dessen Bild bis heute besonders verzerrt ist, das auch versucht hat, wäre noch zu untersuchen.

Ein weiterer Punkt, der mir auffällt, ist außerdem, dass Richard II. der Enkel von Edward III. war und ihn eigentlich nur der Umstand, dass sein Vater ein Jahr vor dem Großvater starb, zu dessen sofortigen Nachfolger gemacht hat. Er wurde also nicht gezielt als Nachfolger seines Großvaters aufgebaut, da dieser Nachfolgefall gar nicht zu erwarten war.

Was die Geisteskrankheit von Karl VI. betrifft, so dürfte sie auch eher als "tragischer" Zufall zu sehen sein.

Außerdem gibt es auch eine Reihe von Herrschern, die sehr jung an die Macht kamen, und offensichtlich dank ihrer Fähigkeiten (und Ratgeber) sich zumindest erstaunlich gut gehalten haben.

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Quelle / Anmerkung: Diese Diskussion hat im Rätsel-Thread (siehe Link: http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...#pid72177) begonnen und wurde hier her "ausgelagert".
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