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Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
30.08.2012, 19:44
Beitrag: #1
Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
In ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen sind die Handelswege und Plätze in der Geschichte des Mittelalters. Die Geschichte des Handels im Mittelalter beeinflusste zahlreiche Bereiche des damaligen Lebens, Städte wurden aufgrund von ihren Verlauf gegründet. Politische Mächte erlebten mit ihrem Verlauf einen auf und Abstieg, usw. Interessant ist auch die Geschichte des Verlaufs von lokalen und internationalen Handelswegen, diese veränderten sich im Laufe des Mittelalters ja häufig.

Ich würde mich über eure Recherchebeiträge und interessante Diskussionen.
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01.09.2012, 11:59
Beitrag: #2
Seehandelsrouten im Mittelmeer und deren Verlagerungen:
In diesem Recherchebeitrag möchte ich mal über bedeutende (Fern-)Handelswege des Mittelalters berichten und zwar über jene zwischen bedeutenden Handelswegen wie etwa der Seidenstraße und Europa (bzw. West- und Mitteleuropa). Konkret meine ich die Seewege zwischen Asien und den Abendland und deren Verlagerungen:

Levantehandel:

-Mit dem 1. Kreuzzug ergaben sich neue Möglichkeiten, vor allem für die italienischen Seemächte Genua, Pisa und Venedig taten sich neue Wege des Handelns auf. Über die Häfen von Akkon und Tyros wurden verschiedene Waren aus Asien nach Europa gebracht. Pisa erlebte so um den 1. Kreuzzug herum seine Blüte. Venedig baute seinen intensiven Handel in der Gegend etwas später aus, es bestand wohl schon sehr bald eine Rivalität zwischen Venedig und Genua. Oft war Piraterie (durch Genua stärker angewand als von Venedig, so mein Eindruck) ein Mittel sich gegenseitig zu bekämpfen, oft war es wohl auch einfach der wirtschaftliche Konkurrenzkampf. Doch Mitte des 13. Jahrhunderts brach ein offener Krieg zwischen den beiden Seemächten aus, am Anfang wurden Genuas Kaufleute aus Akkon vertrieben.

Das Schwarze Meer:

-Genua sollte sich rächen, was uns zu einer weiteren Handeslroute führt, den Handel über das Schwarze Meer. Diesen beherrschte seit langer Zeit Byzanz, bis im Jahr 1204 Konstantinopel von Kreuzrittern und Venedig erobert wurde. Der Handel ging an die Venezianer über. Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, vertrauten diese aber weiterhin eher der Route in die Kreuzzugsstaaten, als einen großartigen Handel über das Schwarze Meer aufzubauen. Dieses war auch wohl noch nicht so bedeutend wie es in der Folgezeit werden sollte. Den Bedeutungsaufschwung erhielt die Gegend durch die Mongolen. Die Entstehung des Mongolenreichs sorgte für eine Belebung der Handelswege durch Asien. Ein Bedeutungsaufschwung von dem mehrere Mächte profitierten. Eine war das kleine Kaiserreich von Trapezunt im Nordosten Anatoliens, das ein wichtiger Endpunkt der Handelsstraßen war. Die neuen Handelswege und die guten Beziehungen zu den Mongolen (die auch Oberherren über Trapezunt waren) verhalfen dem Kleinkaiserreich zu Reichtum, der auch ein nicht zu unterschätzender Faktor dabei ist, warum es so lange (bis 1461) bestand.
Aber auch Genua profitierte von den neuen Handelswegen, es war von 1204 bis 1261 praktisch vom Schwarzmeerhandel ausgeschlossen, verbündete sich aber als Rache für die Vertreibung aus Akkon mit dem Kaiser von Nikea, der kurz darauf Konstantinopel einnahm und Genua umfassende Rechte zusagte. Genuas Kaufleute betrieben von Anfang an sehr aktiv Handel im Schwarzmeerraum sie legten mehrere Stützpunkte an, unter anderem den in Kaffa auf der Krim und waren nun führend was den Handel hier betraf. Bei diesem ging es nicht nur um Luxusgüter sondern auch um das in der Gegend reichlich vorhandene Getreide.
Venedig versuchte aufzuholen, was immer wieder zu Kämpfen zwischen den beiden Seerepubliken führte. Schlussendlich blieb Genua aber die stärkere Macht im Schwarzen Meer, das eine Zeit lang eines der bedeutendsten Handelsgegenden blieb.

Der Handel mit Ägypten wird wieder aktuell:

-Der Niedergang des Mongolenreichs und der Aufstieg der Osmanen waren Gründe warum sich der Handel mit der Zeit wieder in eine andere Richtung begab. Die Routen gingen nun wieder mehr Richtung (leichter zu erreichendem) Mittelmeer. Hier vor allem nach Alexandria das von den Mameluken beherrscht wurde. Mit diesen führte vor allem Venedig einen regen Handel. Ursprünglich versuchten es auch mehrere kleiner Mächte dort Handel zu betreiben, doch schließlich setzten sich Genua und Venedig durch, wobei Genua durch innenpolitische Kämpfe geschwächt war und im östlichen Mittelmeer immer mehr von Venedig verdrängt wurde. Es war eine Blütezeit für die Venezianer. Doch, das muss man auch sagen, keine allzu lange. Die Osmanen erschwerten die Handel zunehmend und neue Handelswege wurden Entdeckt, etwa der Seeweg nach Indien und der nach Amerika.

Neue Wege – Bedeutungsverlust des Mittelmeers:

-Der Mittelmeerraum verlor nun seine Bedeutung, zu den Verlierern dieser Entwicklung gehörte neben Venedig, auch das Mamlukenreich und später das Osmanenreich (das am Anfang des 16. Jahrhunderts Ägypten eroberte). Die neuen Handelsmächte lagen am Atlantik.
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02.09.2012, 09:50
Beitrag: #3
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Neben vielen anderen Salzstrassen, die die deutschen Lande durchzogen (aber nicht nur die) war der "Westfälische Hellweg" eine der wichtigsten.
Der Name bedeutet "Salzstrasse" (Hell/Hall = Salz)
Auch diese überregionale Handelsstraße, die den Rhein bei Duisburg mit Leipzig verband und von dort weiter nach Osten führte, war schon in der Bronzezeit (mindestens) in Benutzung.

Im Abstand von 15 bis 30km - der Strecke, die man zu Pferd bzw. zu Wagen an einem Tag zurücklegen konnte - liegen wie Perlen auf der Schnur viele heute noch wichtige Städte: Duisburg, Dortmund, Essen, Unna, Soest, Paderborn, Hall, Leipzig.
Gehandelt wurde auf dem Hellweg nicht nur, aber vor allem Salz. Teilweise entwickelten sich die Städte am Hellweg zu Handelsstädten weiter (Leipzig, Dortmund), teilweise wurden sie zu Herrschaftsschwerpunkten ausgebaut (z.B. Braunschweig an einer nach Norden führenden Abzweigung), teilweise war der Hellweg aber auch "nur" Anziehungspunkt von Neugründungen (Paderborn, Corvey).
Immer aber war der Hellweg auch eine Verbindung. Über ihn war das Rheinland mit (Ober-)Sachsen, Polen und Böhmen verbunden.

Gepflastert war der Hellweg nur in den Städten (z.B. Dortmund) und an wichtigen Kreuzungen mit anderen Straßen, meist aber war er ungepflastert und in Zeiten vermehrten Regenfalls oder Tauwetters kaum passierbar, weswegen der Handel in diesen Zeiten (Frühjahr, Herbst) auch großteils zum Erliegen kam. Die Zeiten, in denen in den Städten große Markttage abgehalten wurden, zeigen dies (z.B. Oster- und Michaelismarkt in Leipzig, die sich durch das kaiserliche Privileg von 1497 zur Frühjahrs- und Herbstmesse weiterentwickelten).


Wer ein Netz der Handelsstraßen über eine Karte der mittelalterlichen Städte Mitteleuropas legt, wird verblüffende Übereinstimmungen finden. Nahezu alle im Mittelalterl bedeutenden Städte liegen an einer Handelsstraße.

VG
Christian
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12.09.2012, 21:02
Beitrag: #4
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Der Handel im Frankenreich - Teil 1

Das Frankenreich war aus dem germanischen Stamm der Franken hervorgegangen. Unter König Chlodwig (481/82-511) wurde fast ganz Gallien geeint, und Teile Germaniens kamen hinzu. Somit trat das Reich unter der Herrschaft der Dynastie der Merowinger in diesen beiden Provinzen in die Nachfolge des römischen Imperiums, dass die ehemals völlig unkultivierten Regionen mit einem gewaltigen Straßennetz versehen und fast völlig zugänglich gemacht hatte.

Aber das römische Reich war verfallen, es hatte immer weniger Steuereinnahmen gehabt und eine Provinz nach der anderen aufgeben müssen. In Africa, Gallien, Italien, den Donauprovinzen und in den anderen Gegenden hielten barbarische Reiche Einzug.

Diese standen jedoch zivilisatorisch weit hinter den Römern und hatten teilweise noch nicht einmal ein geregeltes Beamtensystem, was auch Auswirkungen auf den Handel hatte. Denn die römischen Straßen verfielen langsam, aber sicher immer mehr. Sie wurden zu einigermaßen sicheren, aber unbequemen und wackligen Kleinstraßen, auf denen ein nur mäßiger Verkehr herrschte. Bevölkerungsrückgang, Plünderungen und „Barbarisierung“ des Westens machten dem Handel zu schaffen.

In dieser Zeit fand etwas statt, was die Historiker nach Dietrich Claude die „Entstaatlichung des Straßenwesens“ nennen: Nicht nur Kunst und Kultur der prunkvollen Antike wurden von der Kirche übernommen, sondern auch profanere Angelegenheiten wie diese: Die Äbte nahmen die Reisenden auf, sorgten für eine Unterkunft und hielten die bedeutendsten Straßen in ihrem Umfeld einigermaßen in Ordnung.

Wo sich städtische Zentren fanden, waren die Bischöfe dafür zuständig. Denn sie hatten meist die Funktion der Stadtherren übernommen und waren die einzigen, die eine genügend umfassende Organisation hatten. Die fränkischen Merowinger – Könige, die entweder mit dem ganzen Hofstaat von Stadt zu Stadt reisten oder aber ein Schattendasein in ihren Residenzen führten, hatten dies nicht.

Doch diese Form der kirchlichen Verwaltung reichte jedoch bei weitem nicht aus, um das Verkehrswesen und das Straßennetz in Schuss zu halten. Der Handel verlagerte sich deshalb immer mehr auf das Wassernetz, auf große Flüsse wie Seine, Rhône, Saône oder Rhein und auch auf die Kanäle, die die Römer einst erbaut hatten. Der Fernhandel wurde fast ausschließlich auf dem Mittelmeer statt, weniger auch im Atlantik.

Städte, die an diesen Flüssen oder Meeren lagen, waren die wichtigsten Städte des Reiches. Ihre Bewohner waren weltoffener und kamen leichter an begehrte Waren aus fernen Ländern. Dort sammelten sich Kultur, Reichtum und Exotik.

Trotzdem einige Worte zum Handel an Land: Die Fuhrwerke waren die „plaustra“, kleine Wägen, die von Ochsen oder Eseln gezogen wurden. Sie konnten in den verschiedensten Variationen auftreten, als offene oder abgedeckte, breite oder dünne Wägen etc. Hin und wieder wurden auch Kamele benutzt, um von A nach B zu gelangen.

Doch diese beiden Methoden – Fuhrwerke und Kamele – waren langsam, unzuverlässig und teuer. Oftmals gab es Schäden bei Mensch, Tier und Maschine, und nicht zuletzt war da auch das blühende Räuberunwesen, das nicht selten für hohe Verluste sorgte.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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15.09.2012, 19:10
Beitrag: #5
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Der Handel im Frankenreich - Teil 2

Auf dem Wasser hingegen gab es viele dieser Probleme nicht: Der Fluss arbeitete unermüdlich (sofern man in die richtige Richtung wollte, also stromabwärts), die Schiffe waren relativ stabil und nicht schwer zu bedienen. Auch Piraten sind in der Merowingerzeit unbekannt, erst im späten neunten Jahrhundert nach Christus kommen die Normannen und verbreiten Furcht und Schrecken.

In den frühen Jahrhunderten des fränkischen Großreiches stand die Schifffahrt noch in ihrer Blüte und so wundert es nicht, dass eine der wichtigsten Handelsstädte eine alte Seefahrerstadt war: Die ehemalige griechische Übersee-Kolonie Massilia, das heutige Marseille.

Dort kamen all die Waren an, die von anderen Ufern des Mittelmeers an die Franken verkauft wurden, zum Beispiel auch Sklaven, deren Erwerb viel nun schwieriger war, weil es rund um das Mittelmeer kaum nichtchristliche Staaten gab. Ein weiterer wichtiger Handelsstoff war der Papyrus, der im 6. Jahrhundert eine wahre Blütezeit erlebte und bedeutend häufiger verwendet wurde als Pergament. Er war jedoch teuer, da er aus Ägypten importiert wurde. In den Handelsstädten konzentrierten sich deshalb auch Bildung und Wissenschaften.

Weitere Handelsgüter waren beispielsweise Olivenöl, Reis, Gewürze und Seide. Der Adel bekam außerdem Perlen, schöne Kleider, Schmuck und Juwelen. Von Marseille wurden die Waren weiter landeinwärts verschifft – und wo nötig gefahren.

Es gab professionelle (berufsmäßige) Händler, die die Waren über lange Strecken und teils weiter als durch das ganze Frankenreich transportierten, und auf dem Rückweg andere Güter mitnahmen. Es waren selten Franken, öfters Syrer oder Griechen und meistens Juden. Diese wurden im Frankenreich nicht verfolgt, sondern unterstützt und waren als Händler wichtige Träger der ganzen Kultur.

In manchen Städten gründeten die Kaufleute Gemeinschaften, in denen sie sich organisierten, absprachen und halfen. Diese Organisationen wurden von einem gewählten Konsul geleitet und übten eine sehr große Macht aus. Gregor von Tours berichtet, dass der syrische Kaufmann Eusebius den Bischof seiner Stadt absetzte und dieses Amt fortan selber bekleidete. In die kirchlichen Ämter setzte er seine Landsleute ein. Diese Macht gründete darauf, dass die Händler den Adel versorgten und seine Bedürfnisse stillten. Auch die Zolleinnahmen waren bedeutend, besonders an der Südküste.

An zweiter Stelle beim Handel standen die Klöster. Dies lief folgendermaßen ab: Die Mönche führten mehr Waren ein, als sie für den Eigenbedarf – also die Geistlichen und die zahlreichen Gäste – benötigten, und verkauften den Rest zu teilweise unchristlichen Preisen.

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15.09.2012, 21:24
Beitrag: #6
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
So,bin wieder aus dem Urlaub zurück.Wart Ihr auch alle schön brav in der Zeit? AngelBig Grin
aber in medias res:

Zitat:Es gab professionelle (berufsmäßige) Händler, die die Waren über lange Strecken und teils weiter als durch das ganze Frankenreich transportierten, und auf dem Rückweg andere Güter mitnahmen. Es waren selten Franken, öfters Syrer oder Griechen und meistens Juden.

Nun im Frühmittelalter waren dies vor allem die Friesen,die als Händler berühmt waren.
In den Chroniken der Städte am Rhein ,in Mainz,Worms , Speyerund wohl auch Köln sind friesische Händlerquartiere dokumentiert und die Friesen waren dazu verpflichtet, im Bedarfsfall Abschnitte der Stadtmauer zu bemannen. Zwischen diesen Städten weisen Orte mit Namen wie Friesenheim(z.B. bei Oppenheim oder Ludwigshafen) o.ä.auf entsprechende friesische Handelsrouten am Rhein hin.
Interessant ist,daß im 10/11. Jahrhundert diese friesischen Händlerquartiere in den rheinischen Städten relativ plötzlich von Juden übernommen werden,die auch deren Rolle als Fernhändler adaptieren.
Leider bin ich noch nicht auf den Grund dafür gestoßen.
Möglicherweise lag es an Veränderungen in Friesland die politischer oder wirtschaftlicher Art waren oder aber an einer Verschiebung der Handelsrouten hin zum Orient.Vielleicht kann da der eine oder andere Spezialist für friesische Geschicht etwas dazu sagen.
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16.09.2012, 08:55
Beitrag: #7
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
(15.09.2012 21:24)zaphodB. schrieb:  
Zitat:Es gab professionelle (berufsmäßige) Händler, die die Waren über lange Strecken und teils weiter als durch das ganze Frankenreich transportierten, und auf dem Rückweg andere Güter mitnahmen. Es waren selten Franken, öfters Syrer oder Griechen und meistens Juden.

Nun im Frühmittelalter waren dies vor allem die Friesen,die als Händler berühmt waren.
In den Chroniken der Städte am Rhein ,in Mainz,Worms , Speyerund wohl auch Köln sind friesische Händlerquartiere dokumentiert und die Friesen waren dazu verpflichtet, im Bedarfsfall Abschnitte der Stadtmauer zu bemannen. Zwischen diesen Städten weisen Orte mit Namen wie Friesenheim(z.B. bei Oppenheim oder Ludwigshafen) o.ä.auf entsprechende friesische Handelsrouten am Rhein hin.
Interessant ist,daß im 10/11. Jahrhundert diese friesischen Händlerquartiere in den rheinischen Städten relativ plötzlich von Juden übernommen werden,die auch deren Rolle als Fernhändler adaptieren.
Leider bin ich noch nicht auf den Grund dafür gestoßen.
Möglicherweise lag es an Veränderungen in Friesland die politischer oder wirtschaftlicher Art waren oder aber an einer Verschiebung der Handelsrouten hin zum Orient.Vielleicht kann da der eine oder andere Spezialist für friesische Geschicht etwas dazu sagen.

Ach, daher kommt der Name Friesenheim. (Der so benannte Stadtteil erfreut mich jeden Wochentag Rolleyes ).

Danke für die Ergänzung. Sicher waren auch die Friesen zu größeren Teilen am Handel beteiligt. Es gab da natürlich auch regionale Unterschiede. Die Friesen werden auf dem Gebiet der heutigen Beneluxstaaten, Norddeutschlands und im Rheinland wichtige Händler gewesen sein, andere eher in Gallien.

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19.09.2012, 13:00
Beitrag: #8
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Kurz 3 Ankündigungen: 1. Ja, ich bin wieder da. Meine Pause war daher bedingt, das mein Internetmodem kaputt war.
2. Sollen auch von mir noch Beiträge zum Thema kommen (mindestens einer).
3. Habe in meinem Recherchebeitrag sehr viel über den Schwarkzmeerhandel geschrieben, ein Teil von diesem war die Halbinsel Krim. Über die Geschichte von dieser Halbinsel möchte ich (so ca. ab Mitte Oktober) in einem eigenen Tread eine Serie schreiben - hoffe das stößt auf Interesse.

So nun genug aber der Eigenwerbung.
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19.09.2012, 13:29
Beitrag: #9
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
(12.09.2012 21:02)Maxdorfer schrieb:  Diese standen jedoch zivilisatorisch weit hinter den Römern und hatten teilweise noch nicht einmal ein geregeltes Beamtensystem, was auch Auswirkungen auf den Handel hatte. Denn die römischen Straßen verfielen langsam, aber sicher immer mehr. Sie wurden zu einigermaßen sicheren, aber unbequemen und wackligen Kleinstraßen, auf denen ein nur mäßiger Verkehr herrschte.

Wobei es mich immer wieder wundert, wie lange Römische Einrichtungen und Römische Straßen noch genutzt werden. Teilweise bis ins Hochmittelalter hinein, darauf stößt man auch, wenn man sich z.B. mit der Geschichte Österreichs in der Zeit der Babenberger beschäftigt.

Das z.B. im Jahr 1000 von den ehemaligen echten Straßenbau der Römer wohl nicht mehr viel übrig war und diese wohl eher unbequeme Wege waren, erscheint einem logisch. Dennoch waren dann die späteren Handelsrouten auch dort wo die früheren waren, so mein Eindruck zumindest.
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19.09.2012, 17:03
Beitrag: #10
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
(19.09.2012 13:29)WDPG schrieb:  
(12.09.2012 21:02)Maxdorfer schrieb:  Diese standen jedoch zivilisatorisch weit hinter den Römern und hatten teilweise noch nicht einmal ein geregeltes Beamtensystem, was auch Auswirkungen auf den Handel hatte. Denn die römischen Straßen verfielen langsam, aber sicher immer mehr. Sie wurden zu einigermaßen sicheren, aber unbequemen und wackligen Kleinstraßen, auf denen ein nur mäßiger Verkehr herrschte.

Wobei es mich immer wieder wundert, wie lange Römische Einrichtungen und Römische Straßen noch genutzt werden. Teilweise bis ins Hochmittelalter hinein, darauf stößt man auch, wenn man sich z.B. mit der Geschichte Österreichs in der Zeit der Babenberger beschäftigt.

Das z.B. im Jahr 1000 von den ehemaligen echten Straßenbau der Römer wohl nicht mehr viel übrig war und diese wohl eher unbequeme Wege waren, erscheint einem logisch. Dennoch waren dann die späteren Handelsrouten auch dort wo die früheren waren, so mein Eindruck zumindest.

Die Merowinger hatten einfach kein so geregeltes Staatswesen, dass Straßen instand gehalten oder neue gebaut hätte.

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19.09.2012, 19:12
Beitrag: #11
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Der Handel im Merowingerreich - Teil 3

Schließlich kamen die Waren in den großen Städten des Frankenreiches an. In den großen, die anderen hatten keine Zugänge zu guten Straßen oder Flüssen und sanken deshalb zur Bedeutungslosigkeit hinab. Schließlich wurden die Produkte auf Märkten und Messen verkauft.

Der wichtigste Markt war der in Paris, also der an der Seine. Er fand jedes Jahr am 9. Oktober neben der Abtei von Saint-Denis statt. Es war ein echtes Großereignis, das viele Menschen anzog und somit zu einem echten Höhepunkt der Gesellschaft wurde. Nur wenn es unbedingt nötig war, wurde so ein Ereignis abgesagt. Das war der Fall, wenn die Pest grassierte und akute Ansteckungsgefahr herrschte.

Dies mag den Anschein erwecken, als habe es nur den Fernhandel gegeben. Dies war aber nicht der Fall. Die Quellen berichten auch von Kleinhändlern, von Hausierern, die auf dem Markt Dinge einkauften, von Haus zu Haus zogen und die Produkte dort weiterverkauften. Sie konnten sich mehr schlecht als recht über Wasser halten, und selbst dass nur in abgelegenen Gebieten, wo die Arbeit für sie zur Qual wurde.

Die ältere Forschung nahm oft an, die Merowinger hätten kein Münzgeld gehabt und es habe Tausch- und Naturalwirtschaft vorgeherrscht. Dem war aber nicht so, wie einige Episoden in der Überlieferung nahelegen: Da wird einer Weinhändlerin das Geld aus der Kasse gestohlen, da bettelt ein Armer mit Hilfe eines Bittbriefes seines Bischofs um Geld, und so weiter.

Nicht belegbar hingegen sind Geldverleiher und Banken, ebenso wenig wie man weiß, wie das damalige Münzgeld aussah. Man weiß, dass es Gold- und Silbermünzen gab, aber ansonsten so gut wie nichts. Erst Karl der Große startete zu Beginn des neunten Jahrhunderts eine Münzreform, von der wir mehr wissen.

Eine weitere überlieferte Form ist der lokale Handel: Reiche Landbesitzer hatten einen Sklaven oder einen Juden, der die Überschüsse unter den Untertanen verteilte. Doch dazu sind die Informationen besonders spärlich gesät.

Der Export gestaltete sich schwierig: Gallien hatte fast keine wertvollen Stoffe aufzuweisen, und so wurden manchmal ärmere Mitbürger als Sklaven verkauft – obwohl das verboten war. Ansonsten gab es Holz und Waffen – letztere gefährlich, da sie auch gegen ihre Erzeuger gerichtet werden konnten.

Daher ging der Handel sehr in eine Richtung: Das Gold, das die Germanen von Ostrom erpresst oder geraubt hatten, ging als Gegenleistung für die mannigfaltigen Importgüter wieder zurück. Als dieses Gold im siebten Jahrhundert knapp wurde, bedeutete das auch eine Krise des Handels. Schließlich verschwanden die Handelsgesellschaften, die den Frankenstädten etwas Reiz verliehen hatten.

Erhalten ist eine Urkunde des Königs Chilperich II. aus dem Jahre 716, in der er der Abtei Corbie einige Privilegien zugesteht: Einige Wahren durften zollfrei gehandelt werden, nämlich vor allem Grundnahrungsmittel und Gewürze: Reis, Kichererbsen, Pfeffer, Kümmel, Zimt, Nelken, Lavendel, Olivenöl etc. Dieser Versuch, den Handel anzukurbeln, sollte sich auf lange Frist als erfolglos erweisen.

Fazit: Insgesamt herrschte ein mühsamer Fernhandel im Frankenreich vor: Die Güter wurden per Schiff eingeführt, per Schiff von Ort zu Ort gefahren, per Schiff zum Markt gebracht. Hausierer versorgten auch entlegene Gebiete. Die Kirche konnte die fehlende Verwaltung nicht wirklich ersetzen. Doch es existiert kaum statistisch auswertbares Material, sodass wir zu Wirtschaft und Geldwesen sehr wenig sagen können.

Von mir verwendete Literatur:
Martina Hartmann: Die Merowinger. C. H. Beck Wissen München 2012, besonders S. 100 ff.
Patrick J. Geary: Die Merowinger: Europa vor Karl dem Großen. C. H. Beck München 2003, besonders S. 102 ff.
Eugen Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich. Verlag Kohlhammer Urban 2006, besonders S. 93 ff. und S. 172 ff.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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27.09.2012, 14:01
Beitrag: #12
Byzanz und seine Handelsrouten - Teil 1:
Obwohl ich mich schon oft mit Byzanz auseinandergesetzt habe, habe ich jetzt keine Quelle im Kopf wo ich konkret eine Zusammenfassung über die Handelswege von Byzanz finde. Aber ich möchte mal (auch als Diskussionsgrundlage) ein paar Sachen schreiben die mir logisch erscheinen.

Byzanz war ein sehr stark auf Konstantinopel ausgerichteter Staat. Konstantinopel war eine große Stadt die versorgt werden musste, sowohl mit alltäglichem, als auch mit Luxusgütern. Infolge dessen muss Byzanz sehr stark an sicheren und guten Handelswegen interessiert gewesen sein.

In der Frühzeit von Byzanz war Ägypten die Kornkammer des Reichs (wie schon in der Antike). Von Ägypten wurde das Getreide wohl über Alexandria auf dem Seeweg weiter gehandelt. Auch Fernhandel gab es, ja selbst mit dem Erzfeind, den Sassaniden wurde Handel betrieben.

Als Ägypten an die Araber fiel, verlagerte sich der Schwerpunkt für die Getreideherstellung, näher an Konstantinopel heran, konkret ins westliche Kleinasien. Weitere wichtige Handelsrouten verliefen durch das Schwarze Meer, hier befanden sich z.B. wichtige Häfen in Nordanatolien. Ich vermute das auch der Handel mit dem Volk der Chasaren über diese Route geführt wurde. Außerdem handelte man hier mit den Warägern und später mit den Kiewer Russ über das Schwarze Meer.

Für mich absolut vorstellbar ist das die Handelsrouten durch Kleinasien ungefähr dort waren, wo später die Kreuzritter Anatolien durchquerten. Denn warum sollte man neue Wege nehmen, wenn man alte (bestehende) nutzen kann? Handel betrieb Byzanz auch mit den islamischen Mächten, ein Bespiel dafür ist der Handel mit dem Fatimidenreich. Wie wichtig die Bedeutung der Handelsrouten Balkans war darüber weiß ich nicht wirklich viel, ein ganz wichtiger Handelsplatz hier war die Stadt Thesalonike. Auch wie stark man mit Westeuropa gehandelt hat, weiß ich nicht. Ab dem 11. Jahrhundert dürfte er aber an Bedeutung gewonnen haben, was den italienischen Seemächten und hier vor allem Venedig etliches an Reichtum gebracht hat.

In der Spätzeit von Byzanz war der Handel wohl regionaler. Die Seewege waren unter die Kontrolle von Venedig und Genua gekommen. Konstantinopel hatte etliches von seiner Bevölkerung verloren brauchte aber scheinbar Getreide aus der Balkangegend, musste dies ausgerechnet von den Osmanen kaufen. Wie stark der Handel mit der (in byzantischer Hand befindlichen) Morea gewesen ist mir leider auch nicht wirklich bekannt.

Einen „Handel“ den Konstantinopel unfreiwillig mitmachen musste war jener der im Zusammenhang mit dem 4. Kreuzzug stattgefunden hat, hier wurden von den Kreuzrittern die, die Stadt erobert hatten die Reichtümer und Reliquien der Stadt in den Westen gebracht, etliche fanden den Weg nach Venedig, viele aber auch nach Frankreich. Hier möchte ich auch eine Frage beantworten die im G/Geschichteforum mal aufgetaucht ist: Wo befinden sich heute die byzantinischen Reichtümer und Kunstwerke von damals – viele in Venedig, Konstantinopel und anderen Teile der Welt, aber etliche wurden im 4. Kreuzzug nach Frankreich und wohl auch in die damals bestehenden Fürstentümer der Gegend gebracht und dort eingeschmolzen – sie waren unwiederbringlich verloren.
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27.09.2012, 14:05
Beitrag: #13
RE: Byzanz und seine Handelsrouten - Teil 1:
(27.09.2012 14:01)WDPG schrieb:  Obwohl ich mich schon oft mit Byzanz auseinandergesetzt habe, habe ich jetzt keine Quelle im Kopf wo ich konkret eine Zusammenfassung über die Handelswege von Byzanz finde. Aber ich möchte mal (auch als Diskussionsgrundlage) ein paar Sachen schreiben die mir logisch erscheinen.

Muss zugeben, das stimmt so nicht mehr ganz. Habe den Text schon vor einiger Zeit geschrieben, mich mittlerweile auf die Suche begeben und etwas über Byzanz und den Handel gefunden. Möchte aber den 1. Teil als Basis für Ergänzungen im Teil 2 nehmen.
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27.09.2012, 16:50
Beitrag: #14
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
"Das Reich ging mit dem Handel unter"
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/bu...45879.html

Byzantinische Seefahrt
http://www.1200.ottonenzeit.de/kultur2.html

Peter Schreiner: Byzanz. Kapitel zum Handel:
http://books.google.de/books?id=Ozg0v8Tj...20S,%20151

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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19.06.2013, 20:53
Beitrag: #15
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
(15.09.2012 21:24)zaphodB. schrieb:  Nun im Frühmittelalter waren dies vor allem die Friesen,die als Händler berühmt waren. In den Chroniken der Städte am Rhein ,in Mainz,Worms , Speyerund wohl auch Köln sind friesische Händlerquartiere dokumentiert und die Friesen waren dazu verpflichtet, im Bedarfsfall Abschnitte der Stadtmauer zu bemannen. Zwischen diesen Städten weisen Orte mit Namen wie Friesenheim(z.B. bei Oppenheim oder Ludwigshafen) o.ä.auf entsprechende friesische Handelsrouten am Rhein hin.
Interessant ist,daß im 10/11. Jahrhundert diese friesischen Händlerquartiere in den rheinischen Städten relativ plötzlich von Juden übernommen werden,die auch deren Rolle als Fernhändler adaptieren.
Leider bin ich noch nicht auf den Grund dafür gestoßen.
Möglicherweise lag es an Veränderungen in Friesland die politischer oder wirtschaftlicher Art waren oder aber an einer Verschiebung der Handelsrouten hin zum Orient.Vielleicht kann da der eine oder andere Spezialist für friesische Geschicht etwas dazu sagen.

Jetzt schreib ich noch mal etwas zu diesem Thema, nachdem ich mich etwas damit beschäftigt habe.

Nachdem die Friesen im Frühmittelalter lange Zeit ein unabhängiges Volk unter der Herrschaft eines Herzogs gewesen waren, das auch fleißig Handel trieb, eroberte Karl Martell 734 das westliche Friesland, sodass dieses in das Frankenreich eingegliedert wurde. Sein Enkel Karl der Große brachte 785 auch das restliche Friesland unter seine Herrschaft.
Der Handel blühte jedoch gerade in dieser Zeit weiter, und den Friesen wurde verbürgt, dass sie direkte Untertanen des Kaisers, also reichsunmittelbar, bleiben sollten. Ein extrem wichtiger Handelsort war Dorestad. Der Handel beruhte im wesentlichen auf der Weidewirtschaft, also dem Export von Häuten und Wolle. Fast alle lebenswichtigen Güter hingegen mussten importiert werden. Aber auch ansonsten waren sie bedeutende Händler: "Der Dichter Ermoldus Nigellus sagt um das Jahr 830 ausdrücklich, daß sie elsässischen Wein und elsässisches Getreide 'über das Meer' ausführten [...]" (Jan Dhondt: Das frühe Mittelalter. Fischer Weltgeschichte Bd. 10, S. 144 f.)

Warum der Handelsverkehr der Friesen dann später zurück ging, wie zaphodB andeutet, ist gar nicht so leicht zu beantworten.
- Die Normannen fielen immerhin schon um 830 in Friesland ein und besetzten es vermutlich schon bald. So ist für 840 belegt, dass Dorestad ein normannisches Lehen sei (http://www.wissen.de/thema/die-friesen-b...ndigkeit). Dies passt aber nicht zu den von dir angegebenen Daten zum Niedergang der friesischen Handelsstützpunkte in den Städten am Rhein (die ich jetzt aber auch nicht überprüfen kann).
- Dass die Christianisierung eine Rolle gespielt haben könnte, glaube ich nicht. Die Oberschicht Frieslands war zwar schon um 800 weitestgehend christianisiert, bei den Unterschichten dauerte es aber noch einige Jahrzehnte bis Jahrhunderte, bis das Heidentum verschwunden war. Ich kann mir allerdings trotzdem nicht vorstellen, dass alle Friesen urplötzlich fromme Christen waren, die um ihrer Erlösung willen gänzlich auf materiellen Gewinn verzichteten...
- Politische Umbrüche gab es im 10./11. Jahrhundert im Friesland ebenfalls nicht: Die erwähnte friesische Freiheit (Reichsunmittelbarkeit) wurde angeblich von Karl dem Großen, in Wirklichkeit aber vermutlich von Karl dem Dicken (der bis 888 regierte) vergeben. Zur politischen Organisation trafen sich dann die friesischen Häuptlinge einmal jährlich am Upstalsboom. Im 12. Jahrhundert begannen dann eher zentrifugale Kräfte zu wirken (autonome Landesteile), bis im 14. Jahrhundert Häuptlinge an Macht gewannen. Doch dies war dann schon wieder eher im Hoch- und Spätmittelalter.
- Von wirtschaftlichen Veränderungen, die sich auf die friesische Wirtschaft ausgewirkt haben könnten, habe ich auch nichts gefunden. Auch nach der Eröffnung neuer Handelswege in den Orient dürfte friesische Wolle noch konkurrenzfähig gewesen sein, zumal sie ja nicht so teuer gewesen sein dürfte wie über Byzanz importierte Produkte.
- Man könnte höchstens von Naturkatastrophen wie Trockenzeiten, Sturmfluten, Seuchen etc. ausgehen, über die ich aber kein Material zur Hand habe. Allgemein waren ja auch im Mittelalter die Landgrenzen an der Ostsee noch nicht festgelegt: Erst seit 838 beispielsweise fließt der Rhein im Mündungsgebiet in seinem heutigen Flussbett und auch allgemein wurden immer wieder von der Natur Landflächen geschaffen und vernichtet.
Aber eine wirkliche Erklärung für den Niedergang des Handels finde auch ich nicht wirklich. Bin halt auch kein richtiger Experte Wink

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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20.06.2013, 01:00
Beitrag: #16
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Meiner Meinung nach verloren die Friesen erst im 14. Jahrhundert ihre bedeutende Stellung im Handel. Als Ursache gelten u.a. Sturmfluten und Seuchen wie die Pest.
Aber auch die erstarkte Hanse führte zum Rückgang der Hanse.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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21.06.2013, 18:36
Beitrag: #17
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
(20.06.2013 01:00)Sansavoir schrieb:  Meiner Meinung nach verloren die Friesen erst im 14. Jahrhundert ihre bedeutende Stellung im Handel. Als Ursache gelten u.a. Sturmfluten und Seuchen wie die Pest.
Aber auch die erstarkte Hanse führte zum Rückgang der Hanse.

Nun, das mag von Region zu Region variieren.
Aus dem Wikipedia-Artikel zum Kölner Friesentor kann ich herauslesen, dass im 12. Jahrhundert in Köln noch Namen friesischer Herkunft exisitierten.
Der Artikel aus dem Mittelalter-Wiki über die Friesen erwähnt hingegen lediglich, dass sie zur Karolingerzeit bedeutende Händler waren.

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21.06.2013, 18:44
Beitrag: #18
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
(20.06.2013 01:00)Sansavoir schrieb:  Aber auch die erstarkte Hanse führte zum Rückgang der Hanse.

flüchtigkeitsfehler?
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21.06.2013, 22:00
Beitrag: #19
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
(21.06.2013 18:44)kugelschreiber schrieb:  
(20.06.2013 01:00)Sansavoir schrieb:  Aber auch die erstarkte Hanse führte zum Rückgang der Hanse.

flüchtigkeitsfehler?

Sorry. Natürlich war gemeint: "Aber auch die erstarkte Hanse führte zum Rückgang des Handels der Friesen."

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08.07.2013, 21:17
Beitrag: #20
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Der Niedergang des Handelsverkehrs der Friesen dürfte auch einfach damit zusammenhängen, dass im Hochmittelalter die Wirtschaftskraft fast aller europäischer Regionen stark anstieg. Es wurden immer mehr Wirtschaftszweige eingeführt, da man nicht mehr alle menschlichen Ressourcen allein zur Nahrungsversorgung brauchte. Dadurch entwickelte sich erst ein Handelswesen, das sich beispielsweise darin zeigte, dass die Abgaben an Grundherren teilweise in Geld statt wie vorher in Naturalien entrichtet wurden.
Dadurch, dass also immer mehr europäische Regionen sich im Handelsverkehr emanzipierten, könnten die Chancen der Friesen gesunken sein. Während im Frühmittelalter nur einige wenige Völker als Händler besonders bekannt waren (Juden, Syrer etc. - und eben Friesen), gab es im Hoch- und vor allem im Spätmittelalter immer mehr Händler aus aller Welt und auch immer mehr Handel. Einerseits dürften damit lokal gesehen die Friesen ihre herausragende Stellung verloren haben, andererseits machten sie durch den Anstieg des Handelsvolumens prozentual sowieso weniger von internationalen Handelsverkehr aus.
Dies würde auch dafür sprechen, dass bereits im Hochmittelalter die Blütezeit der friesischen Händler zuende war. Dies kann aber auch auf der verfälschten Sichtweise beruhen, dass die Friesen prozentual weniger am Handel teilnehmen, obwohl ihr Handelsvolumen als solches nicht zurückging. Naturkatastrophen und Seuchen, wie sie Sansavoir erwähnt hat, könnten dann den endgültigen Niedergang der friesischen Wirtschaft ins Rollen gebracht haben.

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12.07.2013, 00:41
Beitrag: #21
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Nun,an Naturkatastrophen hab ich auch zuerst gedacht, aber die einzige Sturmflut,von der wir im 9.Jahrhundert wissen,ist die vom 26.12. 838 mit angeblich 2500 Toten im Gebiet der heutigen Niederlande.Die nächsten Flutkatastrophen sind erst für das 11.und 12 Jahrhundert überliefert, also nachdem die Friesen ihre führende Rolle als Händler in den Rheinstädten bereits verloren hatten.
An einer Wirtschaftskrise konnte es eigentlich auch nicht liegen,denn die Juden nahmen wohl relativ problemlos den Platz der Friesen ein und übernahmen in den Rheinstädten sogar deren Quartiere.
Dass der Markt für ihre speziellen Produkte weggebrochen wäre glaub ich auch nicht,denn Wollstoffe gingen immer
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12.07.2013, 11:15
Beitrag: #22
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
(12.07.2013 00:41)zaphodB. schrieb:  Dass der Markt für ihre speziellen Produkte weggebrochen wäre glaub ich auch nicht,denn Wollstoffe gingen immer

Aber da, wie gesagt, ab dem Hochmittelalter nicht mehr aller Boden nur für die Ernährung der Bevölkerung verwendet werden musste, konnten auch in anderen Gegenden Zentren der Tuchmacherei und der Wollproduktion entstehen. Wolle war nichts Besonderes mehr, sondern eher ein alltägliches Handelsgut. Damit könnte dann die Bedeutung der Friesen abgenommen haben. Die Juden hingegen waren wirkliche Fernhändler mit Kontakten durch ganz Europa und bis nach Byzanz etc. Sie waren auch später noch etwas Außergewöhnliches, eben da sie auch mit orientalischen Produkten handelten, die auch bei wirtschaftlicher Emanzipation mitteleuropäischer Regionen dort nicht so einfach hergestellt werden konnten - der Handelsverkehr der Friesen war Peanuts dagegen.

(12.07.2013 00:41)zaphodB. schrieb:  Nun,an Naturkatastrophen hab ich auch zuerst gedacht, aber die einzige Sturmflut,von der wir im 9.Jahrhundert wissen,ist die vom 26.12. 838 mit angeblich 2500 Toten im Gebiet der heutigen Niederlande.Die nächsten Flutkatastrophen sind erst für das 11.und 12 Jahrhundert überliefert, also nachdem die Friesen ihre führende Rolle als Händler in den Rheinstädten bereits verloren hatten.

Die Naturkatastrophen könnten dann im 11. und 12. Jahrhundert den endgültigen Rückschlag für die ostfriesische Wirtschaft bedeutet haben, nachdem die Rolle der Friesen aus dem oben im Beitrag beschriebenen Grund bereits längere Zeit langsam zurückgegangen war.
An die Naturkatastrophen als Alleingrund glaube ich auch nicht, auch wenn man auf die Überlieferung nicht immer allzuviel geben sollte.

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12.07.2013, 12:04
Beitrag: #23
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
(15.09.2012 21:24)zaphodB. schrieb:  
Zitat:Es gab professionelle (berufsmäßige) Händler, die die Waren über lange Strecken und teils weiter als durch das ganze Frankenreich transportierten, und auf dem Rückweg andere Güter mitnahmen. Es waren selten Franken, öfters Syrer oder Griechen und meistens Juden.

Nun im Frühmittelalter waren dies vor allem die Friesen,die als Händler berühmt waren.
In den Chroniken der Städte am Rhein ,in Mainz,Worms , Speyerund wohl auch Köln sind friesische Händlerquartiere dokumentiert und die Friesen waren dazu verpflichtet, im Bedarfsfall Abschnitte der Stadtmauer zu bemannen. Zwischen diesen Städten weisen Orte mit Namen wie Friesenheim(z.B. bei Oppenheim oder Ludwigshafen) o.ä.auf entsprechende friesische Handelsrouten am Rhein hin.

Mittlerweile habe ich diesbezüglich andere Informationen gefunden. Aus einer Ortschronik des heute zu Ludwigshafen gehörenden Friesenheims:

"Karl der Große [hatte] 797 und 803 aufständische Sachsen aus dem Gebiet des heutigen Friesland in die Rhein-Neckar-Gegend umgesiedelt. Zudem betrieben die Friesen in der karolingischen Zeit einen einträglichen Fernhandel [...] und hatten Niederlassungen gegründet, unter anderem wahrscheinlich in Worms. [...]
Als 'Niederlassung der Friesen' müsste die althochdeutsche Form [allerdings] Frisônoheim lauten, vergleichbar den Bildungen Francônodal (Frankenthal) und Francônofurt (Frankfurt). Aber auch die frühesten Erwähnungen mit den Varianten von Friesenhaim bis Friesenheim stimmen schon mit der heutigen Schreibweise prinzipiell überein.
Das Suffix -heim weist Friesenheim [...] als fränkische Gründung des 5. oder 6. Jahrhunderts aus, lange bevor die für 'die Friesen' vorgebrachten Argumente historisch wirksam sein konnten. Friesenheim ist demnach, analog zu ähnlichen Ortsnamenbildungen, als 'Heim des Friso' zu sehen. Die Vokalabschwächung von althochdeutsch Frisoheim zu mittel- und neuhochdeutsch 'Friesenheim' ist dabei sprachgeschichtlich völlig korrekt. Der althochdeutsche Eigenname Friso, der auch nicht als 'der Friese' oder 'aus Friesland kommend' zu lesen ist, ist für das 8. - 13. Jahrhundert mehrfach urkundlich belegt, auch für unsere unmittelbare Umgebung (787 im Lorscher Kodex für Maudach, 1269 für Worms). Friso wäre demnach ein Franke in der Zeit der fränkischen Landnahme gewesen, der einen Gutssitz begründete und der daraus entstehenden Siedlung seinen Namen gab. [...]
Auch die gleichnamigen Dörfer im Elsaß, in Baden und Rheinhessen [...] sind ohne jede denkbare Verbindung zu den Friesen."

(Peter Ruf: Geschichte von Friesenheim. Band 1: Ein pfälzisches Dorf. Von der ersten Besiedelung bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. Hg. vom Förderkreis Museum Friesenheim Ludwigshafen 1995. S. 21 f.)

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12.07.2013, 20:22
Beitrag: #24
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Zitat:Friesenheim ist demnach, analog zu ähnlichen Ortsnamenbildungen, als 'Heim des Friso' zu sehen.

Ist zwar OT,aber dieser Exkurs muß jetzt sein:
Die obige Deutung,die mir auch bekannt ist, entspringt einer zu Beginn des 20.Jahrhunderts entstandenen "Schule " der Toponomastik, die von Ernst Förstemann begründet wurde und duchaus in dem Germanisierungskontext der wilhelminischen Aera zu sehen ist. Und diese Schule hatte es an sich alle Ortsnamen, die man nicht zuordnen konnte ,auf irgendeinen mehr oder weniger konstruierten angeblich fränkischen Vornamen zurückzuführen der dort sein Heim gehabt haben solle. In diesem Kontext muß man auch das 'Heim des Friso' sehen und man muß es m.E. mehr als kritisch sehen.
Es gibt weder Belege für diese "Ortsgründerväter" noch für die Heime,also größere Höfe ,die überall in unserer Gegend gewesen sein sollten.Ob die Dialektendung -em (Derkem,Ruchem ,Oggerschem,Bensem) tatsächlich für -heim steht ist ebenfalls nicht sicher.Und daß Franken mit dem seltenen Namen Friso sich entlang des Rheins im 30 km-Abstand niedergelassen haben sollen -nun ja,das scheint doch eher unwahrscheinlich Undecided
Selbst wenn es von den Franken geförderte Niederlassungen sind, deuten m.E. Ortsnamen wie Friesenheim,Sachsenheim und ggf.auch Lampertheim eher darauf hin,daß hier Angehöriger fremder Völker angesiedelt wurden, zumindest wenn lokale Bezüge nicht von der Hand zu weisen sind .
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12.07.2013, 21:28
Beitrag: #25
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Was den Handel betrifft,so waren jüdusche Händlerclans wie die Radhanim,die Ibn Chordadbeh erwähnt, bereits vom 8. bis ins 11. Jahrhundert präsent und trieben Handel vom Frankenreich und den britischen Inseln über das Reich der Chasaren und die islamische Welt bis nach Indien und China
Aus Europa exportierte man slawische Sklaven, fränkische Waffen Wolle ,Wollstoffe ,skandinavische Pelze und Holz
Wollstoffe waren also nach wie vor begehrt und keine Konkurrenz zu orientalischen Waren sondern ein notwendiges Handelsäquivalent.
.
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13.07.2013, 08:15
Beitrag: #26
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
(12.07.2013 21:28)zaphodB. schrieb:  Wollstoffe waren also nach wie vor begehrt und keine Konkurrenz zu orientalischen Waren sondern ein notwendiges Handelsäquivalent.
.
Notabene lebten ganze Volkswirtschaften vom Wollhandel: Die Champagne-Wollhändler-Messen waren europaweit die größten Messen überhaupt, und später lebte auch England in erster Linie vom Wollhandel.

VG
Christian
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13.07.2013, 11:09
Beitrag: #27
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Stimmt,in der Merowingerzeit war z.B. Verdun der Umschlagplatz für Wolle und Sklaven und die englische und flandrische Tuchindustrie war im gesamten Mittelalter berühmt- was mich bezüglich der Friesen auf eine Idee jenseits von Naturkatastrophen und Absatzproblemen bringt .Möglicherweise hat der wachsende flandrische Tuchmarkt ,wo sowohl lokale als auch englische Wolle und Stoffe vermakelt wurden mit steigender Prosperität auch die angrenzende friesische Wollproduktion schlicht integriert.
Wenn ich als (West)friese meine Waren im benachbarten Flandern mit ähnlichen Margen verhandeln konnte ,mußte ich nicht den Rhein runter fahren .
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30.08.2013, 17:09
Beitrag: #28
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Nicht nur, dass im Hochmittelalter aus den reinen Selbsversorgerkulturen des frühen Mittelalters auf bestimmte Produkte spezialisierte Regionen wurden (worauf ich ja schon eingegangen bin) - Außerdem wurden in dieser Zeit auch noch wichtige Erfindungen rund um Textilien gemacht: Die Walkmühle, der horizontale Trittwebstuhl (erstmals erwähnt Ende des 12. Jahrhunderts) usw... Darauf will ich jetzt gar nicht so genau eingehen, Fakt ist aber, dass die Zeit der friesischen Vormacht auf dem Gebiet des Tuchhandels beendet war. Es muss ja noch nicht einmal heißen, dass damit gleich die ganze Existenzgrundlage der Friesen vernichtet wurde, sondern nur, dass der Konkurrenzdruck ihnen zu groß wurde.
Wie Sansavoir auf seine Angabe "14. Jahrhundert" kommt weiß ich nicht, er könnte es gerne mal erklären (Quellenangabe?). Im Spätmittelalter könnten dann die von ihm erwähnten Naturkatastrophen wirklich eine ernsthafte Bedrohung der Existenzgrundlage der Friesen bedeutet haben, mit dem Rückgang der Handelsmacht in Europa (der wohl eher früher stattfand) müssen sie aber nicht so viel zu tun haben.

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01.09.2013, 13:19
Beitrag: #29
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Fakt ist auch, dass die holländischen Seehandelsstädte immer stärker wurden und kraft ihrer Finanzmacht den Friesen schlicht und einfach den Rang abgelaufen haben. Da kamen die Friesen mit ihrem einfacher strukturierten Handel nicht mehr mit...
Wobei die Friesen sich schon auch ihrerseits im holländischen Handel eingemischt haben und dadurch zumindest teilweise ihre Führungsposition behalten haben, nach der Südverlagerung des Handels halt in den holländischen Handel integriert wurden. Es war also letzten Endes keine Verlagerung des Handels von den Friesen zu den Holländern, sondern mehr eine Verlagerung der HandelsPLÄTZE.

Ich denke nämlich, dass die Holländer durchaus von den seefahrerischen Fähigkeiten der Friesen profitiert haben!

VG
Christian
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01.09.2013, 17:27
Beitrag: #30
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Ich bekam vor Kurzen ein Buch geschenkt (sagte ich schon, daß ich es mir nicht leisten kann, Bücher zu kaufen?), das zum Thema paßt und sicherlich ein mittlerer Bestseller werden wird: "Das Salz der Erde". Es spielt im 12. und 13. Jahrhundert.
Held ist ein Kaufmann, der als Kind mit seiner Hörigenfamilie vom Land in die erfundene Stadt in Oberlothringen, das heutige Lothringen, flüchtete und dort ein wechselvolles Schicksal hatte. Er muß sich mit einem bösen Bischof und mit einem superbösen Freiherrn herumschlagen, den er am Ende besiegt.
Der Tod Barbarossas auf dem Kreuzzug und der Bürgerkrieg zwischen Philipp von Schwaben und Otto von Braunschweig kommen auch vor.
Bei allen Vorbehalten sehr lesenswert.
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20.09.2013, 12:24
Beitrag: #31
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Gibt es zu dem Thema nichts mehr zu sagen? Schade. Das Wort "Hanse" ist bisher noch nicht gefallen, obwohl die entsprechenden Aktivitäten schon beschrieben wurden.
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21.09.2013, 09:49
Beitrag: #32
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Klar gibt´s noch was zu sagen!

Beispielsweise zur Rolle Frankfurts und Nürnbergs als Handelszentren des Mittelalters und der frühen Neuzeit.
Hier in Bayern haben alle überregionalen Handelsstraßen nur wenige große Ziele:
Die Nord-Süd-Straßen führten von Italien aus über verschiedene Alpenpässe über die Hauptknotenpunkte München und Augsburg entweder nach Nürnberg oder nach Frankfurt, die Ost-West-Straßen verbanden den Balkan und Böhmen mit Frankreich.
Dabei gab es zahlreiche Schnittpunkte mit den verschiedenen Salzstraßen und anderen Handelswegen. Überall, wo sich größere Straßen kreuzten, entstanden Städte, die oft auch als Handelsplätze überregionale Bedeutung erlangten, erkennbar an der Zahl der Märkte und Messen. Denn über das Stapelrecht mussten die Händler, wenn sie durch die jeweilige Stadt kamen, erst einmal ihre Waren dort feil bieten, bevor sie weiterziehen durften. Je mehr Straßen durch die Stadt führten, desto mehr Händler mussten dort auch ihre Waren anbieten, logisch.
Nördlingen z.B. war im Mittelalter eine bedeutende Stadt: Hier kreuzten sich die "Via imperii" von Augsburg nach Nürnberg und - über eine Abzweigung der Via Imperii - Frankfurt sowie die Straße von Böhmen (über Regensburg) und Ungarn (über Wien) nach Westen (über Ulm nach Frankreich).
Auch Ingolstadt war so ein Kreuzungspunkt: Von hier aus verzweigte sich die Straße von München nach Norden in den Arm nach Frankfurt und den nach Nürnberg, gleichzeitig waren auf der Donau die Waren - hauptsächlich Salz, Eisenwaren und Holz - nach Ulm und nach Regensburg und Wien unterwegs.

Regensburg wiederum war das "Tor nach Osten", nach Böhmen und Prag hin, von wo aus es weiter ging nach Polen, das Baltikum und Russland (= die alte Bernsteinstraße).

Ich bin mir sicher, jeder von euch hat so einen alten Straßenknotenpunkt in der Nähe! Könnt ihr noch mehr Beispiele liefern?

VG
Christian
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21.09.2013, 18:28
Beitrag: #33
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Bewundernswert, Chris, wie du die überragende Bedeutung Frankfurts bereits im Mittelalter erkannt hast! (Frankfurt im Mittelalter, nicht du)
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21.09.2013, 19:21
Beitrag: #34
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
(21.09.2013 18:28)Harald schrieb:  Bewundernswert, Chris, wie du die überragende Bedeutung Frankfurts bereits im Mittelalter erkannt hast! (Frankfurt im Mittelalter, nicht du)
Alter Schmeichler... *rotwerd*

Mit das Bedeutendste an Frankfurt war die Straße nach Leipzig (wo sich die Nord-Süd-Hauptstraße, die Via Imperii, und die Ost-West-Hauptachse, die Via Regia, kreuzten, weswegen Leipzig dann doch die Bedeutendere von den beiden Städten war...diese "via Regia" verband damit aber auch die beiden bedeutendsten Messeorte Deutschlands.
Deswegen führten auch so viele Straßen nach Frankfurt: Es lag zentral, und von Frankfurt aus kam man bequem (nach mittelalterlichen Maßstäben) nach Leipzig, zu den nördlicheren Hansestädten und nach Frankfreich.

VG
Christian
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21.09.2013, 22:02
Beitrag: #35
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Nicht zu vergessen, daß Frankfurt Wahl- und später auch Krönungsort der deutschen Könige und Kaiser war, was den Handelsbeziehungen auch sehr förderlich war. Alles das führte dazu, daß Frankfurt auch heute die wirtschaftlich wichtigste Stadt Deutschlands ist, als Finanzzentrum (Europäische Zentralbank und Hunderten von Banken), Verkehrsknoten (drittgrößter Passagier- und zweitgrößter Frachtflughafen Europas) und Messestadt.
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21.09.2013, 22:09
Beitrag: #36
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Frankfurt war aber vor allem auch ein regionales Zentrum in einem fruchtbaren Gebiet, dem Maintal. Die Bevölkerungsdichte war normalerweise dadurch relativ hoch. Ein solches Bevölkerungszentrum strebt nach Warenaustausch. So entwickelt sich dann auch ein Verkehrsknotenpunkt, nicht nur von Straßen, sondern auch dem Verkehrsweg Fluß. An der Lahn und der verbindenden Wetterau lebten auch viele Menschen. Die Großregion war relativ dicht besiedelt. Die alten Handelswege bestanden zumindest schon seit der Bronzezeit.

viele Grüße

Paul

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21.09.2013, 23:10
Beitrag: #37
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Nun,Frankfurt hatte im frühen Mittelalter mächtige Konkurrenten in den am Rhein gelgenen Handelsstädten römischer Provinienz ,insbesondere Worms und Mainz, das als Zentrum des Weinhandels und Hauptumschlagplat an der Mainmündung fungierte.
Erstmals mit dem Progrom 1096,das quasi die Auslöschung der Mainzer jüdischen Gemeinde zur Folge hatte ,sowie mit der Reichsacht im Gefolge der Ermordung des Mainzer Erzbischofs Arnold v.Selenhofen 1160 und dann insbesondere als Folge der Mainzer Stiftsfehde 1461/1462 kam es durch Adolf von Nassau zur Annulierung der Mainzer Stadtprivilegien und zur Vertreibung 800 führender Bürger sowie der Juden aus der Stadt,die sich dann mehrheitlich in der freien Stadt Frankfurt ansiedelten.
Erst dadurch gewann Frankfurt letztlich die beherrrschende Stellung als Handelsstadt im Rhein-Main-Gebiet
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22.09.2013, 02:04
Beitrag: #38
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Eine wichtige Rolle im Handel nahm natürlich auch Leipzig ein. Dies begründet sich auch durch seine Lage an der Kreuzung der Via Regia (Königsstraße) und Via Imperii (Reichsstraße)

Verlauf der Via Regia und Via Imperii

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22.09.2013, 22:02
Beitrag: #39
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Aus den Karten ersieht man auch, daß Breslau ein Handelsknotenpunkt von übergeordneter Bedeutung war. Es gab aber Handelswege nicht nur von West nach Ost und Nord, sondern auch nach Süden, entlang oder parallel zur Oder, nach Mähren und Ungarn.
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20.05.2015, 15:49
Beitrag: #40
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Wir hatten uns (zunächst in Beitrag 6 und dann ab Beitrag 15) über den Niedergang des friesischen Handels bzw. zumindest ihres Handelsprivilegs unterhalten. Mittlerweile habe ich dazu folgende Aussage gefunden:
"[...] die friesische Aktivitäten [im Handel] gehen zurück, die Gründe dafür sind nicht bekannt. Vermutlich liegen sie in dem Widerwillen der Friesen in Städten zu leben, und das zu einem Zeitpunkt, als die Stadt zur eigentlichen Antriebskraft der Wirtschaft wird." (Dieter Zimmering: Die Hanse. Handelsmacht im Zeichen der Kogge. Gondrom, Bindlach 1993, S. 51.)

Bei der wörtlichen Auslegung dieser Interpretation wäre ich vorsichtig. Ich halte es für stark vereinfachend, zu behaupten, die Friesen als rustikal/ländlich veranlagtes Volk habe partout nicht in die Stadt ziehen wollen. Die Städte waren damals noch relativ ländlich geprägt und von landwirtschaftlich genutzten Flächen durchsetzt; außerdem haben wirtschaftliche Motive bisher so ziemlich jedes Volk irgendwie verändern können. (Off Topic Beispiel, das ich heute mitgekriegt habe: Sesshaftwerdung der arabischen Nomaden zum Zwecke des Weihrauchhandels in der Antike, Stichwort Nabatäer)
Dennoch dürfte ein wahrer Kern in dieser Behauptung stecken. Es ist gut vorstellbar, dass die Friesen aufgrund ihrer Arbeits- und Handelsweise mit den neuen Wirtschaftsmethoden des Hoch- und Spätmittelalters wie besonders der Urbanisierung nicht mithalten konnten. Nicht, dass sie einen Widerwillen zeigten, in Städten zu leben, wo sie doch vorher schon eigene Handelsniederlassungen gründeten (Stichwort Ortsname "Friesenheim", ebenfalls weiter oben in diesem Thread diskutiert). Eher haben vermutlich ihre vergleichsweise archaischen Produktionsverhältnisse und -methoden der aufkommenden städtischen Konkurrenz, die nach moderneren Methoden und in moderneren Ausmaßen Handel trieb, nicht standhalten können, ob sie es wollten oder nicht.
Kurz gesagt: Ein friesischer Händler wird sich kaum bewusst dagegen entschieden haben, von seinem Handelsposten (der in vielen Fällen bereits in einer Stadt lag) in die bzw. in eine größere Stadt zu ziehen, wenn ihm sonst der Verlust seines Geschäftes drohte. Und wenn dies einmal geschehen ist, dann wohl eher als Einzelfall. Stattdessen haben die einheimischen, hanseatischen oder sonstigen Händler dem Friesen ganz klassisch Konkurrenz geboten und aufgrund ihrer wirtschaftlichen Überlegenheit verdrängt.

VG, der Maxdorfer

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02.06.2015, 01:14
Beitrag: #41
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Ganz verstehe ich das nicht. In den Regionen Frieslands lagen doch Städte, in denen immer blühenderer Handel betrieben wurde z.B. Hamburg, Bremen, Emden, Runghold, Tondern, Oldenburg...

viele Grüße

Paul

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02.06.2015, 12:47
Beitrag: #42
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
(02.06.2015 01:14)Paul schrieb:  Ganz verstehe ich das nicht. In den Regionen Frieslands lagen doch Städte, in denen immer blühenderer Handel betrieben wurde z.B. Hamburg, Bremen, Emden, Runghold, Tondern, Oldenburg...

Hamburg, Bremen und Oldenburg zählen nicht zu Friesland, über Rungholt wissen wir wenig, da es seit 700 Jahren auf dem Meeresgrund liegt.

Es bleibt also vor allem Emden, das durch seinen Hafen einen gewissen Wohlstand erwarb. Nach dem 30jährigen Krieg trat jedoch eine Stagnation ein, die lange andauerte.
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05.06.2015, 10:20
Beitrag: #43
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Vergiss nicht die Gegenden in den heutigen Niederlanden, wo ebenfalls Friesen lebten, im Grunde hauptsächlich sogar, denn das heutige Ost- und Nordfriesland sind friesische Kolonisationsgebiete! Das geht runter bis an die Scheldemündung, mit Städten wie Groningen, Utrecht, dem großen überregionalen Handelszentrum Dorestadt, dem späteren Amsterdam etc.p.p.

VG
Christian
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20.06.2015, 01:29
Beitrag: #44
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
(02.06.2015 12:47)Dietrich schrieb:  Hamburg, Bremen und Oldenburg zählen nicht zu Friesland, über Rungholt wissen wir wenig, da es seit 700 Jahren auf dem Meeresgrund liegt.

Es bleibt also vor allem Emden, das durch seinen Hafen einen gewissen Wohlstand erwarb. Nach dem 30jährigen Krieg trat jedoch eine Stagnation ein, die lange andauerte.

Das wollte ich damit sagen. Diese Städte lagen eigentlich in Friesland und zählen nicht dazu. Dort gab es die Handelsaktivitäten auch der Friesen. Wie sollten direkt daneben nochmal Städte entstehen? Die hätten dann wieder nicht zu Friesland gezählt.

viele Grüße

Paul

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21.06.2015, 14:48
Beitrag: #45
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Mal abgesehen davon, dass die BEVÖLKERUNG der Städte, die in Friesland lagen, sehr wohl friesisch gewesen sein dürfte, auch wenn die Herrschaft aus dem damals noch Ostfränkischen Reich stammte - die friesischen Fürsten hätten doch sehr wohl was davon gehabt, wenn sie in der Nachbarschaft einer florierenden Handelssiedlung eine weitere Siedlung anlegten?
z.B. Oldenburg: Da wurde im frühen 10.Jh. ein später so genannter "Heidenwall" errichtet. Der Name von Oldenburg ("Alte Burg") nimmt vermutlich auf diesen Heidenwall Bezug. Erbauer des Heidenwalls werden wohl friesische Fürsten gewesen sein. Da nicht lang danach ein Fürst aus dem Reich neben diesem Heidenwall eine Burg errichtete, wird der Platz wohl auch günstig gelegen sein - zumindest in der Hinsicht, dass man dem örtlichen Friesenfürsten was streitig machen konnte.

Ich seh da keinen Widerspruch...mögen auch Hamburg, Bremen oder Oldenburg nicht unter friesischer Herrschaft gestanden haben, genutzt haben sie den Friesen wahrscheinlich doch.
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29.08.2015, 14:02
Beitrag: #46
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Hallo,

hat jemand in diesem Forum im Zusammenhang mit mittelalterlichen Handelswegen und der Stadtentwicklung Karlheinz Blaschke zur Kenntnis genommen?
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31.08.2015, 12:15
Beitrag: #47
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Da bisher niemand auf meine Anfrage geantwortet hat hier mein Beitrag zu Karlheinz Blaschke

K. Blaschke hat sich mit den Nikolaikirchen bereits 1965 beschäftigt und 1967 eine erste Veröffentlichung - allerdings an schwer zugänglicher Stelle -getätigt :
Nikolaipatrozinium und städtische Frühgeschichte,
Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonische Abteilung, 84. Band, 1967, S. 273 -337

Die Tatsache, dass eine große Zahl von Nikolaikirchen außerhalb der Stadtmauer zu finden sind, wertet Blaschke diesen Umstand als Entstehung vorstädtischer Kaufmannssiedlungen (vorstädtisch im zeitlichen Sinn), welche sich genossenschaftlich (Gilde) organisierten und in den Nikolaikirchen ihren Niederschlag fanden. Blaschke geht damit in der Stadtentwicklung in die Zeit, von der meist keine schriftlichen Nachrichten vorliegen. Auch wertet er mittelalterliche Stadtpläne als "Urkunden" für die stufenweise sich entwickelnden Städte anhand der noch heute existierenden Flurnamen und ihrer Grundstücksbelastung je nach Steuerart falls die Steuerverzeichnisse soweit zurück reichen.
Für Blaschke ergibt sich folgende sich häufig wiederkehrende Situation bei der Entwicklung der Städte aus dem Fernhandel östlich der Saale:
1. Existenz einer Fernhandelsverbindung
2. Entstehung einer Händlersiedlung häufig an einem Flussübergang und Bau einer Nikolauskapelle oder -kirche und Entstehung eines Marktes königsfreier Kaufleute
3. Entstehung einer Burg nahe der Händlersiedlung
4. Entstehung einer Burgmannensiedlung unterhalb der Burg
5. Gründung einer Stadt mit Neuanlage des Marktes, neuer Kirche, Umzug der Händlersiedlung in den Stadtbereich mit Aufgabe der Nikolaikirche als Organisationszentrum, Verbleib des "alten Marktes"(meist) innerhalb der Stadtmauer - allerdings mit geringerer Bedeutung

"Wenn in Hunderten von Einzelfällen in Mittel-, Nord- und Osteuropa am Flußübergang einer Fernstraße eine Nikolaikirche anzutreffen ist, dann kann es sich dabei nicht um einen bloßen Zufall handeln, es muß dahinter vielmehr ein System stehen. Die stets wiederholte analoge topographische Lage läßt den Schluß auf eine funktionale Gleichartigkeit zu, die sich aus der Bedeutung des Patroziniums in seiner Festlegung auf den Stand der Fernhändler ergibt. Nikolaikirchen in dieser topographischen Situation können als Kaufmannskirchen, d.h. als Gemeindekirchen für Kaufmanns-siedlungen angesehen werden.
Ihre Zeitstellung wird absolut durch einige wenige urkundliche Quellen ermöglicht, ihre Einordnung in eine relative Chronologie der städtischen Patrozinien zeigt eine Festlegung auf die Zeit vor der Entstehung der Rechtsstadt, so daß diese Kirchen in die vor- und frühstädtischen Abschnitte der Stadtentstehung gehören. da sich die Stadtentwicklung in Europa vom Westen nach Osten und Norden fortbewegt hat, liegt dieser Abschnitt im Westen früher als in den anderen Teilen Europas. Die vorhandenen urkundlichen Quellen sprechen für einen Beginn am Anfang des 12. Jh.
Da die Fernhändler des 12. Jh. königsfreie Leute waren und die Fernstraßen als ihr Wirkungs- und Lebensraum unter Königsrecht standen, fielen die Kaufmannssiedlungen nicht unter die Botmäßigkeit der örtlichen Inhaber feudaler Herrschaft, sondern organisierten sich als Fahrmänner-Gemeinschaften. Auch im Zustand der Seßhaftigkeit bildeten sie Gemeinden auf genossenschaft-licher Grundlage in bewußtem Abstand zur herrschaftlichen Gewalt, d.h. in topographischer Hinsicht zur Burg.
Besonders zu beachten ist die Aufreihung der Nikolaikirchen an den großen Fernstraßen des hohen Mittelalters oft in lückenloser Folge. Das Nikolauspatrozinium schafft somit einen funktionalen Zusammenhang über beträchtliche Entfernungen hinweg und zeigt die Weite des Raumes an, in dem der Fernhändler des 12. Jh. sich bewegt hat. die Ostseeküstenstraße von Flensburg bis Reval, die via regia von Bautzen über Breslau bis Krakau, die Straße von Leipzig über Frankfurt/oder nach Königsberg und jene von Nürnberg über Leipzig nach Berlin deuten die Dimensionen an, mit denen zu rechnen ist; an ihnen reihen sich die Nikolaikirchen wie Perlen an einer Schnur auf..."(aus unten stehendem Werk zitiert S. 360)
Eine Zusammenfassung der Schriften von K. Blaschke sind erschienen in
Stadtgrundriss und Stadtentwicklung
Forschungen zur Entstehung mitteleuropäischer Städte - Ausgewählte Aufsätze von Karlheinz Blaschke, Hrg. Peter Johanek, 1997, Böhlau Verlag Köln, (z.Z. vergriffen)
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31.08.2015, 20:32
Beitrag: #48
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Für die Leipziger Nikolaikirche bzw. deren Vorgängerbau trifft das alles zu.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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01.09.2015, 14:49
Beitrag: #49
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Sehr interessant.

Es gibt bei uns, Südwestdeutschland, die ähnliche Erscheinung, dass die Kirchen sehr oft außerhalb der Städte lagen.
Innerhalb der Städte, der Mauerrings, lediglich kirchenrechtlich Kapellen standen. Wobei die Kapellen die "Mutter"-Kirchen an Ausstattung und Größe meist erheblich toppten.
Das hat seine Ursache aber in der künstlichen Anlage der Städte im Hochmittelalter, die an vekehrsgünstigeren und auch leichter zu befestigenden Stellen angelegt wurden.

Aber dies gehört natürlich auch zu diesem Thema hier. Ist mir bis dato gar nicht aufgefallen.

Edit: Am auffallendsten für den Jetztmenschen ist dies natürlich bei den Stadtgründungen, die nicht sehr erfolgreich waren.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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01.09.2015, 18:46
Beitrag: #50
RE: Handelsrouten und Handelsorte des Mittelalters:
Es ist ja naheliegend, das man ein solches großes Gebäude dort baut, wo man Platz hat. Wahrscheinlich lagen auch die früheren Veehrungsorte außerhalb der dichten Bebauung und wurden oft mit den neuen Kirchen überbaut.

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
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