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Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
19.09.2014, 20:13
Beitrag: #51
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(19.09.2014 19:47)Arkona schrieb:  1) Das Stichwort lieferte Woodrow Wilson, US-Präsident während des 1. Weltkrieges. Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Noch wichtiger ist, daß Regionen, Völker und Länder mit ihrer Situation zufrieden und darin glücklich sind. Die Sorben sind auch nicht gefragt worden, ob sie bei Deutschland sein wollen. Ich glaube aber nicht, daß sie heute lieber Polen oder Tschechen wären, nur weil sie slawischer Abstammung sind.

(19.09.2014 19:47)Arkona schrieb:  2) Nicht Frankreich hatte die Revolution, sondern eigentlich ursprünglich nur Paris als urbanes Zentrum. Auf dem Lande gab es jedenfalls nicht die große Begeisterung, siehe die Vendee.

Es gab nicht nur Paris als Hochburg der Revolution. In Rennes, Bordeaux, Marseille, Nantes, auf dem Land wegen der Hungersnot (grande peur des campagnes) und nicht zuletzt im Elsaß und in Straßburg fand die Revolution schnell seine treuesten Anhänger und wildesten Verteidiger. Die royalistische Vendée ist dagegen eine Ausnahme.

(19.09.2014 19:47)Arkona schrieb:  4) Übermacht allein schon durch das "Levee en masse-Prinzip" der Revolution. Das kannte die Militärdokrin des 18. Jahrhunderts mit seinen Kabinettskriegen bis dato nicht.

Die "levée en masse" (Volksaufgebot) war aber beinahe eine Panikreaktion des französischen Volks, als es sah, daß fast ganz Europa gegen es kämpfte. Erst später erwies sich diese Kampfart als die beste Verteidigung und verhalf sie zum Sieg der neuen Ideen. Preußen und Österreicher blickten voll Verachtung auf diese "armée de gueux" (Luderheer) herab.
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19.09.2014, 20:34
Beitrag: #52
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(19.09.2014 18:56)Lützelsteiner schrieb:  
(19.09.2014 18:37)Suebe schrieb:  1. Haben sich weder die Elsässer noch die Lothringer für Frankreich entschieden. Die wurden in beiden Fällen nicht gefragt.

Sie wurden nicht befragt, aber für Frankreich gewonnen. Politisch und gesellschaftlich ist dies entscheidend.

(19.09.2014 18:37)Suebe schrieb:  2. Lag Frankreich 1788 um mindestens ein Jahrtausend in der gesellschaftlichen Entwicklung hinter dem HRR zurück.

Nein, sonst hätte Deutschland die Revolution so wie Frankreich angenommen und nicht gegen demokratische Kräfte gekämpft.

(19.09.2014 18:37)Suebe schrieb:  3. Dass in Frankreich die Revolution 1789 ausbrach hat doch seinen Grund in den selbst für damalige Verhältnisse völlig unmöglichen gesellschaftlichen Zuständen. Rückfall hinter die Zeiten Karls des Großen.

Diese Zustände, die übrigens so schlimm auch wieder nicht waren, galten auch und noch viel mehr im Deutschen Reich.

(19.09.2014 18:37)Suebe schrieb:  4. Der einzige Punkt wo Frankreich tatsächlich vorne lag, war das Militär. Das ist aber keine besonders lobenswerte oder gar nachahmenswerte Führungsposition.

Wann siehst Du diese Übermacht? Die Französische Revolution war doch in höchster Gefahr, als sich Preußen und Österreich sich schickten, Frankreich anzugreifen.

2.)
Na sowas,
Deutschland brauchte keine Revolution! (zumindest bei weitem nicht so dringend wie Frankreich) Schon das HRR war ein Rechtsstaat. Es gab zig-Territorien im HRR mit demokratischer Verfassung, in Frankreich 1788 keine Rede von allem. Die Menschenrechte waren mindestens rudimentär vorhanden. In Frankreich 1788 gar nicht!
Der Staat bin ich - ein im HRR völlig indiskutabler Satz. In Frankreich Verfassung und Grundgesetz. Es gab einen ständigen Reichstag! (kannst in Regensburg die Baulichkeiten wo er tagte besichtigen) Wieviele Jahrhunderte in Frankreich nichts ähnliches?

3.) siehe unter 2.

4.) Es war das große Unglück des HRR, dass dieses überaus friedliche Gebilde eine Raubexistenz wie es das Frankreich ab Ludwig XiV und Napoleon war, zum direkten Nachbarn hatte.

Neulich hatte die regionale Verfassung in einem deutschen Teilstaat 500. Geburtstag.
Aus dem Tübinger Vertrag:
Zitat:Als verfassungsmäßiges Grundrecht galt, daß jeder Württemberger, selbst der Leibeigene ohne Abzug oder Nachsteuer und, ohne einer Erlaubnis zu bedürfen, auswandern konnte, daß jeder Württemberger nur durch den ordentlichen Richter verurteilt und nur in den gesetzlich bestimmten Fällen in Haft genommen werden durfte, nur die verfassungsmäßig mit den Ständen verabschiedeten Steuern zu bezahlen hatte und nur in Kriegs- und anderen Notfällen militärpflichtig war und auch dann nur mit Bewilligung der Stände und bloß für die Dauer des Kriegs.
das ganze aus dem Jahr 1514! gültig bis 1805, aufgehoben unter der Ägide Napoleons!

Die neuere Geschichte am Rhein ist bekannt, dass diese aber auch eine Vorgeschichte hatte, muss man halt auch sehen.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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19.09.2014, 20:45
Beitrag: #53
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(19.09.2014 20:13)Lützelsteiner schrieb:  
(19.09.2014 19:47)Arkona schrieb:  1) Das Stichwort lieferte Woodrow Wilson, US-Präsident während des 1. Weltkrieges. Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Noch wichtiger ist, daß Regionen, Völker und Länder mit ihrer Situation zufrieden und darin glücklich sind. Die Sorben sind auch nicht gefragt worden, ob sie bei Deutschland sein wollen. Ich glaube aber nicht, daß sie heute lieber Polen oder Tschechen wären, nur weil sie slawischer Abstammung sind.

(19.09.2014 19:47)Arkona schrieb:  2) Nicht Frankreich hatte die Revolution, sondern eigentlich ursprünglich nur Paris als urbanes Zentrum. Auf dem Lande gab es jedenfalls nicht die große Begeisterung, siehe die Vendee.

Es gab nicht nur Paris als Hochburg der Revolution. In Rennes, Bordeaux, Marseille, Nantes, auf dem Land wegen der Hungersnot (grande peur des campagnes) und nicht zuletzt im Elsaß und in Straßburg fand die Revolution schnell seine treuesten Anhänger und wildesten Verteidiger. Die royalistische Vendée ist dagegen eine Ausnahme.

No jo,

kennst du das stille Wormsatal bei Metzeral am Fusse des Hohneck?
Im Jahr 1938 war dort ein großes Lager von Pfadfindern aus dem Elsass und Lothringen. Das Gelände gehört meines Wissens heute noch der Pfadfinder-Organisation. Es steht ein Gedenkstein dort, für alle die von ihnen, die den Krieg nicht überlebt haben, "wenn auch die meisten fremde Uniform trugen"
Die fremde Uniform war die der Wehrmacht oder gar der Waffen-SS.
Hier ist das Problem der Grenzländer genannt.

Mein Vater hatte einen Freund, Elsässer von Geburt. Dem haben die Franzosen 1939 den Stellungsbefehl geschickt (von der deutschen Reichspost zugestellt!) den er ignoriert hat. 1945 von einem franz. Militärgericht verurteilt zu 2 Jahren Festungshaft, die er abgesessen hat.

Oradour blieb in Deutschland sehr lange unbekannt.
Die franz. Behördern betrachteten dies nämlich als innerfranz. Problem. Warum? - die Masse der Täter waren Elsässer.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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19.09.2014, 20:49
Beitrag: #54
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(19.09.2014 20:13)Lützelsteiner schrieb:  Noch wichtiger ist, daß Regionen, Völker und Länder mit ihrer Situation zufrieden und darin glücklich sind. Die Sorben sind auch nicht gefragt worden, ob sie bei Deutschland sein wollen. Ich glaube aber nicht, daß sie heute lieber Polen oder Tschechen wären, nur weil sie slawischer Abstammung sind.

Deshalb wollte die Krim auch zu Putin Devil Mit dem Argument könnte Deutschland auch in unseren Tagen in den westlichen Balkan oder sonstwo einmarschieren, da hätten auch viele Leute vor Ort vermutlich nix dagegen und vermutlich wären viele Afrikaner heute glücklicher als französisches Departement wie einst Algerien. Bei den Sorben kenne ich mich aus eigener Anschauung gut aus, die sind voll assimiliert und sprechen kaum noch ihre Sprache. Das Trachtentheater im Spreewald ist doch nur für Touristen. Es gab übrigens tatsächlich nach 1918 die lokale Bestrebung, die Oberlausitz zur Tschechoslowakei zu schlagen.

Zu deinen "Luderheeren". Das gab es 1813 auch in Preussen (Landwehr). Daraus entwuchs ein nationaler Mythos, aber die Obrigkeit sorgte beizeiten dafür, dass die Leute wieder schnell demobilisiert wurden. Zu groß war die Gefahr einer Volksbewegung für ein einiges Deutschland. Sowas wollten die Fürsten überhaupt nicht, hätten sie doch ihre 1000jährigen Privilegien aufgeben müssen.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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19.09.2014, 20:52
Beitrag: #55
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(19.09.2014 20:34)Suebe schrieb:  2.) Na sowas, Deutschland brauchte keine Revolution!

Ach nein?

(19.09.2014 20:34)Suebe schrieb:  Schon das HRR war ein Rechtsstaat. Es gab zig-Territorien im HRR mit demokratischer Verfassung, in Frankreich 1788 keine Rede von allem. Die Menschenrechte waren mindestens rudimentär vorhanden. In Frankreich 1788 gar nicht!

Frankreich war auch ein Rechtsstaat, und die Menschenrechte wurden zur damaligen Zeit in ganz Westeuropa etwa gleich wahrgenommen. Nur weil ein Land eine absolute Monarchie hat, was damals viele Länder hatten, ist es noch lang kein Terrorregime.

(19.09.2014 20:34)Suebe schrieb:  Der Staat bin ich - ein im HRR völlig indiskutabler Satz.

Das sagte der französische König in einem ganz bestimmten Kontext, und der Satz richtete sich vor allem gegen die Adligen.

(19.09.2014 20:34)Suebe schrieb:  In Frankreich Verfassung und Grundgesetz.

Wie bitte?

(19.09.2014 20:34)Suebe schrieb:  Es gab einen ständigen Reichstag! (kannst in Regensburg die Baulichkeiten wo er tagte besichtigen) Wieviele Jahrhunderte in Frankreich nichts ähnliches?

Und der deutsche Reichstag war machtlos. Er beschützte nämlich in keiner Weise die Landleute und einfachen Bürger, sondern kümmerte sich vor allem um die Rechte der Stände. Außerdem war er meistens hilflos zerstritten. Die Kaiserwahl war im ganzen deutschen Mittelalter kein Segen für das Volk.
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19.09.2014, 21:28
Beitrag: #56
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(19.09.2014 20:34)Suebe schrieb:  das ganze aus dem Jahr 1514! gültig bis 1805, aufgehoben unter der Ägide Napoleons!

Dafür habt Ihr jetzt den Code Civil. :-)

(19.09.2014 20:34)Suebe schrieb:  Die neuere Geschichte am Rhein ist bekannt, dass diese aber auch eine Vorgeschichte hatte, muss man halt auch sehen.

Habe ich das etwa in Frage gestellt?
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19.09.2014, 21:41
Beitrag: #57
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(19.09.2014 20:45)Suebe schrieb:  kennst du das stille Wormsatal bei Metzeral am Fusse des Hohneck?
Im Jahr 1938 war dort ein großes Lager von Pfadfindern aus dem Elsass und Lothringen. Das Gelände gehört meines Wissens heute noch der Pfadfinder-Organisation.

Ich gehörte selbst zu den Pfadfindern und habe in diesem Tal an mehreren Zeltlagern teilgenommen.

(19.09.2014 20:45)Suebe schrieb:  Es steht ein Gedenkstein dort, für alle die von ihnen, die den Krieg nicht überlebt haben, "wenn auch die meisten fremde Uniform trugen"
Die fremde Uniform war die der Wehrmacht oder gar der Waffen-SS.
Hier ist das Problem der Grenzländer genannt.

Es ist mitnichten das Problem der Grenzländer sondern das eines verbrecherischen Regimes, das uns überfallen hat und Elsässer und Lothringer gleichschalten wollte.

(19.09.2014 20:45)Suebe schrieb:  Mein Vater hatte einen Freund, Elsässer von Geburt. Dem haben die Franzosen 1939 den Stellungsbefehl geschickt (von der deutschen Reichspost zugestellt!) den er ignoriert hat. 1945 von einem franz. Militärgericht verurteilt zu 2 Jahren Festungshaft, die er abgesessen hat.

Das ist normales Militärrecht. Auch ein deutscher Soldat, der im Krieg den Stellungsbefehl verweigert, wird bestraft.

(19.09.2014 20:45)Suebe schrieb:  Oradour blieb in Deutschland sehr lange unbekannt.
Die franz. Behördern betrachteten dies nämlich als innerfranz. Problem. Warum? - die Masse der Täter waren Elsässer.

Und deshalb wollte man dieses Massaker in Deutschland ignorieren?
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19.09.2014, 21:51
Beitrag: #58
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(19.09.2014 20:49)Arkona schrieb:  Bei den Sorben kenne ich mich aus eigener Anschauung gut aus, die sind voll assimiliert und sprechen kaum noch ihre Sprache. Das Trachtentheater im Spreewald ist doch nur für Touristen.

Das kann ich bestätigen. Ich habe während einer Reise in Nordsachsen und in Südbrandenburg auch festgestellt, daß die Sorben heute außer sehr alten Leuten alle muttersprachlich deutschsprachig sind.

Die Dänen in Südschleswig sind übrigens auch überwiegend deutsch assimiliert. Somit ist Deutschland heute ein sprachlich homogenes Land. Österreich hat, so viel ich weiß, noch einige Sprachminderheiten wie die Slowenen und Kroaten.
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19.09.2014, 22:02
Beitrag: #59
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
OT: Auf welche merkwürdigen Gedanken so die Leute kommen, wenn man sich davon irgendeinen Vorteil verspricht. Im Dezember 1989, nach dem Mauerfall aber vor dem Wahlsieg von Kohl Freunden in der DDR ("Allianz für Deutschland") wurde auf Rügen allen Ernstes diskutiert, eine Aufnahme durch Schweden anzustreben. War zwar immer seit dem 12. Jahrhundert deutsch geprägt, gehörte aber von 1648 bis 1815 zu Stockholm. Die Stadt Wismar (mein Geburtsort) hätten die Schweden noch ganz legal 1903 wiederhaben können, wenn sie die 100jährige Pachtsumme an den Großherzog zurückerstattet hätten. Heute macht man mit "Schwedenfest" im Sommer daraus den üblichen Touristennepp.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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20.09.2014, 06:01
Beitrag: #60
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
Lothringens Zugehörigkeit zu Frankreich ist letztlich eine Folge von mehreren Verträgen, wie der 1542 abgeschlossene Vertrag von Nürnberg, der 1552 abgeschlossene Vertrag von Chambord und den 1735 geschlossenen Vertrag von Wien. Also eher das Werk von Diplomaten als eines kriegerischen französischen Königs.

1542 gewährte Kaiser Karl V. im Vertrag von Nürnberg den Herzog Anton von Lothringen mehr Autonomie. Dies führte dazu, dass Lothringen sich mehr Frankreich zuwandte. Antons Bruder Claude war im Übrigen der Inhaber des französischen Herzogtums Guise. Claudes Söhne und Enkel spielten im 16. Jh. eine bedeutende Rolle in der französischen Politik.

1552 schloss Moritz von Sachsen mit Heinrich II. von Frankreich den Vertrag von Chambord, in dem der sächsische Kurfürst das Reichsvikariat über die drei lothringischen Bistümer Metz, Toul und Verdun sowie über das Bistum Cambrai an den französischen König übertrug. Die Bevölkerung in den Städten war überwiegend französisch. Allerdings war Moritz von Sachsen formal gar nicht berechtigt, einen Reichsgebiete betreffenden Vertrag mit einem ausländischen Herrscher abzuschließen. Das französische Geld, welches er als Gegenleistung erhielt, nutzte er jedoch zur Bezahlung der protestantischen Fürsten, die an seiner Seite gegen Kaiser Karl V. kämpften. Das bedeutet, ohne den Vertrag von Chambord wäre der erfolgreiche Aufstand der protestantischen Fürsten von 1552 gegen Karl V. nicht möglich gewesen. Es wäre 1552 kein Passsauer Vertrag zustande gekommen, in dem der Kaiser die Ergebnisse der Reformation einschließlich der Säkularisation katholischer Güter anerkannt hat. Und ohne Passauer Vertrag hätte es 1555 keinen Augsburger Religionsfrieden gegeben, dem eine ca. 60jährige Friedenszeit im Reich folgte. (mal abgesehen vom Kölner Bischofskrieg oder die Grumbachische Fete).

Der 1735 geschlossene (Vor-)Frieden von Wien beendete den polnischen Erbfolgekrieg von 1733/35. Der ehemalige polnische und im Erbfolgekrieg gescheiterte König Stanislaw Leszczynski erhielt das Herzogtum Lothringen und der bisherige Herzog, Franz Stephan von Lothringen, erhielt im Gegenzug die Anwartschaft auf das Großherzogtum Toskana. Außerdem wurde die Pragmatische Sanktion anerkannt. Seit 1736 herrschte anstatt von Franz Stephan von Lothringen, der seit 1745 auch als Kaiser Franz I. dem HRR vorstand, Stanislaw Leszczynski im formal unabhängigem Lothringen. Da er bereits 60 Jahre alt, erwartete man sein baldiges Ableben. Aber der Schwiegervater des französischen Königs Ludwig XV. wurde 90 Jahre alt, er herrschte demnach 30 Jahre über sein Herzogtum. Erst 1766 fiel Lothringen an Frankreich - formal erbte Ludwig XV. als Schwiegersohn von Stanislaw dessen Herzogtum. Für die lothringische Hauptstadt Nancy war die Herrschaft Leszczynskis allerdings ein Segen.

Die Annexion von Teilen Lothringens durch das Deutsche Reich im Jahre 1871 hat mehrere Gründe, erwies sich aber letztlich als schädlich für das Reich. Ein Grund war die seit den 1850er Jahren entstandene Kohle- und Stahlindustrie, deren Erträge die Kriegskosten von 1870/71 abdecken sollten. Wäre dies der tatsächliche Grund gewesen, wäre eine nur befristete Zugehörigkeit zum Deutschen Reich und eine vorher terminlich geregelte Rückgabe an Frankreich politisch sinnvoll gewesen. Damit wäre dem Deutschen Reich eine andere Außenpolitik möglich geworden. Die Rückgabe des größtenteils von Franzosen bewohnten Gebietes geschah jedoch nicht, d.h. es gab neben den wirtschaftlichen Gründen schwerwiegendere Gründe für den Einbehalt von Teilen Lothringens. Dies waren militärische Gründe, die Stationierung preußischer Truppen bezweckten für die Zukunft sowohl defensive als auch offensive Optionen gegen Frankreich. Außerdem konnte von Lothringen (und natürlich auch vom Elsass) aus preußische Truppen in etwaige unsichere süddeutsche Staaten eingreifen. D.h. Bismarck handelte nicht im Sinne des deutschen Nationalstaates sondern als Sicherer der preußischen Hegemonie.

Das Elsass hat eine völlig andere Geschichte als Lothringen, die wiederum gesondert betrachtet werden muss.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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20.09.2014, 13:00
Beitrag: #61
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
Es ging mir eigentlich weniger darum, die Geschichte der Okkupation des Elsass und Lothringens durch Frankreich nachzuvollziehen.
Dazu können wir gerne einen 3nd aufmachen. Ein interessantes vielschichtiges Thema.

Hier wollte ich der Meinung entgegentreten

Zitat:Das Alte Deutsche Reich war fürwahr ein reiches Land, aber es wurde leider falsch und anachronisch regiert und konnte daher der gesellschaftlichen Entwicklung Europas, die damals eindeutig von Frankreich ausging, nicht standhalten.

die anachronistische weit zurückgefallene gesellschaftliche Struktur Frankreichs war der Grund für den Ausbruch der franz. Revolution.

Das Frankreich des 18. Jahrhunderts war gesellschaftlich alles andere als ein Muster oder Vorbild.

Abgesehen davon war das HRR der angenehmste Nachbar den sich irgend ein Staat jemals wünschen konnte. In dem Jahrtausend seines Bestehens hat es die letzten 500 Jahre keinerlei Eroberungskriege mehr geführt.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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20.09.2014, 20:24
Beitrag: #62
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(20.09.2014 13:00)Suebe schrieb:  Es ging mir eigentlich weniger darum, die Geschichte der Okkupation des Elsass und Lothringens durch Frankreich nachzuvollziehen.

Aber indem man einen zeitlich größeren Zeitraum betrachtet und den allgemeinen historischen Werdegang eines Landes oder einer Region beleuchtet, kann man gegenwärtige Zustände und Gegebenheiten bzw. solche der jüngeren Vergangenheit besser einordnen und verstehen.
Einzelne und vom historischen Kontext losgelöste Betrachtungen können schnell zu Fehlinterpretationen führen. So zumindest meine Sicht.


Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte.
Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon, wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen!

Eduard F. Mörike (1804-1875)
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22.09.2014, 03:32
Beitrag: #63
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(19.09.2014 21:51)Lützelsteiner schrieb:  
(19.09.2014 20:49)Arkona schrieb:  Bei den Sorben kenne ich mich aus eigener Anschauung gut aus, die sind voll assimiliert und sprechen kaum noch ihre Sprache. Das Trachtentheater im Spreewald ist doch nur für Touristen.

Das kann ich bestätigen. Ich habe während einer Reise in Nordsachsen und in Südbrandenburg auch festgestellt, daß die Sorben heute außer sehr alten Leuten alle muttersprachlich deutschsprachig sind.

Die Dänen in Südschleswig sind übrigens auch überwiegend deutsch assimiliert. Somit ist Deutschland heute ein sprachlich homogenes Land. Österreich hat, so viel ich weiß, noch einige Sprachminderheiten wie die Slowenen und Kroaten.

Ja, Slowenen in Südkärnten (eines der wenigen Gebiete, in dem das Wilson'schen Selbstbestimmungsrecht 1920 berücksichtigt wurden) sowie Kroaten und Ungarn im Burgenland.
Es gibt zweisprachige Ortstafeln, muttersprachlichen Unterricht und einmal in der Woche eine TV-Sendung in der jeweiligen Minderheitensprache. Die Minderheiten sind aber in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich geschrumpft.

MfG, Titus Feuerfuchs
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30.09.2014, 21:05
Beitrag: #64
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
Früher gab es im deutschen Fernsehen wöchentliche Sendungen für Ausländer. Die sind auch schon seitl langem eingestellt. Wer will, kann Sendungen in seiner Muttersprache im Kabefernsehen bei jeweils fünf bis zehn Sendern sehen.
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26.10.2014, 09:50
Beitrag: #65
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(20.09.2014 06:01)Sansavoir schrieb:  Die Annexion von Teilen Lothringens durch das Deutsche Reich im Jahre 1871 hat mehrere Gründe, erwies sich aber letztlich als schädlich für das Reich.

Welche Aspekte der Annexion Lothringens erwiesen sich Deiner Meinung nach als für das Deutsche Kaiserreich schädlich?
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26.10.2014, 10:35
Beitrag: #66
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(20.09.2014 13:00)Suebe schrieb:  Hier wollte ich der Meinung entgegentreten

Zitat:Das Alte Deutsche Reich war fürwahr ein reiches Land, aber es wurde leider falsch und anachronisch regiert und konnte daher der gesellschaftlichen Entwicklung Europas, die damals eindeutig von Frankreich ausging, nicht standhalten.

die anachronistische weit zurückgefallene gesellschaftliche Struktur Frankreichs war der Grund für den Ausbruch der franz. Revolution.

Die Französische Revolution war vielmehr das Ergebnis einer lebendigen französischen Gesellschaftsstruktur, die auf Dekadenzerscheinungen der absoluten Monarchie reagierte, die an sich und anfänglich nicht einmal in Frage gestellt worden war.


(20.09.2014 13:00)Suebe schrieb:  Das Frankreich des 18. Jahrhunderts war gesellschaftlich alles andere als ein Muster oder Vorbild.

Das achtzehnte Jahrhundert brachte im Gegenteil das „französische Jahrhundert“, das siebzehnte, zu seiner vollen kulturellen und politischen Entfaltung. Gleichzeitig zeigten sich in Frankreich selbst schon die ersten Unzulänglichkeiten der späteren französischen Könige, als die absolute Monarchie den von ihr geschaffenen Ansprüchen nicht mehr gerecht wurde. Das europäische Ausland, darunter besonders die deutschen Länder, orientierte sich aber immer noch massiv am politischen und gesellschaftlichen Vorbild Frankreichs.


(20.09.2014 13:00)Suebe schrieb:  Abgesehen davon war das HRR der angenehmste Nachbar den sich irgend ein Staat jemals wünschen konnte.

Und was hätte diese total unpolitische weil naive Eigenschaft mit sich bringen müssen?
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26.10.2014, 13:25
Beitrag: #67
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
@Lützelsteiner: Bitte übersetze mal deine Frage in verständliches Deutsch.
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26.10.2014, 22:18
Beitrag: #68
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(26.10.2014 10:35)Lützelsteiner schrieb:  ./.

Abgesehen davon war das HRR der angenehmste Nachbar den sich irgend ein Staat jemals wünschen konnte.

Und was hätte diese total unpolitische weil naive Eigenschaft mit sich bringen müssen?
[/quote]

Ja was denn wohl?
Frieden in Europa, es sei denn es gab einen Nachbarn wie das Frankreich des vierzehnten Ludwig oder der beiden Napoleons.

Als es östlich des Rheins einen Hitler gab, der das Völkerrecht ähnlich mit Füssen trat, könnt ihr dies nicht genug bejammern. Ohne einen Gedanken an die Vorgeschichte zu verschwenden.

Aber nochmals zurück zu den Zuständen vor 1789. Die "Verrechtlichung" im HRR war sehr weit fortgeschritten. Jeder, Adel, Bürger, Bauer konnte zB seinen Landesherrn vor den Hofgerichten verklagen.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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27.10.2014, 01:10
Beitrag: #69
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(26.10.2014 09:50)Lützelsteiner schrieb:  
(20.09.2014 06:01)Sansavoir schrieb:  Die Annexion von Teilen Lothringens durch das Deutsche Reich im Jahre 1871 hat mehrere Gründe, erwies sich aber letztlich als schädlich für das Reich.

Welche Aspekte der Annexion Lothringens erwiesen sich Deiner Meinung nach als für das Deutsche Kaiserreich schädlich?

Ganz einfach: Jeder Gegner des Deutschen Reiches fand in Frankreich einen Verbündeten. Das hätte nicht unbedingt sein müssen, die später propagierte "Erbfeindschaft" ist Blödsinn. Es gab in den 1850er und 1860er durchaus vernünftige Annäherungen zu Frankreich, wie z.B. das preußisch-französische Handelsabkommen von 1862, das seit 1864 auch für alle Mitglieder des Deutschen Zollvereins günstig war. Bismarck selbst befürwortete 1856 eine Annäherung Preußens bzw. des Deutschen Bundes an Frankreich. Erst nach dem Aufkommen der Luxemburg-Frage im Jahr 1867 verschlechterte sich das Verhältnis zu Frankreich. Ohne die Annexion von Elsass und Lothringen hätte sich das Deutsche Reich spätestens nach der Präsidentschaft von MacMahon Frankreich wieder politisch annähern können. Für den französischen Staat hätte dies sicher bedeutet, dass es 1887 keine von Georges Boulanger ausgelöste Krise gegeben hätte.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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27.10.2014, 15:13
Beitrag: #70
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
Mein Gott, Sansavoir, du verlangst uns wieder das Äußerste ab. Luxemburg-Krise, MacMahon, Boulanger....
Man kann nur zusammenfassend sagen, daß das Unglück Deutschlands war, das auf den superklugen Bismarck der superblöde Wilhelm zwo folgte (auch Wilhelm hatte gute Eigenschaften, aber politische gehörten nicht dazu).
Was das Elsaß betrifft ist meine persönliche Meinung, das Prinz Eugen an allem schuld ist, der große Teile davon an Frankreich auslieferte als es nach den französischen Niederlagen möglich war das zu verhindern. Der Wiener Hof, jeder nationalen Gesinnung fremd, ließ das zu.
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27.10.2014, 18:31
Beitrag: #71
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
an Sansavoir:

Deine Argumente finde ich interessant. Ich gehe auch davon aus, hätte Preußen auf die Annexion Elsaß-Lothringens verzichtet, hätte es vieles andere, darunter Finanzielles, ohne großen Protest von Frankreich bekommen und seinen Sieg, den ihm auch andere Länder wie England durchaus gegönnt hatten, genießen können.

Vielleicht wäre Preußen durch seine Großzügigkeit sogar sehr mächtig und hoch angesehen in ganz Europa daraus hervorgegangen. Etwa wie Österreich-Ungarn mit Metternich im Jahr 1815. Bismarck wäre der neue Metternich geworden, der die Politik Europas hätte führen können, unter anderem weil er die traditionnelle Unterstützung Frankreichs gegen Österreich bekommen hätte, und das komplexe Verhältnis des Deutschen Kaiserreichs zur Donaumonarchie wäre ein ganz anderes geworden.
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27.10.2014, 21:04
Beitrag: #72
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
Frankreich war zu jener Zeit viel zu nationalistisch und auf Krawall gebürstet. Schon die Niederlage Österreich-Ungarns im "Bruderkrieg" 1866, die im Grunde Frankreich nichts anging, empfand man als persönliche Demütigung ("Rache für Sadowa"). Die gute Eugenie (Gattin Napoleons III.) hetzte ihren Gatten persönlich auf. Der Revanchegedanke wäre m.E. virulent geblieben, egal wie ein Friedensvertrag 1871 ausgesehen hätte. Also auch wenn Elsass-Lothringen nicht von Bismarck annektiert worden wäre, hätte man in Paris weiterhin von der durchgehenden Rheingrenze und der Zerschlagung Preussen-Deutschlands geträumt. Immerhin waren die "glorreichen Zeiten" unter dem Korsen erst 2 Generationen her und es gab also noch genug Leute, die das persönlich miterlebt hatten.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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27.10.2014, 21:29
Beitrag: #73
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
Bismarck bekam die Süddeutschen nur über die französische Bedrohung und endgültig über die französische Kriegserklärung ins Boot "Deutsches Kaiserreich unter Preußens Führung".
Die Beistandsverträge nach dem 66er Krieg wurden nur wirksam bei einer franz. Kriegserklärung.

Seit 1630 litt Süddeutschland unter immer neuen franz. Kriegszügen. Mithin 240 Jahre!

Nicht Bismarck wollte Elsass-Lothringen, der hätte ohne bestens leben können,
es waren die preußischen Militärs (mit denen Bismarck fertig geworden wäre) und insbesondere die Süddeutschen Staaten die das militärische Vorfeld gegen Frankreich wollten.
Künftige Kriege sollten in Frankreich (einschl. Elsass-Lothringen) stattfinden, und nicht wieder und wieder in Süddeutschland. Dafür insbesondere sind die Bayern, Badener und Württemberger in den 70er Krieg gezogen.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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28.10.2014, 04:42
Beitrag: #74
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(27.10.2014 15:13)Harald schrieb:  Mein Gott, Sansavoir, du verlangst uns wieder das Äußerste ab. Luxemburg-Krise, MacMahon, Boulanger....

Die Luxemburg-Krise entstand 1867, nachdem herauskam, dass Napoleon III. vom niederländischen König Wilhelm III. Luxemburg kaufen wollte und danach Frankreich einverleiben wollte.

Seit 1815 gehörte das Großherzogtum Luxemburg zum Vereinigten Königreich der Niederlande bzw. nach der Abspaltung der Belgier seit 1839 zum Königreich der Niederlande. Der König der Niederlande war gleichzeitig Großherzog von Luxemburg. Eine Besonderheit war aber, dass Luxemburg seit 1815 zum Deutschen Bund gehörte und die Festung der Stadt Luxemburg von Truppen des Deutschen Bundes gehalten worden ist. Der größte Teil dieser Truppen wurde von Preußen gestellt. Ebenso war Luxemburg Mitglied des Deutschen Zollvereins. Nach dem Zerfall des Deutschen Bundes 1866 hatten diese Preußen als Truppen des Deutschen Bundes kein Stationierungsrecht in Luxemburg. Der Norddeutsche Bund fungierte erst ab den 1. Juli 1867 als kleindeutscher Nachfolger des Deutschen Bundes, es bestand nach der Schlacht von Königgrätz eine Situation, in der die Luxemburg-Frage L offen stand.

Napoleon III. bot dem niederländischen König Wilhelm III. an, ihm Luxemburg zu verkaufen.
Wilhelm III. wäre dazu auch bereit gewesen, Luxemburg an Frankreich zu verkaufen, wobei dies von der Einwilligung Preußens abhängig gewesen wäre. Wilhelm III. hatte bereits den Kaufvertrag unterschrieben, als er von Bismarck aufgefordert wurde, diesen Kaufvertrag rückgängig zu machen. Als Grund dafür gab er an, dass dies nicht in bzw. mit der deutschen Öffentlichkeit durchsetzbar wäre. Napoleon III. fühlte sich nun düpiert, da Bismarck ihm bei einem Privattreffen 1865 in Biarritz versprochen hatte, den Erwerb Luxemburgs zu unterstützen. Im Gegenzug versprach Napoleon III, während eines preußisch-österreichischen Krieg neutral zu sein. Die Luxemburg-Krise wurde dann auf der zweiten Londoner Konferenz bewältigt, auf der sich die fünf europäischen Großmächte Großbritannien, Frankreich, Russland, Preußen und Österreich darauf einigten, dass Luxemburg weiterhin bei den Niederlande bleibt, die Preußen ihre Truppen abziehen, die Festung Luxemburg geschleift wird und Luxemburg sich neutral verhält. Aber sowohl Bismarck, als auch Napoleon III. waren mit diesem Endergebnis unzufrieden. Die Luxemburg-Krise war eine der Ursachen des Deutsch-Französischen Krieg. Bismarck gelang es dann zwischen 1867 und 1870 gegen Frankreich gerichtete Schutz- und Trutzbündnisse des Norddeutschen Bundes mit den süddeutschen Staaten zu bilden. 1890 lösten sich Luxemburg und die Niederlage, Wilhelms III. Nachfolger als Großherzogtum von Luxemburg war Adolf von Nassau, der 1866 sein ursprüngliches Herzogtum an Preußen verlor

Patrice de MacMahon (1808–1891) war von 1873 bis 1879 französischer Staatspräsident.
Als Militär war er hauptsächlich in Nordafrika eingesetzt. Er nahm aber auch am Krimkrieg und am Deutsch-Französischen Krieg teil und schlug die Pariser Kommune nieder. Nach dem Sturz Thiers 1873 wurde MacMahon zum Präsident gewählt. Unter dem Schutz seiner Präsidentschaft sollten die Bourbonen auf den französischen Thron zurückkehren. Das scheiterte nur daran, dass der Thronprätendent die Trikolore nicht anerkannte. MacMahon galt als ultramontan und antirepublikanisch, die Zunahme des Einflusses republikanischer Parteien behagte ihm nicht. Aus diesem Grund trat er dann 1879 zurück. MacMahon war als Präsident vor allem außenpolitisch tätig, die Innenpolitik überließ er im Wesentlichen den Ministerpräsidenten.

George Boulanger (1839–1891) wurde 1886 französischer Kriegsminister. Er vervielfachte die Kriegsausgaben und versuchte mit antideutscher Propaganda einen Krieg gegen Deutschland zu beginnen. Dies wurde von der französischen Öffentlichkeit nicht getragen und Boulanger musste 1888 zurücktreten. Sein Wirken führte aber dazu, dass Teile des Militärs sich weiterhin chauvinistisch radikalisierten und eine antideutsche Politik verfolgten.

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28.10.2014, 20:41
Beitrag: #75
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(26.10.2014 22:18)Suebe schrieb:  Frieden in Europa, es sei denn es gab einen Nachbarn wie das Frankreich des vierzehnten Ludwig oder der beiden Napoleons.

Frieden hat man nicht dadurch, daß man sich einen friedlicheren Nachbarn herbeijammert, sondern indem man für die eigene politische Solidität sorgt. Das tat weder das Alte Reich in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs noch im 18. Jahrhundert.


(26.10.2014 22:18)Suebe schrieb:  Als es östlich des Rheins einen Hitler gab, der das Völkerrecht ähnlich mit Füssen trat, könnt ihr dies nicht genug bejammern.

Daß Du Hitler mit Frankreich darin vergleichst, daß beide „das Völkerrecht ähnlich mit Füßen traten“, ist erchreckend. Damit verschweigst Du das Wichtigste: was das Verbrecherische an Hitler und Hitlerdeutschland einmalig macht.

Daß Frankreich wie andere Länder Eroberungskriege geführt hat, steht außer Frage. Auch Deutschland werfen aufrichtige Gegner nicht in erster Linie vor, Eroberungskriege geführt zu haben.

Das, was nicht nur Franzosen, sondern alle Gegner Deutschlands an der Kriegführung des Dritten Reichs vor allem abscheulich und verwerflich finden, ist die bewußte, geplante Liquidierung von Volksgruppen und Völkern einerseits, die Knechtung und Versklavung der besiegten Länder andererseits. Im Kollektivbewußtsein der Franzosen, ganz besonders der Elsässer und Lothringer, bleibt dieses Erlebnis aus diesem Grund haften. Das können wir dann tatsächlich „nicht genug bejammern“.
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28.10.2014, 23:34
Beitrag: #76
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
Ich wüsste nicht, dass "ganz besonders" die Elsässer und Lothringer von den Nazis liquidiert, geknechtet und versklavt wurden.
Kann es sein, dass dort eher ein schlechtes Gewissen herrscht wegen Kolloboration und man mit aller Gewalt betont, wie schlimm doch alles war? Jaja, alle waren hinterher natürlich im Widerstand...
Ich persönlich habe den Eindruck, je besser eine Volksgruppe behandelt wurde, desto deutschfeindlicher gab sie sich nach dem Krieg. Kann man an den Holländern und Norwegern prima studieren, während die Russen und Polen, die nun wirklich unter der Besatzung leiden mussten, trotz allem germanophil blieben.

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29.10.2014, 15:55
Beitrag: #77
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(28.10.2014 23:34)Arkona schrieb:  Ich wüsste nicht, dass "ganz besonders" die Elsässer und Lothringer von den Nazis liquidiert, geknechtet und versklavt wurden.
Kann es sein, dass dort eher ein schlechtes Gewissen herrscht wegen Kolloboration und man mit aller Gewalt betont, wie schlimm doch alles war? Jaja, alle waren hinterher natürlich im Widerstand...
Ich persönlich habe den Eindruck, je besser eine Volksgruppe behandelt wurde, desto deutschfeindlicher gab sie sich nach dem Krieg. Kann man an den Holländern und Norwegern prima studieren, während die Russen und Polen, die nun wirklich unter der Besatzung leiden mussten, trotz allem germanophil blieben.

Kann man so durchaus sehen.

Aber, es ist eine andere Kiste, die Lützelsteiner da aufmacht.
Ich werde ihm auf sein obiges Post, Elsass-bezogen noch antworten.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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29.10.2014, 22:08
Beitrag: #78
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(28.10.2014 23:34)Arkona schrieb:  Ich wüsste nicht, dass "ganz besonders" die Elsässer und Lothringer von den Nazis liquidiert, geknechtet und versklavt wurden.

Dann erinnere ich an drei Gegebenheiten, die die Knechtung und Versklavung der Elsässer und Lothringer durch Nazideutschland veranschaulichen.

Elsaß-Lothringen hatte das Schicksal des Deutschen Reichs nach 1918 nicht geteilt, darunter nicht den Aufstieg der NSDAP, die die deutsche Bevölkerung massiv für sich und ihre Ideologie zu gewinnen wußte. Das ganze koerzitive und freiheitsberaubende System, wie es sich im Deutschen Reich nach 1933 entwickelt hatte, war ihm sowohl vom Wesen als auch vom Erlebten her fremd. Ab Juni 1940 wurde es brutal und plötzlich damit konfrontiert: Mit Entsetzen überfiel die neue deutsche Vewaltung das Elsaß mit Willkürherrschaft, Drohverhalten, Freiheitsentzug, verbrecherischen Gesetzen und Kulturlosigkeit.

Hitler empfand eine tiefe Abneigung gegen die Elsässer und Lothringer, weil er sie im Ersten Weltkrieg als Überläufer zu den Franzosen an der Westfront oder im besten Fall als äußerst wenig deutsch-patriotisch in Erinnerung behalten hatte. Er hatte unter anderem mitbekommen, wie man sie aus diesem Grund an die Ostfront schicken mußte. Für ihn war die erneute Besetzung Elsaß-Lothringen aus diesem Grund kein „Heim ins Reich“ wie mit Eupen-Malmedy: 1940-1944 bekamen Elsässer und Lothringer nicht die reichsdeutsche Staatsbürgerschaft, sie blieben „Volksdeutsche“, die sich zuerst für das Dritte Deutsche Reich zu bewähren hatten. Sie waren also keine Deutschen durch das sonst von den Nazis so hoch gehaltene Prinzip der ethnischen Germanität, sondern mußten erst noch beweisen, daß sie würdig seien, als solche anerkannt zu werden! Bürger unterer Kategorie mit gekürzten Rechten also.

Noch weniger als 1870 wollten Elsässer und Lothringer 1940 zu Deutschland, sie fühlten sich nicht als Deutsche und wollte keine werden. Das Staatsgebilde des Dritten Reichs, aber auch sein Territorium und seine Landschaften, seine Sitten und seine Mentalität waren ihnen fremd. Die nationalsozialistische Schreckensherrschaft nahmen sie also mit großer Furcht und Unwillen hin, wie eine hereinbrechende Katastrophe, die hoffentlich bald wieder enden würde. Staatsrechtlich waren sie sowieso französische Staatsbürger geblieben: Das Elsaß und Lothringen waren besetzt, wie das übrige Frankreich, es hatte keinen Friedensvertrag gegeben, und daher hätte es auch keinen politischen Anschluß mit all den damit verbundenen Konsequenzen geben dürfen. Eine davon war der Dienst in der Wehmacht und der Kriegseinsatz. Das wahrscheinlich Traumatischste im elsässischen Kollektivgedächtnis bleibt bis heute, daß die ganze Jungmännergeneration ab August 1942 gegen alle Kriegsgesetze zwangseingezogen wurde. Noch heute wird im Elsaß und Lothringen mit bitterer Wut und großem Schmerz dieses Verbrechens gedacht. Wie oft mußte ich von Männern im Alter meines Vaters hören: „Nous avons dû nous battre pour une cause et un pays qui n’était pas le nôtre“: Wir mußten für eine Sache und ein Land kämpfen, das nicht unser ist.


(28.10.2014 23:34)Arkona schrieb:  Kann es sein, dass dort eher ein schlechtes Gewissen herrscht wegen Kolloboration und man mit aller Gewalt betont, wie schlimm doch alles war? Jaja, alle waren hinterher natürlich im Widerstand...

Von einer Kollaboration kann man im Fall Elsaß-Lothringen nicht sprechen. Das Wort wird im übrigen Frankreich verwendet, hier ist es ungeeignet. Wer nämlich in Elsaß-Lothringen den deutschen Machthabern nicht Folge leistete, besonders im Zusammenhang mit der Zwangsrekrutierung, wurde nicht als Feind, sondern als Verräter und Volksschädling, als Aufwiegler und Zersetzer hart bestraft, seine Familie in Sippenhaft genommen, wenn man seiner nicht habhaft werden konnte. „Widerstand“ geschah meistens nur mit der geballten Faust in der Tasche, durch die innere Haltung der Verachtung. Deutsche, die in Elsaß-Lothringen versetzt waren, spürten sie, und sie fiel ihnen sehr auf die Nerven. Geradezu tragisch am elsässischen Schicksal war, daß Widerstand wie im übrigen Frankreich unter keinen Umständen möglich war.


(28.10.2014 23:34)Arkona schrieb:  Ich persönlich habe den Eindruck, je besser eine Volksgruppe behandelt wurde, desto deutschfeindlicher gab sie sich nach dem Krieg. Kann man an den Holländern und Norwegern prima studieren, während die Russen und Polen, die nun wirklich unter der Besatzung leiden mussten, trotz allem germanophil blieben.

Daß Russen und Polen besonders germanophil wären, entspricht kaum allgemeinen Beobachtungen. Gerade das Verhältnis von Deutschland zu Polen bleibt bis heute besonders belastet. Mag sein, daß die Sowjetunion mit ihrem kommunistischen Regime, Polen mit der Pilsudski-Diktatur und das Deutsche Reich mit der Naziherrschaft unter dem jeweiligen Terror ähnlich gelitten haben und daher ein gewisses Verständnis füreinander finden.

Norwegen und Niederlande waren dagegen beide friedliche, beinahe wehrlose Länder, die sich kaum gegen einen verbrecherischen Überfall verteidigen konnten. Da ist es verständlich, wenn Haß und Feindschaft nur schwierig abklingen. Deutschland überfiel diese Länder rücksichtslos und besonders brutal, wenn man nur an die Bombardierung und Zerstörung Rotterdams denkt. Wie kannst Du bloß von „besserer Behandlung“ im Fall der Niederlande sprechen? Ist das nicht sehr zynisch? Oder verstehst Du die Abneigung der Holländer gegen Deutschland in diesem Zusammenhang wirklich nicht? Und was ist mit der Vernichtung der niederländischen Juden, die vor dem Krieg noch einen beachtlichen Teil der Bevölkerung dieses Lands ausmachten?
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29.10.2014, 23:18
Beitrag: #79
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
Jaja, die beliebte Opferrolle. Das Massaker in Oradour wurde von einer SS-Einheit vollzogen, die zu einem Drittel aus Elsässern bestand.
Deine "allgemeinen Beobachtungen" widersprechen meiner Lebenserfahrung, und ich kenne viele Russen und Polen persönlich.
Dein "beträchtlicher Teil" der holländischen Bevölkerung belief sich auf ca. 3% und Anne Frank wurde von ihren eigenen Landsleuten "verpfiffen". Rotterdam hatte mehr Zerstörungen und Tote durch alliierte Bomben später als durch den Angriff 1940. Aber das will man heute natürlich alles nicht wahrhaben.

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31.10.2014, 23:06
Beitrag: #80
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
Die meisten Menschen unterscheiden zwischen Regime und Volk. Die Deutschen in Polen waren überwiegend von den Nationalsozialisten und Wehrdienst im Krieg auch nicht begeistert. Das änderte aber ihre Einstellung zu ihrem eignen Volk, also zu sich selbst nicht. Das müßte eigentlich auch im Elsaß so gewesen sein. Bei all dem Schlimmen im Krieg, werden sie sich doch als die guten Deutschen gefühlt haben, die gegen das Regime sind. Daneben lebten im Elsaß wohl auch Leute, die sich an Frankreich assimiliert haben und auch Leute, die vom Nationalsozialismus begeistert waren, weil er sie von der französischen Herrschaft befreite.

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
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02.11.2014, 00:02
Beitrag: #81
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(31.10.2014 23:06)Paul schrieb:  Die meisten Menschen unterscheiden zwischen Regime und Volk. Die Deutschen in Polen waren überwiegend von den Nationalsozialisten und Wehrdienst im Krieg auch nicht begeistert. Das änderte aber ihre Einstellung zu ihrem eignen Volk, also zu sich selbst nicht. Das müßte eigentlich auch im Elsaß so gewesen sein.

War es aber nicht, aus einem sehr einfachen Grund: Die Reichsdeutschen waren nicht ihr Volk, sie fühlten sich als Franzosen, selbst wenn sie damals noch überwiegend eine deutsche Mundart sprachen. Das Deutsche Reich war für sie Ausland, Nazi-Regime hin oder her.


(31.10.2014 23:06)Paul schrieb:  Daneben lebten im Elsaß wohl auch Leute, die sich an Frankreich assimiliert haben und auch Leute, die vom Nationalsozialismus begeistert waren, weil er sie von der französischen Herrschaft befreite.

Daß es wie in vielen anderen besetzten Gebieten überzeugte Nationalsozialisten gab, ist unbestritten. In Elsaß-Lothringen fällt aber auf, das bezeugen viele Belege aus deutscher Hand aus dieser Zeit, daß die Abneigung der Elsässer und Lothringer gegen das Deutschsein beinahe diejenige gegen das nationalsozialistische Regime überwog, was ja Bände spricht, da schon das Regime allein viel ablehnungswürdiger empfunden wurde als im Deutschen Reich in den Grenzen von 1937.
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02.11.2014, 02:04
Beitrag: #82
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
@Lützelsteiner, was du da schreibst klingt eher nach der offiziellen Schulbuchlesart in Frankreich. Gegen das Deutschsein hatten die Elsässer vermutlich weniger, aber sie hatten sehr wohl etwas dagegen, in die Wehrmacht eingezogen zu werden.
Da du von Belegen sprichst, dann verlink doch mal ein paar Quellen, die deine Thesen stützen.

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02.11.2014, 11:28
Beitrag: #83
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(02.11.2014 02:04)Arkona schrieb:  @Lützelsteiner, was du da schreibst klingt eher nach der offiziellen Schulbuchlesart in Frankreich.

Was ich schreibe, entspricht einem unter Historikern und Laien heute weitgehend angenommenen Konsens sowohl auf deutscher als auch auf französischer und vor allem auf elsaß-lothringischer Seite. Siebzig Jahren nach diesen unseligen Ereignissen ist dies ein gutes Zeichen der Einvernehmlichkeit sowohl über empfundene als auch über von der Gegenseite wahrgenommene patriotische Haltung einer Bevölkerung.


(02.11.2014 02:04)Arkona schrieb:  Gegen das Deutschsein hatten die Elsässer vermutlich weniger, aber sie hatten sehr wohl etwas dagegen, in die Wehrmacht eingezogen zu werden.

Das tiefere und erste Problem der Elsässer und Lothringer war ihre Abneigung gegen die Zugehörigkeit zu Deutschland. Die jungen elsässischen Männer der vierziger Jahre interessierte wenig, wie die Wehrmacht aufgebaut war und welches Ziel sie verfolgte. Wehrmachtsangehörige waren schlichtweg nicht ihre Waffenbrüder, sondern fremde Soldaten, mit denen sie nicht zusammen kämpfen wollten, und deren Sache nicht ihre war. Das betonen alle Malgré-Nous-Verbände einmütig.


(02.11.2014 02:04)Arkona schrieb:  Da du von Belegen sprichst, dann verlink doch mal ein paar Quellen, die deine Thesen stützen.

Eigentlich sollte es mit Belegen eher umgekehrt, deinserseits, sein, denn meine Erfahrung ist, daß Deine Thesen über Elsaß-Lothringen eher marginal in Deutschland und höchstens in revisionistischen Kreisen anzutreffen sind.

Ich frage mich nur, worauf sich solche Überzeugungen stützen, außer vielleicht auf das Nichtwahrhabenwollen, daß angestammte deutschsprachige Kultur nicht mit politischer Zugehörigkeit zum Gebilde Deutschland deckungsgleich ist. Sehr gute Beispiele dazu sind die Schweiz und Luxemburg. Frag einmal einen Luxemburger, was er vom „Heim ins Reich“ seines Landes in den Jahren 1940-1944 hält! Wobei das Argument einer „französischen Fremdbesatzung“ hier noch weniger standhält als im Fall Elsaß-Lothringens.
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02.11.2014, 12:09
Beitrag: #84
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
Ich sagte schon, das Massaker von Oradour wurde beispielsweise von einer SS-Einheit verübt, in der hauptsächlich Elsässer dienten. Nach dem Krieg wurden die Gerichtsverfahren deshalb getrennt, die beteiligten Elsässer als Bürger Frankreichs bekamen ihren eigenen Prozess (in Frankreich).

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02.11.2014, 21:32
Beitrag: #85
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(29.10.2014 22:08)Lützelsteiner schrieb:  
(28.10.2014 23:34)Arkona schrieb:  Ich wüsste nicht, dass "ganz besonders" die Elsässer und Lothringer von den Nazis liquidiert, geknechtet und versklavt wurden.

Dann erinnere ich an drei Gegebenheiten, die die Knechtung und Versklavung der Elsässer und Lothringer durch Nazideutschland veranschaulichen.

Elsaß-Lothringen hatte das Schicksal des Deutschen Reichs nach 1918 nicht geteilt, darunter nicht den Aufstieg der NSDAP, die die deutsche Bevölkerung massiv für sich und ihre Ideologie zu gewinnen wußte. Das ganze koerzitive und freiheitsberaubende System, wie es sich im Deutschen Reich nach 1933 entwickelt hatte, war ihm sowohl vom Wesen als auch vom Erlebten her fremd. Ab Juni 1940 wurde es brutal und plötzlich damit konfrontiert: Mit Entsetzen überfiel die neue deutsche Vewaltung das Elsaß mit Willkürherrschaft, Drohverhalten, Freiheitsentzug, verbrecherischen Gesetzen und Kulturlosigkeit.

Hitler empfand eine tiefe Abneigung gegen die Elsässer und Lothringer, weil er sie im Ersten Weltkrieg als Überläufer zu den Franzosen an der Westfront oder im besten Fall als äußerst wenig deutsch-patriotisch in Erinnerung behalten hatte. Er hatte unter anderem mitbekommen, wie man sie aus diesem Grund an die Ostfront schicken mußte. Für ihn war die erneute Besetzung Elsaß-Lothringen aus diesem Grund kein „Heim ins Reich“ wie mit Eupen-Malmedy: 1940-1944 bekamen Elsässer und Lothringer nicht die reichsdeutsche Staatsbürgerschaft, sie blieben „Volksdeutsche“, die sich zuerst für das Dritte Deutsche Reich zu bewähren hatten. Sie waren also keine Deutschen durch das sonst von den Nazis so hoch gehaltene Prinzip der ethnischen Germanität, sondern mußten erst noch beweisen, daß sie würdig seien, als solche anerkannt zu werden! Bürger unterer Kategorie mit gekürzten Rechten also.

Noch weniger als 1870 wollten Elsässer und Lothringer 1940 zu Deutschland, sie fühlten sich nicht als Deutsche und wollte keine werden. Das Staatsgebilde des Dritten Reichs, aber auch sein Territorium und seine Landschaften, seine Sitten und seine Mentalität waren ihnen fremd. Die nationalsozialistische Schreckensherrschaft nahmen sie also mit großer Furcht und Unwillen hin, wie eine hereinbrechende Katastrophe, die hoffentlich bald wieder enden würde. Staatsrechtlich waren sie sowieso französische Staatsbürger geblieben: Das Elsaß und Lothringen waren besetzt, wie das übrige Frankreich, es hatte keinen Friedensvertrag gegeben, und daher hätte es auch keinen politischen Anschluß mit all den damit verbundenen Konsequenzen geben dürfen. Eine davon war der Dienst in der Wehmacht und der Kriegseinsatz. Das wahrscheinlich Traumatischste im elsässischen Kollektivgedächtnis bleibt bis heute, daß die ganze Jungmännergeneration ab August 1942 gegen alle Kriegsgesetze zwangseingezogen wurde. Noch heute wird im Elsaß und Lothringen mit bitterer Wut und großem Schmerz dieses Verbrechens gedacht. Wie oft mußte ich von Männern im Alter meines Vaters hören: „Nous avons dû nous battre pour une cause et un pays qui n’était pas le nôtre“: Wir mußten für eine Sache und ein Land kämpfen, das nicht unser ist.


(28.10.2014 23:34)Arkona schrieb:  Kann es sein, dass dort eher ein schlechtes Gewissen herrscht wegen Kolloboration und man mit aller Gewalt betont, wie schlimm doch alles war? Jaja, alle waren hinterher natürlich im Widerstand...

Von einer Kollaboration kann man im Fall Elsaß-Lothringen nicht sprechen. Das Wort wird im übrigen Frankreich verwendet, hier ist es ungeeignet. Wer nämlich in Elsaß-Lothringen den deutschen Machthabern nicht Folge leistete, besonders im Zusammenhang mit der Zwangsrekrutierung, wurde nicht als Feind, sondern als Verräter und Volksschädling, als Aufwiegler und Zersetzer hart bestraft, seine Familie in Sippenhaft genommen, wenn man seiner nicht habhaft werden konnte. „Widerstand“ geschah meistens nur mit der geballten Faust in der Tasche, durch die innere Haltung der Verachtung. Deutsche, die in Elsaß-Lothringen versetzt waren, spürten sie, und sie fiel ihnen sehr auf die Nerven. Geradezu tragisch am elsässischen Schicksal war, daß Widerstand wie im übrigen Frankreich unter keinen Umständen möglich war.


(28.10.2014 23:34)Arkona schrieb:  Ich persönlich habe den Eindruck, je besser eine Volksgruppe behandelt wurde, desto deutschfeindlicher gab sie sich nach dem Krieg. Kann man an den Holländern und Norwegern prima studieren, während die Russen und Polen, die nun wirklich unter der Besatzung leiden mussten, trotz allem germanophil blieben.

Daß Russen und Polen besonders germanophil wären, entspricht kaum allgemeinen Beobachtungen. Gerade das Verhältnis von Deutschland zu Polen bleibt bis heute besonders belastet. Mag sein, daß die Sowjetunion mit ihrem kommunistischen Regime, Polen mit der Pilsudski-Diktatur und das Deutsche Reich mit der Naziherrschaft unter dem jeweiligen Terror ähnlich gelitten haben und daher ein gewisses Verständnis füreinander finden.

Norwegen und Niederlande waren dagegen beide friedliche, beinahe wehrlose Länder, die sich kaum gegen einen verbrecherischen Überfall verteidigen konnten. Da ist es verständlich, wenn Haß und Feindschaft nur schwierig abklingen. Deutschland überfiel diese Länder rücksichtslos und besonders brutal, wenn man nur an die Bombardierung und Zerstörung Rotterdams denkt. Wie kannst Du bloß von „besserer Behandlung“ im Fall der Niederlande sprechen? Ist das nicht sehr zynisch? Oder verstehst Du die Abneigung der Holländer gegen Deutschland in diesem Zusammenhang wirklich nicht? Und was ist mit der Vernichtung der niederländischen Juden, die vor dem Krieg noch einen beachtlichen Teil der Bevölkerung dieses Lands ausmachten?

Was glaubst Du, was ich Dir für Stories erzählen könnte, wahre und belegte wohlgemerkt, über die Besetzung im April 1945 durch französische Truppen.

Die Aufrechnungen führen aber doch nicht weiter.

Ich weiß jetzt nicht so recht, ob Deine Ausführungen zu
Elsass und Lothringen in Nazizeiten, zu Zeiten des 2. Deutschen Kaiserreichs und davor,
dem Stand der Wahrnehmung vor Ort entsprechen?

Oder ist das Dein persönlicher Standpunkt?

Zu beachten wäre, dass die "Europäer der ersten Stunde" zB Robert Schumann oder Albert Schweitzer auch Charles DeGaulle gerade Elsässer oder Lothringer waren.
Mithin zumindest diese Persönlichkeiten Deinen Standpunkt nicht teilten.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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03.11.2014, 11:54
Beitrag: #86
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(02.11.2014 12:09)Arkona schrieb:  Ich sagte schon, das Massaker von Oradour wurde beispielsweise von einer SS-Einheit verübt, in der hauptsächlich Elsässer dienten.

Selbst wenn Du denkst, mit vierzehn Elsässern von ca. zweihundert Mann der Division "Das Reich", die das Massaker von Oradour verübt hat, hätten „hauptsächlich“ Elsässer in ihr gedient, sehe ich nicht, wofür dieses „Argument“ herhalten soll. Wie bereits erwähnt, mußten Elsässer zum Dienst in der Wehrmacht, obwohl sie rechtlich französische Staatsbürger waren, und der erdrückenden Mehrheit von ihnen dieser Dienst verhaßt war. Deshalb werden sie ja auch „Zwangseingezogene“ oder „Malgré-Nous“ genannt. Die Divison "Das Reich" war ja vor ihrem „Einsatz“ in Südfrankreich an der Ostfront gegen die Russen eingesetzt worden, wohin die meisten Elsässer und Lothringer auch verschickt wurden.

Soll etwa die Tatsache, daß Elsässer in dieser Einheit dienen mußten (nur einer von ihnen wurde als Freiwilliger überführt), ein Beweis dafür sein, daß sie sich als Deutsche fühlten? Weißt Du, was Sippenhaft bedeutet, wenn die ganze Familie eines Kriegsdienstverweigerers im KZ landet?

Oder mindert etwa die Präsenz dieser Elsässer beim Massaker von Oradour die Abscheulichkeit dieses Kriegsverbrechens? Was willst Du mit diesen Sätzen über Oradour überhaupt aussagen?


(02.11.2014 12:09)Arkona schrieb:  Nach dem Krieg wurden die Gerichtsverfahren deshalb getrennt, die beteiligten Elsässer als Bürger Frankreichs bekamen ihren eigenen Prozess (in Frankreich).

Staatsrechtlich ist dies auch korrekt, denn Elsässer sind Franzosen, auch wenn sie in einer fremden Militäreinheit dienen mußten. Bestraft wurden sie aber deshalb nicht milder. Allgemein, auch gegen die Deutschen, blieben die Urteile sehr milde.
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03.11.2014, 12:22
Beitrag: #87
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(02.11.2014 21:32)Suebe schrieb:  Was glaubst Du, was ich Dir für Stories erzählen könnte, wahre und belegte wohlgemerkt, über die Besetzung im April 1945 durch französische Truppen. Die Aufrechnungen führen aber doch nicht weiter.

„Stories“ sind tatsächlich unbrauchbar, weil sie Anekdoten sind und keine festen geschichtlichen Belege. Gegen diese „Stories“ könnte man nämlich tausende „Gegenstories“ auflisten, die sich beim Einzug der Wehrmacht in die jeweiligen besetzten Gebiete Europas abgespielt haben. Über das wahre und dauerhafte Angehörigkeitsgefühl zu einer Nation oder einem Land sagen sie sowieso nichts aus.


(02.11.2014 21:32)Suebe schrieb:  Ich weiß jetzt nicht so recht, ob Deine Ausführungen zu Elsass und Lothringen in Nazizeiten, zu Zeiten des 2. Deutschen Kaiserreichs und davor, dem Stand der Wahrnehmung vor Ort entsprechen? Oder ist das Dein persönlicher Standpunkt?

Meine Ausführungen entsprechen den Aussagen in persönlichen Gesprächen, Familienrunden, Schriften, Zeugnissen, Tagebüchern und Bekundungen ganzer Generationen von Elsässern und Lothringern, die in diesem Punkt, dem Zugehörigkeitsgefühl zur französischen Nation, auffallend einmütig sind, ganz gleich in welcher Epoche und unabhängig von politischen Regimes. Ich staune umgekehrt, daß es heute noch in Deutschland Menschen gibt, die an ein allgemeines politisches deutsches Gefühl der Elsässer oder Lothringer in den letzten zweihundert Jahren glauben können.


(02.11.2014 21:32)Suebe schrieb:  Zu beachten wäre, dass die "Europäer der ersten Stunde" zB Robert Schumann oder Albert Schweitzer auch Charles DeGaulle gerade Elsässer oder Lothringer waren. Mithin zumindest diese Persönlichkeiten Deinen Standpunkt nicht teilten.

De Gaulle war kein Lothringer, sondern Nordfranzose. Und alle drei standen zu Frankreich, auch wenn sie alle drei die deutsche Sprache beherrschten und die deutsche Kultur sehr gut kannten.
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03.11.2014, 14:55
Beitrag: #88
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
Nun ja, einfach mal Erckmann-Chatrien lesen. Danach ging die Abneigung der alemannischen Einwohner des Elsass vordergründig gegen die Preussen, die Deutschland nunmal geprägt haben.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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03.11.2014, 16:51
Beitrag: #89
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(03.11.2014 12:22)Lützelsteiner schrieb:  
(02.11.2014 21:32)Suebe schrieb:  Was glaubst Du, was ich Dir für Stories erzählen könnte, wahre und belegte wohlgemerkt, über die Besetzung im April 1945 durch französische Truppen. Die Aufrechnungen führen aber doch nicht weiter.

„Stories“ sind tatsächlich unbrauchbar, weil sie Anekdoten sind und keine festen geschichtlichen Belege. Gegen diese „Stories“ könnte man nämlich tausende „Gegenstories“ auflisten, die sich beim Einzug der Wehrmacht in die jeweiligen besetzten Gebiete Europas abgespielt haben. Über das wahre und dauerhafte Angehörigkeitsgefühl zu einer Nation oder einem Land sagen sie sowieso nichts aus.


(02.11.2014 21:32)Suebe schrieb:  Ich weiß jetzt nicht so recht, ob Deine Ausführungen zu Elsass und Lothringen in Nazizeiten, zu Zeiten des 2. Deutschen Kaiserreichs und davor, dem Stand der Wahrnehmung vor Ort entsprechen? Oder ist das Dein persönlicher Standpunkt?

Meine Ausführungen entsprechen den Aussagen in persönlichen Gesprächen, Familienrunden, Schriften, Zeugnissen, Tagebüchern und Bekundungen ganzer Generationen von Elsässern und Lothringern, die in diesem Punkt, dem Zugehörigkeitsgefühl zur französischen Nation, auffallend einmütig sind, ganz gleich in welcher Epoche und unabhängig von politischen Regimes. Ich staune umgekehrt, daß es heute noch in Deutschland Menschen gibt, die an ein allgemeines politisches deutsches Gefühl der Elsässer oder Lothringer in den letzten zweihundert Jahren glauben können.


(02.11.2014 21:32)Suebe schrieb:  Zu beachten wäre, dass die "Europäer der ersten Stunde" zB Robert Schumann oder Albert Schweitzer auch Charles DeGaulle gerade Elsässer oder Lothringer waren. Mithin zumindest diese Persönlichkeiten Deinen Standpunkt nicht teilten.

De Gaulle war kein Lothringer, sondern Nordfranzose. Und alle drei standen zu Frankreich, auch wenn sie alle drei die deutsche Sprache beherrschten und die deutsche Kultur sehr gut kannten.


Ich habe alle drei nicht für Deutschland reklamiert. Hättest du merken können.... müssen.

Zumindest bei Albert Schweitzer, ich habe etliche Vorfahren mit ihm gemeinsam, würde ich den ausschließlichen "Franzosen" sehr in Frage stellen. Er ist eher der typische Elsässer des beginnenden 20. Jahrhunderts. Zwei Herzen in der Brust. Ganz anders sein Cousin Sartre.
Aber seis drum, darum geht es mir in keiner Weise.

Und nochmals, die Aufrechnungen führen absolut nicht weiter.


Dieses Thema heißt "Akzeptanz der Staatsangehörigkeit im Elsass und Lothringen" und steht in der Rubrik Neuzeit bis 1900.

Dieses Thema habe ich eröffnet, und es ging mir eigentlich um die Historische Akzeptanz Stand 1900 oder meinswejen auch 1913.
Keineswegs um den Stand heute.
Also, bitte zurück ins Jahr 1900!

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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03.11.2014, 19:05
Beitrag: #90
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(03.11.2014 14:55)Arkona schrieb:  Nun ja, einfach mal Erckmann-Chatrien lesen. Danach ging die Abneigung der alemannischen Einwohner des Elsass vordergründig gegen die Preussen, die Deutschland nunmal geprägt haben.

Émile Erckmann und Alexandre Chatrian waren beide Lothringer, keine Elsässer. Und im fränkischsprachigen Lothringen sind „Praisse“ (Preußen) ein abwertender Sammelbegriff für alle Deutschen. Im alemannischen Elsaß gibt es wie in der Schweiz dafür das Pendant „Schwoowe“ (Schwaben), die alle „Deutschländer“ - nicht nur die Schwaben - meint.
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03.11.2014, 19:41
Beitrag: #91
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(03.11.2014 16:51)Suebe schrieb:  Zumindest bei Albert Schweitzer, ich habe etliche Vorfahren mit ihm gemeinsam, würde ich den ausschließlichen "Franzosen" sehr in Frage stellen.

Ich habe geschrieben, daß er zu Frankreich stand.


(03.11.2014 16:51)Suebe schrieb:  Er ist eher der typische Elsässer des beginnenden 20. Jahrhunderts.

Richtig. So sprach er auch im Günsbacher Familienkreis französisch. In gebildeten Kreisen des Elsaß auch zwischen 1871 und 1918 die Regel, was im Reichsland damals oft gleichzeitig politisches Bekenntnis war.


(03.11.2014 16:51)Suebe schrieb:  Zwei Herzen in der Brust.

Daß zwei Herzen in seiner Brust geschlagen hätten, so hat er sich nie geäußerst. Wohl aber schrieb er, daß er in beiden Sprachen Französisch und Deutsch zu Hause war, was etwas ganz anderes ist.


(03.11.2014 16:51)Suebe schrieb:  Und nochmals, die Aufrechnungen führen absolut nicht weiter.

Warum führst Du sie dann auf?


(03.11.2014 16:51)Suebe schrieb:  Dieses Thema heißt "Akzeptanz der Staatsangehörigkeit im Elsass und Lothringen" und steht in der Rubrik Neuzeit bis 1900. Dieses Thema habe ich eröffnet, und es ging mir eigentlich um die Historische Akzeptanz Stand 1900 oder meinswejen auch 1913. Keineswegs um den Stand heute. Also, bitte zurück ins Jahr 1900!

Du bist aber ganz dezidiert auf die Gedanken über andere Zeiten als vor 1914 eingegangen… solange Du gegen sie argumentieren wolltest. :-)

Deiner Bitte um Rückkehr in das Jahr 1900 entspreche ich mit meiner Antwort im Beitrag Nr. 2 gern: „Die deutsche Staatszugehörigkeit wurde nach 1871 zuerst widerwillig, mit der Zeit resigniert, im besten Fall arrangiert hingenommen. Als Deutsche fühlten sich Elsässer und Lothringer, ganz gleich welche Muttersprache sie damals hatten, nie.“
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03.11.2014, 23:01
Beitrag: #92
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(03.11.2014 19:41)Lützelsteiner schrieb:  ./.

Deiner Bitte um Rückkehr in das Jahr 1900 entspreche ich mit meiner Antwort im Beitrag Nr. 2 gern: „Die deutsche Staatszugehörigkeit wurde nach 1871 zuerst widerwillig, mit der Zeit resigniert, im besten Fall arrangiert hingenommen. Als Deutsche fühlten sich Elsässer und Lothringer, ganz gleich welche Muttersprache sie damals hatten, nie.“

Dazu wäre ein Nachweis willkommen.
Denn die Wahlergebnisse legen das Gegenteil nahe.


OT:
Als "Deutsche" haben sich auch im Deutschen Kaiserreich soviele nicht gefühlt. Das waren Bayern, oder Badener oder Preußen usw. usf. auch Völkerrechtlich.
Das ist eben der deutsche Föderalismus.
Der "Deutsche" wird im Ausland im allgemeinen daran erkannt, dass er erklärt Hesse oder Mecklenburger oder, oder oder .... zu sein. "Solo Tedesci" wirst Du kaum zu hören bekommen.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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04.11.2014, 10:00
Beitrag: #93
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(03.11.2014 23:01)Suebe schrieb:  Dazu wäre ein Nachweis willkommen. Denn die Wahlergebnisse legen das Gegenteil nahe.

Die Wahlergebnisse geben keine Auskunft über das politische Zugehörigkeitsgefühl der Elsässer und Lothringer zum Deutschen Kaiserreich. Lediglich drei zeitliche Tendenzen sind aus ihnen herauszulesen: Stärkung des Sozialismus, Beliebtheit der elsässischen Lokalparteien und Wachstum des Zentrums, der katholischen Volkspartei.


(03.11.2014 23:01)Suebe schrieb:  Als "Deutsche" haben sich auch im Deutschen Kaiserreich soviele nicht gefühlt. Das waren Bayern, oder Badener oder Preußen usw. usf. auch Völkerrechtlich. Das ist eben der deutsche Föderalismus. Der "Deutsche" wird im Ausland im allgemeinen daran erkannt, dass er erklärt Hesse oder Mecklenburger oder, oder oder .... zu sein. "Solo Tedesci" wirst Du kaum zu hören bekommen.

Hier versuchst Du, das föderative bzw. partikularistische deutsche Denkschema auf die Elsässer zu übertragen, die solche Spitzfindigkeiten während der zuvor erlebten französischen Zeit nicht kannten. Im übrigen verharmlost Du mit Deiner Aussage den durchaus vorhandenen deutschen Patriotismus unter den Reichsdeutschen. Wenn sich auch viele zuerst mit ihrem württembergischen Königreich oder badischen Großherzogtum verbunden fühlten, verstanden sie sich nicht weniger als Gesamtdeutsche im Ernstfall. Dies kann man von den Elsässern und Lothringern während der Reichslandszeit gerade nicht behaupten. Sie fühlten sich als Fremdkörper im Kaiserreich und blieben es auch faktisch.

„Daß die deutschsprachigen Elsässer und Lothringer in ihrer Mehrheit lieber französische Staatsbürger geblieben wären, war aus deutscher Sicht kein Argument gegen die Angliederung. ‚Wir wollen ihnen wider ihren Willen ihr eigenes Selbst zurückgeben', schrieb 1870 der nationalliberale Historiker Heinrich von Treitschke. ‚Der Geist eines Volkes umfaßt nicht bloß die nebeneinander, sondern auch die nacheinander lebenden Geschlechter. Wir berufen uns wider den mißleiteten Willen derer, die da leben, auf den Willen derer, die da waren.' Klarer hätte der Gegensatz zwischen dem deterministischen Nationsbegriff der Deutschen und dem voluntaristischen der Franzosen nicht formuliert werden können." (Winkler, Heinrich August: Streitfragen der deutschen Geschichte. Essays zum 19. und 20. Jahrhundert, München 1997, Seite 37 f.)

Die Elsässer und Lothringer hatten effektiv den französischen Nationsbegriff seit langer Zeit integriert und waren damit glücklich. Die Abtretung ihrer Heimat an Deutschland empfanden sie daher als politischen Rückschritt und als demütigenden Dauerzwang.
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04.11.2014, 13:20
Beitrag: #94
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
Viele Worte Lützelsteiner,

Fakt ist doch, dass von 1873 bis 1913 die Parteien die zum Reich tendierten langsam aber sicher und kontinuierlich Stimmen gewannen.
Woraus ohne weiteres abzuleiten ist, dass die Elsass/Lothringer zunehmend ihren Frieden mit den Gegebenheiten machten.

Wobei festzuhalten ist, dass die Reichslande eine überaus prospertierende Region wurden und 1913 deutlich wirtschaftlich vor "Restfrankreich" lagen.
Was noch 1873 umgekehrt war.

Also, bitte Nachweise.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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06.11.2014, 10:39
Beitrag: #95
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
Zum Thema passend möchte ich hier gern mit einem oft begegneten Mißverständnis in bezug auf Elsaß-Lothringen aufräumen. Zumindest kann man dann die elsaß-lothringische Frage in ihrem Kontext viel besser verstehen, wenn man sie nicht, wie so oft, zu ausschließlich von der sogenannten deutsch-französischen Erbfeindschaft abhängig macht. Elsaß-Lothringen wurde zwar immer wieder seit dem siebzehnten Jahrhundert, ganz besonders seit 1871, zum punktuellen Zankapfel zwischen beiden Mächten, aber es blieb es nie, ganz gleich wer den kürzeren gezogen hatte, da überwogen ganz andere schwere Spannungen wie das russisch-französische Bündnis 1891, die erste Marokko-Krise 1904-1906, die Entstehung der Triple-Entente zwischen Rußland, Frankreich und Großbritannien 1907 oder die zweite Marokko-Krise mit dem Panthersprung nach Agadir 1911. Selbst die Zabern-Affäre blieb 1913 in Frankreich eher eine Anekdote, im Elsaß selbst erhitzte sie allerdings die Gemüter der Einheimischen erheblich.

Im Gegensatz zu dem, was vor allem in Deutschland manchmal angenommen wird, belastete das Schicksal Elsaß-Lothringens weder zwischen 1871 und 1918 noch zwischen 1940 und 1945 die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland dauerhaft. Ungelöst und ernst blieb das Problem hauptsächlich zwischen der elsaß-lothringischen Bevölkerung selbst und dem Deutschen Kaiserreich. Die meisten Deutschen konnten nicht verstehen und noch weniger annehmen, daß das Zerwürfnis „aus den eigenen Reihen“ kam, denn in ihrem Kollektivbewußtsein waren ja Elsässer und Lothringer wiedergewonnene deutsche Brüder, die daher allen Grund gehabt hätten, ihren Platz im Reich zu finden. Daß es offensichtlich nicht der Fall war, verstimmte die meisten Reichsdeutschen sehr.

Ohne Zweifel empfand Frankreich die Trennung von dem, was seit langer Zeit Teil der Nation war, als schmerzhaft und zuerst einmal unannehmbar. Diese emotionsgeladene Haltung legte sich allerdings nach spätestens zwei oder drei Jahrzehnten merklich. Die Amputierung wurde zwar nie vergessen, die Erinnerung an die verlorenen Provinzen verschwand nie ganz, aber eines steht fest: Um einer Rückerorberung Elsaß-Lothringens willen allein hätte Frankreich keinen Krieg mehr angefangen. Selbst der Erste Weltkrieg wurde nicht wegen Elsaß-Lothringen erklärt. Allerdings, und das ist sehr wichtig, als dieser Krieg nun mal begonnen hatte, rückte das Thema Elsaß-Lothringen sehr schnell wieder in den Vordergrund. Aber erst während des Ersten Weltkriegs avancierte es in Frankreich zu einem Hauptkriegsziel.

Ohne es an die große Glocke zu hängen, hatte man sich also mit dem definitiven Verlust Elsaß-Lothringens weitgehend abgefunden. Die ersten, die diese resignierte Entwicklung innerhalb der französischen Regierungskreise spürten, waren die Elsässer und Lothringer selbst. Hauptsächlich deswegen sahen sie ab da ein, daß sie sich allein schon aus Gründen der Vernunft in ihr Schicksal ergeben mußten. Sie arrangierten sich spätestens ab der Jahrhundertwende mit der neuen politischen Zugehörigkeit, wenn auch schweren Herzens. Ganz anders ging es ihnen in bezug auf ihren politischen Status innerhalb des Kaiserreichs, der schlicht demütigend war, auch nach der „oktroyierten“ Verfassung von 1911, mit der sie immer noch vom Willen des Kaisers abhängig blieben.

Aus vorigen Gründen sehe ich schlußfolgernd das Verhängnis mit Elsaß-Lothringen zwischen 1871 und 1918 nicht so sehr darin, daß sich das Kaiserreich das Elsaß und Lothringen einverleibt hatte, sondern daß die Franzosen es wie auch immer zuvor geschafft hatten, die Elsässer und Lothringer für sich zu gewinnen, und die Deutschen später daran gescheitert waren. Für mich ist nicht die Eroberung, selbst nicht ein Krieg um diese Eroberung, das Problematische, sondern die gescheiterte Assimilation. Deutschland hatte im Frühmittelalter im Osten Europas riesige Territorien teils durch das Schwert teils friedlich erobert. In Schlesien, Pommern und Ostpreußen, allgemein östlich von Elbe und Saale, hatte es die Urbevölkerung integriert, verdeutscht und glücklich assimiliert: das nenne ich eine gelungene Eroberung. In Elsaß-Lothringen war es dagegen jäh gescheitert, und dies, obwohl die Bevölkerung „ethnisch germanisch“ war: Das ist das "Schlechte“ daran.
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06.11.2014, 13:17
Beitrag: #96
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
Die Annektion Elsass-Lothringens war sehr wohl eine arge Belastung für das deutsch-französische Verhältnis und der Revanchegedanke war die ganze Zeit von 1871-1914 latent.
Dir sagt doch bestimmt das Zitat von Gabetta etwas: "Toujours y penser, jamais en parler.“ (Immer daran denken, nie davon sprechen.) Ich gebe dir allerdings insofern Recht, dass selbst ein Frieden beim Status-quo den Pariser Pöbel nicht befriedigt hätte. Man wollte die gesamte Rheingrenze und die vermeintliche Schmach der Niederlage ungeschehen machen. Die Franzosen sind eben ein ziemlich stolzes und heißblütiges Volk.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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06.11.2014, 14:03
Beitrag: #97
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(06.11.2014 10:39)Lützelsteiner schrieb:  ./.

.

Aus vorigen Gründen sehe ich schlußfolgernd das Verhängnis mit Elsaß-Lothringen zwischen 1871 und 1918 nicht so sehr darin, daß sich das Kaiserreich das Elsaß und Lothringen einverleibt hatte, sondern daß die Franzosen es wie auch immer zuvor geschafft hatten, die Elsässer und Lothringer für sich zu gewinnen, und die Deutschen später daran gescheitert waren. Für mich ist nicht die Eroberung, selbst nicht ein Krieg um diese Eroberung, das Problematische, sondern die gescheiterte Assimilation. Deutschland hatte im Frühmittelalter im Osten Europas riesige Territorien teils durch das Schwert teils friedlich erobert. In Schlesien, Pommern und Ostpreußen, allgemein östlich von Elbe und Saale, hatte es die Urbevölkerung integriert, verdeutscht und glücklich assimiliert: das nenne ich eine gelungene Eroberung. In Elsaß-Lothringen war es dagegen jäh gescheitert, und dies, obwohl die Bevölkerung „ethnisch germanisch“ war: Das ist das "Schlechte“ daran.


Eben dieser letzte Abschnitt ist eigentlich das, um was es mir geht.
Die von Dir genannten Punkte sind auch in Deutschland "Stand der Wahrnehmung" da liegst Du etwa gleichauf.

Ich bin aber der Meinung, dass es ganz so doch nicht war.
Natürlich war die Verlockung 1918/19 groß, vom Lager der Verlierer zu den Siegern überzuwechseln.
Man kannte seit Jahrhunderten Frankreich und hatte sich in der Vergangenheit auch gut arrangiert.
Wobei dann aber die Enttäuschung über den franz. Zentralismus nicht gering war. Und die absolute Abneigung den Elsässern "Extrawürste" zu braten auch auf großes Unverständnis stieß.
Letztlich hat sich die franz. Herrschaft ab 1919 deutlich drastischerer Mittel bedienen müssen, wie zuvor die kaiserlich deutsche.
Ein gewisses Indiz ist das für mich schon.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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06.11.2014, 16:48
Beitrag: #98
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(06.11.2014 14:03)Suebe schrieb:  Ich bin aber der Meinung, dass es ganz so doch nicht war. Natürlich war die Verlockung 1918/19 groß, vom Lager der Verlierer zu den Siegern überzuwechseln.

Diesen Beweggrund interpretierst Du hinein, weil Du hundert Jahre danach den Ausgang des Weltkriegs nun genau kennst, was vor dem Versailler Vertrag noch keinesfalls der Fall war. 1918 ging es den Elsässern und Lothringern nur darum, daß der Krieg und die deutsche Militärdiktatur, die seit 1914 auf der Grenzregion schwer lasteten, so schnell wie möglich ein Ende nahmen.


(06.11.2014 14:03)Suebe schrieb:  Man kannte seit Jahrhunderten Frankreich und hatte sich in der Vergangenheit auch gut arrangiert.

Die Stimmung der Elsässer und Lothringer im Frankreich vor 1871 als „arrangiert“ zu qualifizieren, ist reduzierend. Sie wird der lebendigen und fruchtbaren Eintracht, die sich zwischen der Grenzregion und dem französischen Mutterland entwickelt hatte, nicht gerecht.


(06.11.2014 14:03)Suebe schrieb:  Wobei dann aber die Enttäuschung über den franz. Zentralismus nicht gering war.

Das stimmt, aber Dein Urteil ist anachronistisch, denn die Enttäuschung erlebten die Elsässer erst in den zwanziger Jahren, als man auf beiden Seiten feststellen mußte, daß man sich während der fünfzig Jahre lang erlebten Trennung mehr auseinandergelebt hatte, als man es für möglich gehalten hätte. Die Elsässer und Lothringer, die sich bis auf heute mit ihrer sowohl katholischen als auch protestantischen Kirche tief verbunden fühlen, entsetzte am meisten die Trennung von Kirche und Staat, die 1905 in Frankreich stattgefunden hatte. Sie war in Frankreich zu einer Selbstverständlichkeit geworden, den Elsässern und Lothringern kam sie dagegen unter keinen Umständen in Frage.

Ferner bedeutete die Enttäuschung nicht, daß die Elsässer und Lothringer die Zugehörigkeit zu Frankreich in Frage gestellt hätten, sondern nur, daß sie sich eine andere Verwaltungsform wünschten, jedoch auch nicht mehr diejenige des Deutschen Kaiserreichs!


(06.11.2014 14:03)Suebe schrieb:  Und die absolute Abneigung den Elsässern "Extrawürste" zu braten auch auf großes Unverständnis stieß.

Aber gerade hier spielte der Pragmatismus und die Menschlichkeit der Franzosen letztlich die entscheidende Rolle: Sie konnten im Gegensatz zu den Deutschen über ihren Schatten springen und den Elsässern das geben, was ihnen am wichtigsten war, nämlich ihre Sondergesetze auf religiösem und kulturellem Gebiet, die übrigens heute noch Gültigkeit haben (droit local en Alsace-Lorraine), um im Gegenzug das zu bekommen, was sie wollten, nämlich deren Loyalität zum französischen Vaterland.

Während der Reichslandszeit hatten es die Deutschen genau umgekehrt gemacht: Sie verlangten von den Elsaß-Lothringern zuerst Anpassung und Gehorsam, und erst wenn sie sie erhalten hätten, hätten sie ihnen die politische Gleichberechtigung gegeben. Das war bei einer Bevölkerung, die es seit langer Zeit durch den französischen Einfluß gewohnt war, für ihre politischen Rechte zu kämpfen und sie sogar zu erzwingen, unvorstellbar, daher auch von Anfang an zum Scheitern verurteilt.


(06.11.2014 14:03)Suebe schrieb:  Letztlich hat sich die franz. Herrschaft ab 1919 deutlich drastischerer Mittel bedienen müssen, wie zuvor die kaiserlich deutsche.

Drastischer waren sie nicht, jedoch klüger, ergebnisorientiert und für die Bevölkerung letztlich annehmbar.
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06.11.2014, 17:16
Beitrag: #99
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
(06.11.2014 13:17)Arkona schrieb:  Die Annektion Elsass-Lothringens war sehr wohl eine arge Belastung für das deutsch-französische Verhältnis und der Revanchegedanke war die ganze Zeit von 1871-1914 latent.

Das war vor 1914 und ist heute zum Teil noch die Meinung auf deutscher Seite. Sie entspricht aber nicht den historischen Gegebenheiten, die unter anderem durch politische Noten der französischen Regierung über dieses Thema bezeugt sind.


(06.11.2014 13:17)Arkona schrieb:  Dir sagt doch bestimmt das Zitat von Gabetta etwas: "Toujours y penser, jamais en parler.“ (Immer daran denken, nie davon sprechen.)

Der Spruch ist bekannt, er hat aber nichts mit einem Revanchendenken zu tun. „Immer daran denken“ ist im Gegenteil eine Aufforderung, das Elsaß und Lothringen nicht zu vergessen, was bereits am Ende des neunzehnten Jahrhunderts sowohl im französischen Volk als auch in dessen Regierungskreisen drohte zu geschehen. Maurice Barrès, Lothringer und einer der damals bekanntesten Schriftsteller Frankreichs, der für seinen glühenden Patriotismus bekannt war, bedauerte nach einer Reise im deutschen Lothringen zutiefst, daß die Metzer Jugend immer mehr deutsch untereinander sprach - Metz ist historisch immer französischsprachig gewesen -, und daß dies in Frankreich leider kaum noch jemanden bewege.


(06.11.2014 13:17)Arkona schrieb:  Ich gebe dir allerdings insofern Recht, dass selbst ein Frieden beim Status-quo den Pariser Pöbel nicht befriedigt hätte.

Wo habe ich das geschrieben?


(06.11.2014 13:17)Arkona schrieb:  Man wollte die gesamte Rheingrenze und die vermeintliche Schmach der Niederlage ungeschehen machen. Die Franzosen sind eben ein ziemlich stolzes und heißblütiges Volk.

Stolz und patriotisch, was Elsässer und Lothringer innerhalb Frankreichs auch noch besonders sind, stimmt weitgehend. Aber heißblütig? Das tägliche Leben in Frankreich empfinde ich weit weniger leidenschaftlich und aufgeregt als in Deutschland, das auf uns manchmal immer noch einen unruhigen, unbefriedigten Eindruck macht.
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06.11.2014, 17:53
Beitrag: #100
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
@Lützelsteiner, genau wie man sich eine Frau "schön saufen" kann, legst du das Zitat von Gambetta sehr wohlwollend aus. Aber so wie du es mit fast 150 Jahren Abstand interpretierst, hat er es eben nicht gemeint. Sein politischer Standpunkt ist unter Historikern hinreichend bekannt.
Auch ein Adolf Hitler hat einmal in den 1930ern viel von Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich geredet und nichts davon entsprach der Wahrheit.

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