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Die Rettung Westroms:
16.08.2013, 12:19
Beitrag: #41
RE: Die Rettung Westroms:
Möchte mal zu 2 konkreten Szenarien "was wäre wenn-Fragen" stellen:

-Stilicho hatte die Westgoten ja mehrmals geschlagen, manchmal wird behauptet er hätte sie auch endgültig besiegen können, es aber nicht getan. Was denkt ihr stimmt das? Wenn ja warum, hat er die Westgoten nicht vernichtet? Was hätte das für Auswirkungen auf Westrom und den Verlauf des Niedergangs gehabt?

-Einige der letzten Kaiser (Maiorian, Anthemius) versuchten die Rückeroberung Nordafrikas, nehmen wir mal an es hätte geklappt, hätte man Rom damit Retten können?
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17.08.2013, 17:39
Beitrag: #42
RE: Die Rettung Westroms:
(16.08.2013 12:19)WDPG schrieb:  -Stilicho hatte die Westgoten ja mehrmals geschlagen, manchmal wird behauptet er hätte sie auch endgültig besiegen können, es aber nicht getan. Was denkt ihr stimmt das? Wenn ja warum, hat er die Westgoten nicht vernichtet? Was hätte das für Auswirkungen auf Westrom und den Verlauf des Niedergangs gehabt?

Es ist richtig, Stilicho schlug im Jahr 402 zweimal die Westgoten unter Alarich. Die Vernichtung eines Volkes war eigentlich kein Ziel eines Kaisers oder Heermeisters im 4. und 5. Jahrhundert gewesen, solche Ideen entstanden erst im 6. Jahrhundert unter Justinian. Stilicho war ganz einfach ein Pragmatiker, nach seinen zwei Siegen waren die Westgoten so geschwächt, dass sie vorerst keine weitere Gefahr darstellten. Eine totale Vernichtung war nicht nötig und vor allem auch nicht ausführbar, da Stilicho mit dem Leben seiner wenigen Soldaten haushalten musste.

405 stießen weitere Germanen über die mittlere Donau oder über die Alpen nach Italien. Stilicho musste gotische und hunnische Söldner anwerben, um diese Germanen abzuwehren. Um diese Zeit muss Stilicho mit Alarich auch einen Vertrag geschlossen haben, in dem er den Westgoten Land auf dem Balkan versprach. Was Stilicho damit bezweckte, ist spekulativ, denn der Balkan wurde von Konstantinopel aus kontrolliert. Wollte Stilicho mit Hilfe der Westgoten den Ostkaiser schwächen oder gar vernichten, so dass die Einheit Roms wieder hergestellt werden konnte? Oder wollte er seinen Verbündeten nur aus Italien haben, aber eben auch noch in der Nähe, um auf dessen Unterstützung schnell zurückzugreifen können?

Fakt ist, dass in der Silvesternacht 406/407 die Rheingrenze fiel und etwa 100.000 Menschen (Sueben, Vandalen, Alanen u.a.) nach Gallien einfielen. Ebenso brachen 407/08 Unruhen in Britannien aus. Stilicho stand de facto vor unlösbaren Aufgaben. Konstantinopel bot keine Waffenhilfe an und Alarich wartete am Ostrand der Alpen, um auf dem Balkan die versprochenen Gebiete zu erobern? Er verhielt sich gegenüber Stilicho wenig kooperativ, warum auch?, und forderte von ihm als Entschädigung 4000 Pfund Gold. Stilicho musste sich zunehmend mit der Gegnerschaft des römischen Senats und des Kaisers auseinandersetzen. Er bot deshalb Alarich einen erneuten Vertrag an, in dem ihm u. a. das Heermeisteramt für Gallien versprochen wird.

Alarich sollte nun im Auftrag des Westkaisers Gallien befrieden, Stilicho selbst wollte nach Konstantinopel ziehen, um die Vormundschaft über den siebenjährigen Kaiser Theodosius II. zu übernehmen. Der weströmische Kaiser Honorius wurde misstrauisch, er befürchtete einen Umsturz. Er ließ deswegen Stilicho verhaften, der wenig später am 22. August 408 hingerichtet wurde. Außerdem wurden Gefolgsleute des ehemaligen Heermeisters ermordet. Der Großteil seiner Anhänger flüchtete jedoch zu Alarich, dessen Heer auf 30.000 Mann anwuchs.

Mit dem Stilichos Tod sah sich Honorius auch nicht mehr an die Vereinbarung mit den Westgoten gebunden. Alarich bekam weder sein Geld, sein Amt oder sein Land. Aus diesem Grund sperrte er den Zugang von Italien nach Gallien, so dass keine römischen Truppen dort passieren können, der Nachschub war empfindlich gestört. Rom lenkte ein, zahlte 5.000 Pfund Gold, 30.000 Silber u. a. an die Westgoten, die sich daraufhin nach Etrurien zurückziehen. Ihre Hauptforderungen, Land und ein Amt für Alarich, wurden nicht erfüllt. Und aus diesem Grund entschloss sich der von Honorius hingehaltene Alarich im Jahre 410 zum Feldzug gen Rom, der mit der bekannten Plünderung und der darauf folgenden Verschleppung vieler Menschen, darunter Galla Placidia endete.

Ich sehe es nicht als Fehler an, dass Stilicho die Westgoten nicht vernichtet hatte. Er brauchte Verbündete sowohl gegen äußere als auch innere Gegner und da erschien ihm Alarich als geeigneter Partner. Stilicho ist letztlich an den Ereignissen in Gallien und Britannien gescheitert. Dass dieser Brandherd für ihn eine höhere Priorität hatte, als z.B. der Landerwerb der Westgoten ist klar. Aber auch, dass seinem Verbündeten Alarich dafür das politische Verständnis fehlte. Richtig war auch, dass Stilicho Alarich als Verbündete Westroms auf den Kriegschauplatz Gallien schickte. Ein Fehler Stilichos war, dass er nicht gemeinsam mit Alarich nach Gallien zog, sondern sich in Konstantinopel um die Vormundschaft des minderjährigen Kaisers bemühen wollte. Als Vormund käme de jure nur dessen Onkel Honorius in Frage und so ist es nicht ganz abwegig, dass Honorius die Usurpation Stilichos befürchtete. Honorius hätte die Bündnispolitik mit Alarich fortführen müssen und ihm Land (egal wo, evtl. in Gallien) und Amt geben müssen.

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17.08.2013, 20:17
Beitrag: #43
RE: Die Rettung Westroms:
(16.08.2013 12:19)WDPG schrieb:  -Einige der letzten Kaiser (Maiorian, Anthemius) versuchten die Rückeroberung Nordafrikas, nehmen wir mal an es hätte geklappt, hätte man Rom damit Retten können?

Vorerst: Maiorian oder Anthemius wäre die Rückeroberung Nordafrikas nicht gelungen. Sie wären an Geiserich gescheitert.

Aber die Frage heißt ja, hätte bei einer gelungenen Eroberung Nordafrikas Rom gerettet werden können. Auf alle Fälle wäre Italien besser zu sichern gewesen, Rom hätte das westliche Mittelmeer kontrolliert und von Nordafrika aus hätte man ebenfalls die iberische Halbinsel sichern können. Die geostrategischen Voraussetzungen zum Erhalt des Weströmischen Reiches hätten sich verbessert. Die Frage ist, ob Rom genügend Soldaten hätte, dies zu realisieren.

Das Vandalenreich wurde von Rom als Bedrohung empfunden. Das hat einerseits mit der Plünderung Roms von 455 zu tun. Andererseits hatte das neben den kulturellen auch religiöse Ursachen. Geiserich und seine Nachfolger waren eifrige Arianer, die gegen die katholische Obrigkeit rigoros vorgingen. Und in diesem religiösen Gegensatz liegt auch die Unvereinbarkeit zwischen Rom und den Vandalen begründet. Die Vandalen waren deshalb immer ein potentieller Verbündeter irgendeines Gegners Roms und wahrscheinlich trugen sie nach dem Zerfall des Hunnenreiches am meisten zum Untergang Roms bei. Aus diesem Grund sahen sich wohl Maioran und Anthemius gefordert, Nordafrika zu erobern, was aber einerseits aufgrund der Stärke des Vandalenreichs und des politischen Geschicks Geiserich, andererseits aufgrund der wirtschaftlichen Schwäche und dem fehlenden Personal nicht möglich wäre.

Spekulativ ist natürlich, was wäre geschehen, hätte man sich in Rom ebenfalls für den Arianismus entschieden. Dann hätte evtl. eine Konföderation zwischen Westrom, Vandalen (und später evtl. Westgoten und Franken) bestanden, die sich im ständigen Konflikt mit Konstantinopel befand. Dieser ständige Konflikt hätte beide Staaten bzw. Staatenblöcke auf Dauer geschwächt und irgendwann wären sie leichte Opfer irgendwelcher Invasoren geworden.

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20.08.2013, 13:08
Beitrag: #44
RE: Die Rettung Westroms:
(17.08.2013 17:39)Sansavoir schrieb:  Es ist richtig, Stilicho schlug im Jahr 402 zweimal die Westgoten unter Alarich. Die Vernichtung eines Volkes war eigentlich kein Ziel eines Kaisers oder Heermeisters im 4. und 5. Jahrhundert gewesen, solche Ideen entstanden erst im 6. Jahrhundert unter Justinian. Stilicho war ganz einfach ein Pragmatiker, nach seinen zwei Siegen waren die Westgoten so geschwächt, dass sie vorerst keine weitere Gefahr darstellten. Eine totale Vernichtung war nicht nötig und vor allem auch nicht ausführbar, da Stilicho mit dem Leben seiner wenigen Soldaten haushalten musste.

Dem kann ich nur Zustimmen, ich denke auch das Stilicho nicht wirklich genügend Soldaten zur Verfügung hatte um die Westgoten wirklich zu Vernichten oder aus dem Reich zu drängen. Zum Teil wird man auch gehofft haben die Westgoten integrieren oder für sich zur Not einsetzen zu können. Was ich auch nicht ganz ausschließen würde ist eine langfristige Überlegung. Vielleicht würde es Stilicho doch gelingen Ost- und Westteil nochmals zu vereinigen (was ihm ja auch vorgeworfen wird, denke aber nicht das dafür der Kaiserthron für ihn oder einen Verwandten nötig gewesen wäre, denke der Posten des Heermeisters beider Reichsteile hätte gereicht) und mit einem vereinten Heer die Westgoten zu schlagen.

Etwas was mich nachdenklich macht ist aber folgende Überlegung, brauchte er nicht die Westgotenbedrohung sogar um seine eigene Machtposition halten zu können? Wenn Stilicho aus diesem Grund so gehandelt hätte, ist er damit gescheitert.
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21.08.2013, 01:35
Beitrag: #45
RE: Die Rettung Westroms:
(20.08.2013 13:08)WDPG schrieb:  Dem kann ich nur Zustimmen, ich denke auch das Stilicho nicht wirklich genügend Soldaten zur Verfügung hatte um die Westgoten wirklich zu Vernichten oder aus dem Reich zu drängen. Zum Teil wird man auch gehofft haben die Westgoten integrieren oder für sich zur Not einsetzen zu können. Was ich auch nicht ganz ausschließen würde ist eine langfristige Überlegung. Vielleicht würde es Stilicho doch gelingen Ost- und Westteil nochmals zu vereinigen (was ihm ja auch vorgeworfen wird, denke aber nicht das dafür der Kaiserthron für ihn oder einen Verwandten nötig gewesen wäre, denke der Posten des Heermeisters beider Reichsteile hätte gereicht) und mit einem vereinten Heer die Westgoten zu schlagen.

Etwas was mich nachdenklich macht ist aber folgende Überlegung, brauchte er nicht die Westgotenbedrohung sogar um seine eigene Machtposition halten zu können? Wenn Stilicho aus diesem Grund so gehandelt hätte, ist er damit gescheitert.

Dass Stilicho den Posten des Heermeisters für beide Reichsteile anstrebte, ist ein interessanter und vorstellbarer Gedanke. Immerhin fand die Reichsteilung erst im Jahr 395 statt, sie hatte noch nicht die Endgültigkeit, wie sie uns heute erscheint. Für das West- und Ostreich wäre diese Position von Stilicho sicher vom Vorteil. Inwieweit sich die beiden Kaiser damit begnügt hätten, sich auf repräsentative Pflichten zu beschränken, ist eine andere Frage. Denn als Heermeister des gesamten Reiches wäre Stilicho de facto der Herrscher. Obwohl ich nicht gern Parallelen ziehe, aber ein paar Jahrhunderte später, herrschte ein Hausmeier über Neustrien und Austrien, anfänglich unter zwei Merowingerkönigen.

Möglich ist, dass Stilicho die Bedrohung durch die Westgoten gezielt zum Ausbau seiner Machtposition einsetzte. Dies trug sicher auch zu seinem Scheitern bei. Aber um so mehr man sich mit Stilicho beschäftigt, gewinnt man den Eindruck, dass er innerhalb der römischen Oberschicht nur ein Außenseiterdasein fristete. Das lag sicher daran, dass er halbgermanischer Abstammung war. Stilichos Außenseiterrolle war sicher auch eine Ursache für seinen Untergang.

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21.08.2013, 13:31
Beitrag: #46
RE: Die Rettung Westroms:
(21.08.2013 01:35)Sansavoir schrieb:  Dass Stilicho den Posten des Heermeisters für beide Reichsteile anstrebte, ist ein interessanter und vorstellbarer Gedanke. Immerhin fand die Reichsteilung erst im Jahr 395 statt, sie hatte noch nicht die Endgültigkeit, wie sie uns heute erscheint.

Selbst zu einem späteren Zeitpunkt sah sich Rom nie als ein Ost und ein Westreich im Sinn von 2 Reichen, es gab in der damaligen Denkweise immer nur ein Reich das zu administrativen Zwecken geteilt wurde - ein Prozess der ja schon länger stattfand.

Seit der Zeit der Reichskrise des 3. Jahrhunderts gab es immer wieder Teilungen in Ost- und West und dann auch wieder mal Vereinigungen. Denke schon das Stilicho es in betracht gezogen haben könnte als Heermeister über beide Reiche zu herrschen.

Das der Gedanke Ost- und West zu vereinigen noch bestand zeigt sich auch dadurch das es Theodosius II noch einmal versuchte. Nach dem Tod von Honorius hätte er nochmals beider Reichsteile vereinigen können, wozu es aber nicht kam da es im Westen schnell einen Gegenkaiser (Johannes) gab.
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21.08.2013, 14:17
Beitrag: #47
RE: Die Rettung Westroms:
(21.08.2013 01:35)Sansavoir schrieb:  Für das West- und Ostreich wäre diese Position von Stilicho sicher vom Vorteil. Inwieweit sich die beiden Kaiser damit begnügt hätten, sich auf repräsentative Pflichten zu beschränken, ist eine andere Frage. Denn als Heermeister des gesamten Reiches wäre Stilicho de facto der Herrscher...

Theodosius II wird meist als eher passiver Kaiser beschrieben. Als er den Kaiserthron bekam war er noch ein Kleinkind. Er hätte sich also (zumindest vorerst) nicht gegen Stilicho gestellt. Honorius war in der gesamten Regierungszeit meist eine Marionette irgendwelcher Mächtigen. Denke zumindest für einige Zeit hätte es funktionieren können.

Wobei natürlich schon die Frage richtig ist, ob sich die Leute am Hof von Konstantinopel langfristig mit einer Herrschaft Stilichos zufriedengegeben hätten.
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21.08.2013, 18:34
Beitrag: #48
RE: Die Rettung Westroms:
(21.08.2013 14:17)WDPG schrieb:  
(21.08.2013 01:35)Sansavoir schrieb:  Für das West- und Ostreich wäre diese Position von Stilicho sicher vom Vorteil. Inwieweit sich die beiden Kaiser damit begnügt hätten, sich auf repräsentative Pflichten zu beschränken, ist eine andere Frage. Denn als Heermeister des gesamten Reiches wäre Stilicho de facto der Herrscher...

Theodosius II wird meist als eher passiver Kaiser beschrieben. Als er den Kaiserthron bekam war er noch ein Kleinkind. Er hätte sich also (zumindest vorerst) nicht gegen Stilicho gestellt. Honorius war in der gesamten Regierungszeit meist eine Marionette irgendwelcher Mächtigen. Denke zumindest für einige Zeit hätte es funktionieren können.

Wobei natürlich schon die Frage richtig ist, ob sich die Leute am Hof von Konstantinopel langfristig mit einer Herrschaft Stilichos zufriedengegeben hätten.

Das ist die richtige Frage. Stilicho hätte sich nur behauptet, wenn er auf Dauer politisch und militärisch erfolgreich wäre. Misserfolge hätten seinen Untergang beschleunigt. Aber als Heermeister des gesamten Reiches hätte Stilicho die Abwehrmaßnahmen gegen die in Italien oder Gallien eingefallenen Germanen besser organisieren können. Und er hätte vielleicht auch z.B. den Westgoten Land auf dem Balkan zuweisen können. Ist natürlich alles Spekulation. Fakt ist aber, dass Stilichos Tod am 22. August 408, ein weiter Schritt zum Untergang Westroms war.

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25.08.2013, 11:43
Beitrag: #49
RE: Die Rettung Westroms:
Bezüglich der Frage zur Wiedereroberung Afrikas: Ich sehe da keine großen Chancen für das römische Reich; weder für die Wiedereroberung an sich, noch dafür, dass man Afrika überhaupt hätte halten können. Man hätte zwar einen strategisch wichtigen Punkt erobert und die Kornversorgung Roms wieder etwas besser in den Griff bekommen, aber die politische Lage dieser Zeit hätte man damit noch lange nicht verbessert. Es hätte immer noch die vielen germanischen Stämme von allen Seiten gegeben. Die Vandalen hätte man vielleicht vertrieben, aber sicherlich nicht vernichten oder gar ausrotten können, sodass sie weiterhin ein angriffs- und eroberungslustiger Stamm in Nordafrika gewesen wären. Im Prinzip hätte man durch eine Eroberung Nordafrikas selbst im günstigsten Fall ja einfach nur die gleiche Situation wie vor dem Verlust Nordafrikas hergestellt, und auch die war schon nicht gerade rosig. Rom hatte einfach nicht die Möglichkeit, Nordafrika unter Kontrolle zu behalten, weder militärisch, noch strategisch, noch außenpolitisch.
Deshalb hätte auch eine Wiedereroberung Nordafrikas Rom nicht retten können. Es hätte vielleicht eine gewisse Erleichterung der Situation in Italien gebracht, aber dafür auch neue Probleme geschaffen. Es ist einfach so gut wie nicht vorstellbar, dass Rom Afrika auf Dauer hätte halten können - zumal man ja auch noch Italien zu verteidigen hatte.

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25.08.2013, 20:49
Beitrag: #50
RE: Die Rettung Westroms:
(25.08.2013 11:43)Maxdorfer schrieb:  Die Vandalen hätte man vielleicht vertrieben, aber sicherlich nicht vernichten oder gar ausrotten können, sodass sie weiterhin ein angriffs- und eroberungslustiger Stamm in Nordafrika gewesen wären.

Andererseits: So stabil waren solche Völker dann auch oft nicht, nachdem Belisar Nordafrika für Byzanz erobert hat, verschwanden sich auch von der Bildfläche.
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25.08.2013, 20:56
Beitrag: #51
RE: Die Rettung Westroms:
(25.08.2013 11:43)Maxdorfer schrieb:  Man hätte zwar einen strategisch wichtigen Punkt erobert und die Kornversorgung Roms wieder etwas besser in den Griff bekommen, aber die politische Lage dieser Zeit hätte man damit noch lange nicht verbessert.

Ob das viel gebracht hätte, weiß ich auch nicht wirklich. Andererseits: Die letzten Kaiser sahen hier noch am ehesten ihrer Chance. Nordafrika war ein sehr reiches Gebiet, somit wäre nicht nur die Kornversorgung verbessert und ein Bedrohung ausgeschaltet worden, sondern auch Geld für neue Söldnertruppen reingekommen. Und mit einem Erfolg hätte ein Anthemius oder ein Majorian vielleicht eine stärkere Position (auch gegenüber Ricimer) bekommen.

Ob es die Rettung für Westrom gewesen wäre, da bin ich mir auch nicht ganz sicher, aber es wäre wohl eine Verbesserung der Lage und ein Erfolg für Rom gewesen.
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26.08.2013, 08:01
Beitrag: #52
RE: Die Rettung Westroms:
Nordafrika ist eine der beiden letzten Möglichkeiten der römischen Kaiser gewesen. Die andere war Norditalien/Südfrankreich, was wegen dem Landweg vielleicht einfacher zu erobern war, aber dafür Rom auch keinen derartigen Vorteil brachte - in Afrika gab es nun einmal die reichsten Kornfelder und es war außerdem ein strategischer Stützpunkt erster Güte.
Aber weder ein Versuch der Eroberung Nordafrikas noch einer der Besetzung Südgalliens war für Rom meiner Ansicht nach erfolgsversprechend.
Um es krass auszudrücken: Rom hatte keine Chance mehr, in dieser Situation wieder zu einer Groß- oder Weltmacht zu werden. Das hätte nur mit einem grundlegend neuen Ansatz funktioniert, wie er unter Justinian I. versucht wurde. Der Untergang war zu dieser Zeit (der Feldzüge nach Nordafrika unter den letzten römischen Kaisern) schon quasi vorprogrammiert.

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26.08.2013, 08:16
Beitrag: #53
RE: Die Rettung Westroms:
(25.08.2013 20:49)WDPG schrieb:  
(25.08.2013 11:43)Maxdorfer schrieb:  Die Vandalen hätte man vielleicht vertrieben, aber sicherlich nicht vernichten oder gar ausrotten können, sodass sie weiterhin ein angriffs- und eroberungslustiger Stamm in Nordafrika gewesen wären.

Andererseits: So stabil waren solche Völker dann auch oft nicht, nachdem Belisar Nordafrika für Byzanz erobert hat, verschwanden sich auch von der Bildfläche.

Das stimmt.

Allerdings halte ich Westrom zur Zeit eines Anthemius (selbst zuzüglich der Unterstützung aus dem Osten) für bei weitem nicht so stark wie Ostrom unter der entschlossenen Führung eines Justinian I. und dann auch noch unter der Mithilfe fähiger Feldherren wie Belisar.
Ich schrieb ja, dass Westrom vielleicht Teile Africas hätte erobern können, aber einfach nicht die Kraft gehabt hätte, die Vandalen vernichtend zu schlagen - dafür gab es einfach zu viele andere Probleme.
Und selbst falls eine dauerhafte Eroberung der ehem. Provinz Africa doch gelungen wäre, hätte man dafür Italien vernachlässigen müssen, das ja auch alles andere als unangefochten im Machtbereich der Kaiser stand.

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26.08.2013, 12:22
Beitrag: #54
RE: Die Rettung Westroms:
(26.08.2013 08:16)Maxdorfer schrieb:  Und selbst falls eine dauerhafte Eroberung der ehem. Provinz Africa doch gelungen wäre, hätte man dafür Italien vernachlässigen müssen, das ja auch alles andere als unangefochten im Machtbereich der Kaiser stand.

Nicht unbedingt, die Eroberung von Nordafrika hätte das Steueraufkommen erhöht, was man nutzen hätte können um das Heer zu vergrößern und somit fähig zu sein beide Teile zu verteidigen. Außerdem hätte sich die Position des erfolgreichen Kaisers verstärkt, die Folge hätte sein können (muss natürlich nicht sein) das dem Rest Westroms einige innere Kämpfe die das Reich weiter schwächten erspart geblieben wären.

Ist jetzt vielleicht überraschend, ich kann nicht wirklich sagen wie sich eine Rückeroberung Nordafrikas ausgewirkt hätte (wäre z.B. auch auf die Stärke der Wandalen draufan gekommen - ob man das Reich schnell zurückerobert hätte oder Jahrzehntelang Krieg führen hätte müssen usw.), aber ich vermute auch eher das Westrom trotzdem Untergegangen wäre, vielleicht hätte man noch eine kleinere Athempause gehabt (so in der Länger einer Regierungszeit eines fähigem starken Kaisers), aber ich vermute auch nicht das man sich auf Dauer hätte halten können - die Probleme waren einfach zu schwer.
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27.08.2013, 00:23
Beitrag: #55
RE: Die Rettung Westroms:
(25.08.2013 20:49)WDPG schrieb:  
(25.08.2013 11:43)Maxdorfer schrieb:  Die Vandalen hätte man vielleicht vertrieben, aber sicherlich nicht vernichten oder gar ausrotten können, sodass sie weiterhin ein angriffs- und eroberungslustiger Stamm in Nordafrika gewesen wären.

Andererseits: So stabil waren solche Völker dann auch oft nicht, nachdem Belisar Nordafrika für Byzanz erobert hat, verschwanden sich auch von der Bildfläche.

Ich bleibe dabei, das Vandalenreich unter Geiserich wäre von Westrom nicht erobert wurden. Geiserich war ein Gegner, den Maiorian, Anthemius oder gar Ricimer nicht gewachsen wären. Erst unter Geiserichs Nachfolgern offenbarten sich innere Konflikte des Vandalenreiches. Aber Geiserich starb erst Anfang 477, also nachdem der letzte weströmische Kaiser abgesetzt wurde. Geiserich konnte sogar den Oströmischen Kaiser einen Souveränitätsvertrag abtrotzen, d.h. er war nicht nur de facto sondern auch de jure unabhängig. Diesen formalen Status erreichte z.B. der Ostgotenkönig Theoderich später nicht.

Justinian nutzte in den 530er-Jahren Thronsteitigkeiten innerhalb des Vandalenreiches, um dieses schließlich zu vernichten. Als Vorwand galt sicher die Usurpation von Gelimer im Jahr 530. Dies ist durchaus vergleichbar mit dem zeitgleichen Niedergang des Ostgotenreiches bzw. der Entmachtung und Ermordung dessen legitimer Herrscherin Amalaswintha.

Die vandalische und alanische Oberschicht wurde um 534 nach Konstantinopel oder nach Kleinasien umgesiedelt. Damit endete die Existenz des Vandalenreiches, aber auch der Verband der Vandalen. Es gibt Spekulationen, dass die in Nordafrika beheimateten Vandalen und Alanen sich mit Wüstenvölkern vereinigten, aus dieser Verschmelzung sollen die Tuareg entstanden sein.

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27.08.2013, 18:38
Beitrag: #56
RE: Die Rettung Westroms:
(27.08.2013 00:23)Sansavoir schrieb:  
(25.08.2013 20:49)WDPG schrieb:  Andererseits: So stabil waren solche Völker dann auch oft nicht, nachdem Belisar Nordafrika für Byzanz erobert hat, verschwanden sich auch von der Bildfläche.

Ich bleibe dabei, das Vandalenreich unter Geiserich wäre von Westrom nicht erobert wurden. Geiserich war ein Gegner, den Maiorian, Anthemius oder gar Ricimer nicht gewachsen wären. Erst unter Geiserichs Nachfolgern offenbarten sich innere Konflikte des Vandalenreiches. Aber Geiserich starb erst Anfang 477, also nachdem der letzte weströmische Kaiser abgesetzt wurde. Geiserich konnte sogar den Oströmischen Kaiser einen Souveränitätsvertrag abtrotzen, d.h. er war nicht nur de facto sondern auch de jure unabhängig. Diesen formalen Status erreichte z.B. der Ostgotenkönig Theoderich später nicht.

Justinian nutzte in den 530er-Jahren Thronsteitigkeiten innerhalb des Vandalenreiches, um dieses schließlich zu vernichten. Als Vorwand galt sicher die Usurpation von Gelimer im Jahr 530. Dies ist durchaus vergleichbar mit dem zeitgleichen Niedergang des Ostgotenreiches bzw. der Entmachtung und Ermordung dessen legitimer Herrscherin Amalaswintha.

Die vandalische und alanische Oberschicht wurde um 534 nach Konstantinopel oder nach Kleinasien umgesiedelt. Damit endete die Existenz des Vandalenreiches, aber auch der Verband der Vandalen. Es gibt Spekulationen, dass die in Nordafrika beheimateten Vandalen und Alanen sich mit Wüstenvölkern vereinigten, aus dieser Verschmelzung sollen die Tuareg entstanden sein.

Genau das meinte ich: Selbst wenn Geiserich von den Römern besiegt worden wäre und diese die ehem. Provinz Africa erobert hätten, hätte sich der Vandalenherrscher wohl eher nicht einfach so geschlagen gegeben. Die Germanenreiche waren zwar instabil, aber nicht wegen innerer struktureller Merkmale, sondern weil bei Thronfolgeproblemen schnell die gesamte Stammesidentität zerstört wurde bzw. auch weil die Germanenstämme ja nur einen recht kleinen Teil der Bevölkerung ausmachten. Das hat es Justinian dann ermöglicht, Nordafrika zu unterwerfen, aber in der Zeit von Geiserich bzw. den letzten weströmischen Kaisern gab es eine ganz andere Situation, sehr zu Ungunsten Roms.

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27.08.2013, 23:45
Beitrag: #57
RE: Die Rettung Westroms:
Zur Rettung Westroms muss man früher anfangen, so z.B bei der Reichskrise im 3. Jahrhundert. Im 5. Jahrhundert war Rom dem Tode geweiht.
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28.08.2013, 00:14
Beitrag: #58
RE: Die Rettung Westroms:
(27.08.2013 23:45)kugelschreiber schrieb:  Zur Rettung Westroms muss man früher anfangen, so z.B bei der Reichskrise im 3. Jahrhundert. Im 5. Jahrhundert war Rom dem Tode geweiht.

Das hast Du natürlich recht. Aber wir diskutieren in diesem Thread die von WDPG aufgestellten Fragen.

(16.08.2013 12:19)WDPG schrieb:  Möchte mal zu 2 konkreten Szenarien "was wäre wenn-Fragen" stellen:

-Stilicho hatte die Westgoten ja mehrmals geschlagen, manchmal wird behauptet er hätte sie auch endgültig besiegen können, es aber nicht getan. Was denkt ihr stimmt das? Wenn ja warum, hat er die Westgoten nicht vernichtet? Was hätte das für Auswirkungen auf Westrom und den Verlauf des Niedergangs gehabt?

-Einige der letzten Kaiser (Maiorian, Anthemius) versuchten die Rückeroberung Nordafrikas, nehmen wir mal an es hätte geklappt, hätte man Rom damit Retten können?

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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28.08.2013, 18:23
Beitrag: #59
RE: Die Rettung Westroms:
Der Anfangspost von WDPG in diesem Thread:

(20.02.2013 22:27)WDPG schrieb:  Das Römische Reich im Westen ging nicht von heute auf morgen unter, auch im Niedergang gab es immer wieder hoffnungsvolle Momente und auch die eine oder andere Person, die ein Hoffnungsträger für das Reich war.

-Deshalb möchte ich die Frage stellen: Wann war das Reich nicht mehr zu retten?
-Hätten die Hoffnungsträger am Ende des Reichs (also vor allem die im 5. Jahrhundert) Westrom noch Retten können?
-Wenn ja, wer und wie?
-Wenn nein, warum nicht?

Freue mich auf eine interessante Diskussion.

Die letzten drei Fragen kann man negativ beantworten, würde ich als Fazit aus der bisherigen Diskussion ziehen. Gerade die von WDPG angesprochenen Hoffnungsträger hätten Rom wohl eher nicht retten können. Die Mitte des 5. Jahrhunderts schon mal überhaupt nicht, die zu Anfang des 5. Jahrhunderts nur mit extrem viel Geschick und ebensoviel Glück, über die Zeit davor kann man immerhin diskutieren.
Die erste Frage ist weiterhin diskutabel: Ab wann war das Reich nicht mehr zu retten? Mir fällt hierbei auf, dass die Frage, seit ich 2010 mich im ersten Nirwana anmeldete, immer wieder gestellt und von mir beantwortet wurde, und dass ich immer eine andere Antwort gegeben habe. Diese Frage ist also sehr schwer zu beantworten. Deswegen enthalte ich mich diesbezüglich erst einmal einer Antwort.

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28.08.2013, 23:19
Beitrag: #60
RE: Die Rettung Westroms:
(28.08.2013 00:14)Sansavoir schrieb:  
(27.08.2013 23:45)kugelschreiber schrieb:  Zur Rettung Westroms muss man früher anfangen, so z.B bei der Reichskrise im 3. Jahrhundert. Im 5. Jahrhundert war Rom dem Tode geweiht.

Das hast Du natürlich recht. Aber wir diskutieren in diesem Thread die von WDPG aufgestellten Fragen.

(16.08.2013 12:19)WDPG schrieb:  Möchte mal zu 2 konkreten Szenarien "was wäre wenn-Fragen" stellen:

-Stilicho hatte die Westgoten ja mehrmals geschlagen, manchmal wird behauptet er hätte sie auch endgültig besiegen können, es aber nicht getan. Was denkt ihr stimmt das? Wenn ja warum, hat er die Westgoten nicht vernichtet? Was hätte das für Auswirkungen auf Westrom und den Verlauf des Niedergangs gehabt?

-Einige der letzten Kaiser (Maiorian, Anthemius) versuchten die Rückeroberung Nordafrikas, nehmen wir mal an es hätte geklappt, hätte man Rom damit Retten können?
Ist mir schon klar und das war meine Aussage.
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