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Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
22.11.2013, 13:39
Beitrag: #151
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(22.11.2013 13:11)Suebe schrieb:  Als Ende der 50er Anfangs der 60er Südländer, in dem Fall vorwiegend Italiener als Gastarbeiter kamen, waren die in aller Regel kleiner als die Deutschen.
Die Kinder, die sie zum Teil auch mit Italienerinnen zeugten, (bei den deutschen Fräuleins hatten sie durchaus das Geriss) sind aber mindestens so groß wie die gleichaltrigen Deutschen.
Ich vermute stark, dass da die Ernährung eine große Rolle spielt.
Sicher, aber nicht ausschließlich. Mailänder unterscheiden sich doch recht deutlich von Sizilianern. Cavalli-Sforza fand da deutliche Unterschiede. Im Norden hinterließen die Bewohner Mitteleuropas ihre Spuren, von den Kimbern bis zu Frundsbergs Landsknechten.
Dagegen haben die Römer schon halb Vorderasien nach Sizilien verschleppt (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Sklavenaufs...hen_Reich) und später saßen dort jahrhundertelang Araber.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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22.11.2013, 14:03
Beitrag: #152
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(22.11.2013 13:39)Arkona schrieb:  
(22.11.2013 13:11)Suebe schrieb:  Als Ende der 50er Anfangs der 60er Südländer, in dem Fall vorwiegend Italiener als Gastarbeiter kamen, waren die in aller Regel kleiner als die Deutschen.
Die Kinder, die sie zum Teil auch mit Italienerinnen zeugten, (bei den deutschen Fräuleins hatten sie durchaus das Geriss) sind aber mindestens so groß wie die gleichaltrigen Deutschen.
Ich vermute stark, dass da die Ernährung eine große Rolle spielt.
Sicher, aber nicht ausschließlich. Mailänder unterscheiden sich doch recht deutlich von Sizilianern. Cavalli-Sforza fand da deutliche Unterschiede. Im Norden hinterließen die Bewohner Mitteleuropas ihre Spuren, von den Kimbern bis zu Frundsbergs Landsknechten.
Dagegen haben die Römer schon halb Vorderasien nach Sizilien verschleppt (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Sklavenaufs...hen_Reich) und später saßen dort jahrhundertelang Araber.


Hast Du sicher mehr Ahnung als ich.

Ich habe mal gelesen, dass sich in Sizilien die Gene derart durcheinander gemischt hätten, dass oft ganz erhebliche Unterschiede in aussehen und Grösse unter Brüdern zu finden wären.
Empirisch würde ich dies bestätigen Cool

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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13.08.2015, 16:10
Beitrag: #153
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Wow. was für eine spannende Diskussion. Ich wärm' mal etwas auf...

Was mir gar nicht in den Sinn will, ist die zeitliche Gleichsetzung von Domestizierung und Landwirtschaft. Ist es absolut unvorstellbar dass bspw. eine Gruppe, die 2-3 Mal im Jahr umzieht, eine Herde besitzt? Die Tiere sollten ja i.A. mobil genug sein Big Grin

Das die Menschen früher laktoseintolerant waren vermutet man derzeit nur aufgrund der Ötzi-Laborwerte, oder? Für mich klingt es nicht plausibel, dass sich die Muation der Laktoseverträglichkeit so schnell verbreiten kann. Und dann soll die Ausbreitung im Norden (bspw. Skandinavien) stärker sein wie an dem Ort, wo Tiere zuerst gezüchtet wurden (-> Anatolien)?
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14.08.2015, 12:25
Beitrag: #154
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
1) Es gab (und gibt) Nomaden, die ausschließlich von der Tierhaltung leben. Dazu eignen sich natürlich Schafe, Rinder und Pferde - nicht aber Schweine und Federvieh. Das ist aber eine vergleichbar junge Lebensform, die erst in der Bronzezeit aufkam. Vorher trieb man auch in den eurasischen Steppen (Flußtäler, Oasen) Ackerbau, der wurde wieder aufgegeben.

2) Eine Mutation, die einen deutlichen Selektionsvorteil bietet, breitet sich sehr schnell aus, da genügen ein paar Jahrhunderte. Und gerade im Norden war dieser Vorteil enorm, wo andere Nahrungsquellen besonders im Winter nicht in der erwünschten Vielfalt zur Verfügung stehen.

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15.08.2015, 22:14
Beitrag: #155
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(22.11.2013 13:11)Suebe schrieb:  Was mir gerade im Kopf herumgeht.
Als Ende der 50er Anfangs der 60er Südländer, in dem Fall vorwiegend Italiener als Gastarbeiter kamen, waren die in aller Regel kleiner als die Deutschen.
Die Kinder, die sie zum Teil auch mit Italienerinnen zeugten, (bei den deutschen Fräuleins hatten sie durchaus das Geriss) sind aber mindestens so groß wie die gleichaltrigen Deutschen.
Ich vermute stark, dass da die Ernährung eine große Rolle spielt.

Da kamen ja die bessere Ernährung und die bessere Vermischung(Heterosiseffekt) zusammen.
Auch bei Belgiern, ursprünglichen Helvetiern und Ubiern trafen eine gute Ernährung auf Erbanlagen, die eine große Körpergröße ermöglichte. Hier könnten 15 bis 20 cm mehr, als die frühen Römer wahrscheinlich gewesen sein. Bei den nördlichen Germanen eher nur 10 cm.
Die nördlichen Germanen hatten Erbanlagen für eine größere Körpergröße, aber eine schlechtere Ernährung.

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
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17.08.2015, 15:29
Beitrag: #156
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Ich habe es hier vermutlich schon mal geschrieben, trotzdem nochmals.

Die Grundlegende Innovation des Ackerbaus war der Wendepflug.
Eine germanisch-slawische Erfindung, die sich ganz anders als sonst "üblich"
von Ost nach West und von Nord nach Süd ausgebreitet hat.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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17.08.2015, 17:13
Beitrag: #157
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(17.08.2015 15:29)Suebe schrieb:  Ich habe es hier vermutlich schon mal geschrieben, trotzdem nochmals.

Die Grundlegende Innovation des Ackerbaus war der Wendepflug.
Eine germanisch-slawische Erfindung, die sich ganz anders als sonst "üblich"
von Ost nach West und von Nord nach Süd ausgebreitet hat.

Ich habe in verschiedenen Quellen gefunden, das der Wendepflug, in der Eisenzeit der Hallstattkultur entwickelt wurde, also von Kelten, südlichen Germanen und Rätern. Die Vandalen gaben diese Kulturtechnik im Osten an die Slawen und nördliche Germanen weiter. Die Franken übernahmen diese Technik von den Ubiern. So konnten sich Wendepflug und Fruchtwechselanbau gleichzeitig ausbreiten.

http://www.deutsches-museum.de/fileadmin...9-3-30.pdf

Bei Wikipedia steht allerdings, das der Hakenpflug im Osten erst im Mittelalter durch den Wendepflug ersetzt wurde.

https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Ostsiedlung

viele Grüße

Paul

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17.08.2015, 19:42
Beitrag: #158
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Das stimmt. Dreifelderwirtschaft und Wendepflug wurden im Slawengebiet erst mit der Ostkolonisation durch deutsche und holländische Siedler eingeführt. Nicht umsonst wurde deren Ansiedlung im Osten um 1200 massiv gefördert, die konnte man nach Ablauf gewisser Vergünstigungen um so mehr schröpfen. Höhere Erträge = mehr Geld in der Kasse des Grundherren. Die Slawen selbst kratzten vorher noch mit dem jungsteinzeitlichen Hakenpflug, nur in der Bewaffnung unterschied man sich nicht grundsätzlich.

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18.08.2015, 08:50
Beitrag: #159
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
In der Prophyläen Technikgeschichte Band befasst sich Hörmann auf den Seiten 282 bis 296 mit der Entwicklung des Pflugs.
Die ersten Nachweise für den Wendepflug stammen dem nach aus dem Nordsee-Elbe-gebiet aus dem 1. Jahrhundert vChr.
Für die nachchristlichen Jahrhunderte bis zum 6., gibt es Nachweise für einen breiten nördlichen Streifen von der Ukraine bis nach England.

Er weist explizit darauf hin, dass es beim Pflug weder eine Übernahme aus den "Alten Kulturen" geben würde, noch eine später so häufige West-Ost-Übernahme.

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18.08.2015, 09:46
Beitrag: #160
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Die Vandalen haben sich ja spätestens mit den Goten auch in die heutige Ukraine ausgebreitet. Möglichereise waren die Kenntnisse und vereinzelte Pflüge vorhanden, aber kein Geld für den massenhaften Einsatz eiserner Pflüge. Das 1. Jh. nach Chr. liegt natürlich lange nach der Hallstattzeit.
Pflüge und Fruchtwechselwirtschaft haben sich also hauptsächlich von Thüringen und Franken in die nördlicheren germanischen Gebiete und dann auch zu den Slawen ausgebreitet.
In Ubien war das Eisen so billig, das die Bauern auf Eisenschuhe für ihrer Pflüge verzichten konnten.

viele Grüße

Paul

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18.08.2015, 14:43
Beitrag: #161
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(18.08.2015 09:46)Paul schrieb:  Die Vandalen haben sich ja spätestens mit den Goten auch in die heutige Ukraine ausgebreitet. Möglichereise waren die Kenntnisse und vereinzelte Pflüge vorhanden, aber kein Geld für den massenhaften Einsatz eiserner Pflüge. Das 1. Jh. nach Chr. liegt natürlich lange nach der Hallstattzeit.
Pflüge und Fruchtwechselwirtschaft haben sich also hauptsächlich von Thüringen und Franken in die nördlicheren germanischen Gebiete und dann auch zu den Slawen ausgebreitet.
In Ubien war das Eisen so billig, das die Bauern auf Eisenschuhe für ihrer Pflüge verzichten konnten.

"Kein Geld" ist mit Sicherheit ein Argument. Stichhaltig bis heute und in Zukunft.
Eisen ist "eigentlich" noch im Zweiten Weltkrieg ein überaus knappes Produkt.
So kommt es anscheinend entscheidene auf die Böden an, ob der schwere Wendepflug Vorteile bringt. So war wohl im Alpenland noch im 19. Jahrhundert der Hakenpflug weit verbreitet.

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18.08.2015, 16:26
Beitrag: #162
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Steinige Äcker in Hanglage liessen sich, wenn überhaupt, nur mit dem Hakenpflug bewirtschaften. Heutzutage ist sowas längst aus der Nutzung genommen.

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20.08.2015, 15:45
Beitrag: #163
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(14.08.2015 12:25)Arkona schrieb:  1) Es gab (und gibt) Nomaden, die ausschließlich von der Tierhaltung leben. Dazu eignen sich natürlich Schafe, Rinder und Pferde - nicht aber Schweine und Federvieh. Das ist aber eine vergleichbar junge Lebensform, die erst in der Bronzezeit aufkam. Vorher trieb man auch in den eurasischen Steppen (Flußtäler, Oasen) Ackerbau, der wurde wieder aufgegeben.
Okay, wenn ich mir als jemand der nicht in der Materie steckt, die Neolithische Revolution bei Wikipedia durchlese, kommt es mir irgendwie so vor, dass man davon ausgeht, als hätte sich beides parallel ausgebreitet... Daher meine Anfängerfrage. Anscheinend gibt es erst relativ späte Belege in unseren Breiten, dass sich der Ackerbau (und damit verbunden eine dauerhafte Sesshaftigkeit) durchsetzen konnten. Was ich mich aber frage: Könnte es sein, dass sich zuerst nur die Viehzucht durchsetzen konnte? Oder hätte man dafür bereits Belge finden müssen?
In meiner Vorstellung sollte es bei Nomadenvolk schwerer nachzuvollziehen sein, wie diese gelebt haben im Vergleich zu einem sesshaften Volk.

(14.08.2015 12:25)Arkona schrieb:  2) Eine Mutation, die einen deutlichen Selektionsvorteil bietet, breitet sich sehr schnell aus, da genügen ein paar Jahrhunderte. Und gerade im Norden war dieser Vorteil enorm, wo andere Nahrungsquellen besonders im Winter nicht in der erwünschten Vielfalt zur Verfügung stehen.
Durchaus geht es schnell, es wird ja, soweit ich gelesen habe, auch dominant vererbt. Dass es sich innerhalb "ein paar Jahrhunderte" über einen Kontinent ausbreitet halte ich für fragwürdig. Ich hab folgendes Gedankenexperiment: Nehmen wir mal 10 Gruppen von je 50 Leuten an. Jedes Jahr gibt es einen Brautraub/Auszug/whatever zwischen je zwei der Gruppen. In eine der Gruppen kommt nun 1x Mutation, d.h. in der ersten Generation liegt die Chance für die angrenzende Gruppe bei 2%, in der zweiten bei 4%..6% usw. Erst ab der dritten Generation hat man (in dieser Generation) eine gute Chance, eine Ausbreitung in die andere Gruppe zu bekommen.
Hab ich da nen enormen Denkfehler - bei mir dauert es dann ca. 50 Jahre bis von Gruppe zu Gruppe gesprungen wird. Okay, vielleicht kennt eine Gruppe mehrere Gruppen, aber dann dauert es immernoch eine ganze Weile.
Da sollte das Wissen zur Käseherstellung schneller rumgetragen werden.


Die Jäger und Sammler werden die neue Nahrungsbeschaffungsmaßnahme nur übernehmen, wenn es einen Vorteil ggü. ihrer bisherigen Lebensweise bietet, einen sehe ich in der Viehzucht bspw. in der Fleischversorgung bei Bedarf. Ein weiterer könnte die Nutzung der Milch sein, idealerweise als Käse. Vielleicht noch Obstbaumanbau, da muss man aber vor möglichen Konkurenten wieder vor Ort sein.

Für mich wirkt es so, dass aufgrund des Mangels an Nachweisen gar nicht daran gedacht wird, dass die Laktosetoleranzentwicklung schon viel früher begonnen hat...

Es erklärt sich mir auch nicht, wie sich, wenn alle ötzimäßig mangelernährt sind, Kulturen bilden die bspw. Steinkreise bauen. Dass mangelernährte Neolithiker für sowas Zeit und Kraft finden, will mir nicht in den Kopf...
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21.08.2015, 10:38
Beitrag: #164
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Der Wikipediaartikel ist ziemlich eurozentrisch. Es gab mesolithische Kulturen, die Tierhaltung kannten und sesshaft waren, aber den Pflanzenanbau nicht betrieben. Das waren aber regionale Ausnahmen, z.B. die von @Paul so heißgeliebte Ertebölle-Kultur. Reines Viehnomadentum wie in Innerasien entwickelte sich jedenfalls erst recht spät.
Und natürlich können sich dominante Gene bei Selektionsvorteil binnen einiger Jahrhunderte kontinentweit durchsetzen, das kann jeder mit dem Taschenrechner nachspielen.

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21.08.2015, 12:10
Beitrag: #165
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(21.08.2015 10:38)Arkona schrieb:  ./.
das kann jeder mit dem Taschenrechner nachspielen.

Tja, das hängt mit der Potenz zusammen...........Blush

Nö, ich meine natürlich doe Hochzahlen.
Ach was, lasst mich in Frieden....
+
Die Quadratur des Schachfeldes....

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09.09.2015, 17:15
Beitrag: #166
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(21.08.2015 10:38)Arkona schrieb:  Und natürlich können sich dominante Gene bei Selektionsvorteil binnen einiger Jahrhunderte kontinentweit durchsetzen, das kann jeder mit dem Taschenrechner nachspielen.
Confused "Einige Jahrhunderte", nehmen wir mal an 5 - das reicht bei meiner Hochrechnung (ohne Gewähr, hab auch kaum Ahnung von Epidemioliogie) für Sprünge in einigen Gruppen - Im gedachten Netz der "Bekanntschaften" erreicht man linear gesehen (um die maximal mögliche Ausbreitung zu erkennen) 10 Gruppen. Das damit Distanzen von >3000 km (Antalia-Trondheim => 3200 km) überbrückt werden können halte ich (ohne Schiffe, die weit segeln können) für kaum denkbar.

[edit] nochmal kurz damit wir nicht aneinander vorbeireden: Dass sich die Mutation bei Auftreten in der Gruppe schnell verbreiten kann, will ich nicht in Abrede stellen. Wohl aber, das sie bei damals lebenden Menschen so schnell von Gruppe zu Gruppe springt.
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09.09.2015, 20:12
Beitrag: #167
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
500 Jahre = 40 Generationen, dazu dünne Besiedelung und Exogamie.
Verdoppelung pro Generation...
Wo landen wir dann?

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11.09.2015, 13:48
Beitrag: #168
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(20.08.2015 15:45)Andy386 schrieb:  Anscheinend gibt es erst relativ späte Belege in unseren Breiten, dass sich der Ackerbau (und damit verbunden eine dauerhafte Sesshaftigkeit) durchsetzen konnten.

Es gibt reichhaltige Funde und gute Datierungen zur Ausbreitung des Ackerbaus in Mitteleuropa. Danach erreichten die Bandkeramiker etwa um 5500 v. Chr. den Raum des heutigen Deutschlands und stießen ungefähr bis zu den Mittelläufen von Weser, Elbe und Oder vor. Die Gebiete weiter nördlich wurden erst während der späteren Trichterbecherkultur vom Ackerbau erfassr.

Der Ackerbau breitete sich von Kleinasien über Europa aus und erreichte mit der Proto-Sesklokultur zunächst im 7. Jahrtausend v. Chr. Griechenland. Weitere neolithische Kulturen wie die Vinca- und Starcevokultur führten zur Ausbreitung Richtung Norden, wodurch sich die Grenze des Ackerbaus immer weiter verschob. Inwieweit diese Kulturen von anatolischen Einwanderern oder von der autochthonen Bevölkerung getragen wurden, ist ein bis heute umstrittenes Thema.

Im Verbund nit dem Ackerbau fanden die Archäologen auch stets eine Viehhaltung. Knochen von Rind, Schwein, Schaf und Ziege zeigen das ganz deutlich. Zumindest in Europa ging also keine reinen Viehzüchter den frühen Ackerbauern voraus. Und soweit mir das bekannt ist, trifft das auch auf Vorderasien zu, wo der Ursprung des Ackerbaus zu suchen ist - sieht man einmal von Ostasien und Südamerika ab.
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11.09.2015, 19:14
Beitrag: #169
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Wie ich neulich zufällig im Spektrum der Wissenschaft September 2015 las, ist dazu in der Forschung in Zukunft mancher Aufschluss zu erwarten.

Hier die ersten Zeilen des Beitrags
http://www.spektrum.de/magazin/phytolith...it/1356000

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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11.09.2015, 19:33
Beitrag: #170
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Einmal mehr: Auch in der Steppe fing man mit rispenkauenden Ackerbauern in Flusstälern an. Das erwies sich langfristig aber in diesem Lebensraum als Fehlweg, spätestens nachdem man auf Pferden saß. Dann war quasi alles von Ungarn bis zum Gelben Meer eine Autobahn, der wir viele Segnungen von den frühen Indoeuropäern bis ins 18. Jahrhundert den Kalmüken und Tataren verdanken. Inklusive unsere Mundart.

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12.09.2015, 12:30
Beitrag: #171
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Es gibt jetzt Theorien, daß die Nutzung von Getreidepflanzen weit älter ist als bisher angenommen. Man schnitt die Ähren mit Feuersteinmessern ab, malte sie mit Mörsern und erhielt einen eßbaren Mampf. Wenn man das zur Landwirtschaft rechnet, begänne das Neolithikum 1000 bis 2000 Jahre früher.
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12.09.2015, 13:27
Beitrag: #172
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(12.09.2015 12:30)Harald schrieb:  Es gibt jetzt Theorien, daß die Nutzung von Getreidepflanzen weit älter ist als bisher angenommen.

Nutzung schon. Aber wurden Getreidepflanzen auch planmäßig angebaut? Das ist doch erst das entscheidende Kennzeichen der Neolithisierung. Alles andere ist lediglich Sammlerei.
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14.09.2015, 14:10
Beitrag: #173
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Ich kann mich nicht so richtig erinnern. Ich war noch ziemlich jung damals.
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14.09.2015, 14:14
Beitrag: #174
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(14.09.2015 14:10)Harald schrieb:  Ich kann mich nicht so richtig erinnern. Ich war noch ziemlich jung damals.

Ja, ja - die Demenz macht uns nach 10 000 Jahren etwas zu schaffen!
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14.09.2015, 14:25
Beitrag: #175
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Wenn ich mich richtig erinnere waren es 13.000 Jahre.
Demenz ist für dich doch kein Problem, du bist doch im öffentlichen Dienst.
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15.09.2015, 15:09
Beitrag: #176
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(14.09.2015 14:25)Harald schrieb:  Wenn ich mich richtig erinnere waren es 13.000 Jahre.

Bei diesen Zahlen kommt es auf ein Jahrtausend mehr oder weniger auch nicht an.

(14.09.2015 14:25)Harald schrieb:  Demenz ist für dich doch kein Problem, du bist doch im öffentlichen Dienst.

Mit dem "öffentlichen Dienst" habe ich - leider oder zum Glück - nichts zu tun.
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18.09.2015, 00:22
Beitrag: #177
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
@Dietrich: Danke für die Zusammenfassung! Es sollte nicht so rüberkommen, dass ich nicht an die späte Ausbreitung des Ackersbau ("Anscheinend") in unseren Breiten glauben würde, sorry!
Wie du schon schreibst, weiss man ja aus den Knochenfunden, dass Tierhaltung praktiziert wurde. Aber diese Knochen lassen sich auch leichter zuordnen, wenn man in einem Siedlungsgebiet einer sesshaften Kultur sucht, dahingehend frage ich mich immer noch, ob es aufgrund der simplen Nichtauffinbarkeit derartiger Spuren aufgrund des Nomadendaseins auszuschliessen sei, ob es Viehhaltung gab. Oder anders rum gedreht: Fand man Anzeichen für eine Ausbreitung des Ackerbaus ohne Viehhaltung?

(09.09.2015 20:12)Arkona schrieb:  500 Jahre = 40 Generationen, dazu dünne Besiedelung und Exogamie.
Verdoppelung pro Generation...
Wo landen wir dann?
Dann landen wir bei einer Durchsetzung des für die Entwicklung sinnvollen Merkmals in einer Gruppe...
Ich nehme nicht an, dass sich die Menschen vor der neolithischen Revolution alle paar Jahre in neuen Gruppen zusammengefunden haben (Wenn doch, gab es sicher auch Stammesgrenzen oder ähnliches, also "Durchmischungsgrenzen" Smile)
Wie groß auch immer die Gruppen sind (50 war einfach eine bloße Schätzung von mir), bis zu einer signifikanten Ausprägung dauert es je nach Gruppengröße. Und erst mit einem signifikanten Auftreten ergeben sich Wahrscheinlichkeiten die größer als purer Zufall sind, dass diese Mutation in andere Gruppen oder Stämme getragen wird.
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18.09.2015, 13:19
Beitrag: #178
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(18.09.2015 00:22)Andy386 schrieb:  dahingehend frage ich mich immer noch, ob es aufgrund der simplen Nichtauffinbarkeit derartiger Spuren aufgrund des Nomadendaseins auszuschliessen sei, ob es Viehhaltung gab. Oder anders rum gedreht: Fand man Anzeichen für eine Ausbreitung des Ackerbaus ohne Viehhaltung?

Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass parallel zu den frühen Ackerbauern weiterhin autochthone nomadische Kulturen existierten. Das waren allerdings keine Viehzüchter, sondern Jäger, Sammler und Fischer. Für ausschließlich viehzüchtende Gruppen gibt es keine Hinweise. Ein mögliches Vorkommen ist reine Spekulation.

(18.09.2015 00:22)Andy386 schrieb:  Ich nehme nicht an, dass sich die Menschen vor der neolithischen Revolution alle paar Jahre in neuen Gruppen zusammengefunden haben

Die paläolithischen Clans waren sicher stabil, denn darauf beruhte schließlich die Chance zum Überleben. Allerdings gab es stetige Abspaltungen wenn ein Clan zu groß wurde und so entstanden immer wieder neue Gruppen. Vermutlich führten nur katastrophale Ereignisse wie z.B. starke Dezimierung durch Revierkämpfe mit benachbarten Clans zu einer Auflösung.

(18.09.2015 00:22)Andy386 schrieb:  Wie groß auch immer die Gruppen sind (50 war einfach eine bloße Schätzung von mir),

Die Größe der altsteinzeitlichen Clans wird auf etwa 20 bis maximal 30 Personen geschätzt. Natürlich sind das nur Werte, die auf Beobachtungen heutiger Clangruppen beruhen.
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19.03.2016, 12:01
Beitrag: #179
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
T.Douglas Price hat einen Artikel veröffentlicht unter dem Titel "Prehistoric Migration in Europe: Strontium Isotope Analysis of Neolithic Skeletons." (Current Anthropology Vol 53, No.5, December 2005, pp.799-804).

Darin schreibt er, dass er aufgrund von Strontium (Sr)-Analysen von Skeletten aus Fundstätten in Südwestdeutschland (Flomborn in der Pfalz, eponymer Fundort für eine Keramikstufe der Linearbandkeramik, Schwetzingen im pfälzischen Rheintal und Dillingen im Donautal bei Ulm) zu dem Schluss gekommen ist, dass in allen Fundorten ein relativ hoher Anteil an Einwanderern vorliegt, erkennbar an Begräbnissitten (Orientierung nach Norden/Westen, Beigaben) und am Sr-Gehalt ihrer Knochen. Von den Ortsfremden waren wiederum überraschend viele weiblich. Price geht also davon aus, dass die Ausbreitung der Landwirtschaft erstens nur zum Teil auf Einwanderer zurückgeht und zweitens wenn durch Einwanderer, dann hauptsächlich durch eingeheiratete Frauen geschah.
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19.03.2016, 16:11
Beitrag: #180
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Eingeheiratet ist vielleicht etwas beschönigend formuliert. Man nimmt ja vielfach an, dass die jungsteinzeitliche Gesellschaft eher matriarchar war, junge Männer also fortgingen und sich auswärts ein Auskommen suchten. Andererseits waren junge Frauen in tribalen Struktuern auch immer eine begehrte Beute bei kriegerischen Auseinandersetzungen. Das hat man noch in unserer Zeit bei den Papuas beobachtet, mehr Streit als um Frauen gab es nur noch wegen ungeklärter Besitzansprüche an Schweinen.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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19.03.2016, 16:34
Beitrag: #181
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(19.03.2016 12:01)913Chris schrieb:  Price geht also davon aus, dass die Ausbreitung der Landwirtschaft erstens nur zum Teil auf Einwanderer zurückgeht und zweitens wenn durch Einwanderer, dann hauptsächlich durch eingeheiratete Frauen geschah.

@ Chris: zunächst besten Dank für diese Info! Smile

Das entspricht dem, was die Forschung seit längerer Zeit behauptet: Es gab frühe Ackerbauern, die als Zuwanderer vom Balkan Richtung Mittel- und Nordeuropa wanderten; und es gab eine mesolithische autochthone Bevölkerung, die im Verlauf einiger Jahrhunderte die Technik des Ackerbaus vin den Eingewanderten übernahm und ebenfalls sesshaft wurde.

Warum die Einwanderer allerdings einen derart hohen Frauenüberschuss gehabt haben sollen, erschließt sich mir nicht.
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19.03.2016, 18:15
Beitrag: #182
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(19.03.2016 16:34)Dietrich schrieb:  Das entspricht dem, was die Forschung seit längerer Zeit behauptet: Es gab frühe Ackerbauern, die als Zuwanderer vom Balkan Richtung Mittel- und Nordeuropa wanderten; und es gab eine mesolithische autochthone Bevölkerung, die im Verlauf einiger Jahrhunderte die Technik des Ackerbaus vin den Eingewanderten übernahm und ebenfalls sesshaft wurde.

Warum die Einwanderer allerdings einen derart hohen Frauenüberschuss gehabt haben sollen, erschließt sich mir nicht.

Bei einer Einwanderung kam es oft zum Krieg zwischen Einheimischen und Zuwanderern um die knappen Recourcen. Egal wer gewann, meist überlebten die jungen Frauen. Gewannen die Jäger und Sammler, nahmen sie natürlich auch Vieh, Getreide...oder ließen sich vielleicht auch in den Häusern nieder.
Vor 7500 Jahren verbreiteten sich die Gene der Bandkeramiker vor allem in Süddeutschland. Weiter im Norden behaupteten sich die Gene der Jäger und Sammler. Sie übernahmen tendentiell die Landwirtschaft und auch andere kulturelle Merkmale, wie den Hausbau. Wahrscheinlich flohen einige Stämme aus Süddeutschland in den Norden und Osten und übernahmen vorher die Landwirtschaft.

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
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19.03.2016, 18:40
Beitrag: #183
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Die Jäger und Sammler hatten schon weitreichende Handelsbeziehungen, und dass Frauen von auswärts geholt wurden, entsprach nicht nur dem Bestreben, Inzucht zu vermeiden, sondern spiegelt einfach auch die Handelsverbindungen wieder. Die Händler als Brautwerber, ihr versteht?

Klar mögen auch kriegerische Auseinadersetzungen und die Frauen als Beute eine Role gespielt haben, aber die Linearbandkeramiker haben sich - anders als z.B. die Trichterbecherleute - noch nicht hinter Palisaden verschanzen müssen, zumindest anfangs. In meinen Augen spielte daher der Handel die größere Rolle bei der Hersteller interkultureller Beziehungen, auf technischer, kultureller und eben auch persönlicher Ebene...Wink
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19.03.2016, 19:02
Beitrag: #184
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(19.03.2016 18:15)Paul schrieb:  Bei einer Einwanderung kam es oft zum Krieg zwischen Einheimischen und Zuwanderern um die knappen Recourcen.

Von "Kriegen" zu sprechen ist utopisch. Im 5. und 4. Jahrtausend v. Chr. war Mitteleuropa menschenleer, durchzogen von Sümpfen und Urwäldern, in denen die winzigen Siedlungen der frühen Ackerbauern wie Inseln lagen. Jäger und einwandernde frühe Ackerbauern hatten riesge Gebiete, in denen sie sich ohne eine Menschenseele zu treffen ausbreiten konnten.

Wer sollte da "Kriege" führen?

Denkbar ist höchstens, dass hin und wieder ein Dortf das andere überfiel. Aber auch das ist selten vorstellbar, denn was gabs schon zu rauben? Bräute vielleicht! Wir müssen also von einer vorwiegend friedlichen neolithischen Bevölkerung ausgehen, die in äußerst dünn besiedelten Regionen ihre kleinen Äcker bestellte. Das änderte sich erst mit der Bronzezeit, wo eine geschichtete Bevölkerung mit einer Kriegeraristokratie an der Spitze entstand.
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19.03.2016, 19:17
Beitrag: #185
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Vor 7500 Jahren wurde im heutigen Wetzlar-Dahlheim eine sehr große Bauernsiedlung gegründet, welche der Bandkeramikkultur zugeordnet wird. Neben Feldanbau spielte sicherlich noch Jagd und Fischfang eine wichtige Rolle. Welche Rolle biologisch Einheimische und Einwanderer spielten wurde bisher nicht erforscht zumindest nicht veröffentlicht.
Diese Siedlung wurde mit einem Wall und Graben bewehrt. Die Siedlung gehört zu einer Siedlungskette an Lahn und Dill.

https://www.uni-bamberg.de/?id=93181

viele Grüße

Paul

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19.03.2016, 19:28
Beitrag: #186
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(19.03.2016 19:17)Paul schrieb:  Diese Siedlung wurde mit einem Wall und Graben bewehrt. Die Siedlung gehört zu einer Siedlungskette an Lahn und Dill.

In der Regel haben die winzigen bandkeramischen Dörfer keine Befesrigungen. Die Siedlungen lagen meilenweit voneinander entfernt und was gab's schon zu rauben?
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19.03.2016, 19:32
Beitrag: #187
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(19.03.2016 19:02)Dietrich schrieb:  Im 5. und 4. Jahrtausend v. Chr. war Mitteleuropa menschenleer, durchzogen von Sümpfen und Urwäldern, in denen die winzigen Siedlungen der frühen Ackerbauern wie Inseln lagen. Jäger und einwandernde frühe Ackerbauern hatten riesge Gebiete, in denen sie sich ohne eine Menschenseele zu treffen ausbreiten konnten.

Wer sollte da "Kriege" führen?
Das sehe ich etwas anders. Selbst wenn eine Einwanderung in jungfräuliches Gebiet erfolgte, war nach wenigen Generationen "das Boot voll". Mit der damaligen Landnutzung war ja ohnehin nur eine geringe Bevölkerungsdichte möglich und die ersten Bauern (Bandkeramiker) rodeten nicht großartig, sondern siedelten in den waldarmen Lößgebieten bzw. auf waldfreien Flußterrassen. Schwere Geschiebeböden (Grundmoränen in Norddeutschland) waren mit der damaligen Technik nicht beackerbar, Sander sind ohne langjährige Kultivierung (Plaggen) unfruchtbar. Dazu kamen dann die damals ausgedehnten Moore. Der verfügbare menschliche Lebensraum war also keinesfalls schier unbegrenzt.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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19.03.2016, 19:47
Beitrag: #188
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(19.03.2016 19:32)Arkona schrieb:  Das sehe ich etwas anders. Selbst wenn eine Einwanderung in jungfräuliches Gebiet erfolgte, war nach wenigen Generationen "das Boot voll".

Angesichts der ungeheuer dünnen Bevölkerungsdichte kann man von keiner "Übervölkerung" sprechen. Den wenigen Bauern standen ungeheure Flächen zur Verfügung, auch in begehrteren Gebieten.

"Kriege" wurden jedenfalls damals im Raum des heutigen Deutschland nicht geführt - - höchstens mal ein Überfall der Jäger oder ein Brautraub. Das war's dann.

Das änderte sich allerdings mit der Bronzezeit.
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19.03.2016, 21:43
Beitrag: #189
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Von "Überbevölkerung" habe ich auch nix geschrieben, nur von maximal möglicher Ausschöpfung des Möglichen. Wo die Ressourcen es hergaben, war auch in in der Steinzeit die Bevölkerung ziemlich dicht. Beispiele sind die Yomons auf Japan oder die Kjökkenmöddinger Nord- und Westeuropas, noch vor der Landwirtschaft. Eine potentiell mögliche Siedlungsdichte wird auch immer sehr schnell erreicht, das gilt für Mensch und Tier. Der Überschuß musste emigrieren und da die Welt auch damals nicht leer war, mit anderen konkurrieren und diese verdrängen oder "irgendwie anders loswerden".
Echte "Kriege" gab es deshalb erst in der Bronzezeit, weil auch erst da größere Gemeinschaften mit klaren Hierarchien (Adel) gab. Aber gegenseitig massakriert hat man sich schon viel früher, nicht nur Braut- und Mundraub. Belege dafür gibt es genug, archäologisch und völkerkundlich. Nirgendwo kommen prozentual gesehen so viele Menschen gewaltsam in Auseinandersetzungen mit den Nachbarn um wie bei den Papuas und Yanomani. Die anscheinend friedfertigen Buschleute (Khoisan) sind ein Sonderfall und nicht die Regel.

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20.03.2016, 13:59
Beitrag: #190
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(19.03.2016 16:11)Arkona schrieb:  Eingeheiratet ist vielleicht etwas beschönigend formuliert. Man nimmt ja vielfach an, dass die jungsteinzeitliche Gesellschaft eher matriarchar war, junge Männer also fortgingen und sich auswärts ein Auskommen suchten.

Eine Frage meinerseits an die Spezialisten- mit der Steinzeit habe ich mich nicht näher auseinandergesetzt, momentan habe ich es eher mit Psychologie-

Wird in Betracht gezogen, dass ein gewisser Frauenüberschuss auch dadurch zu stande kommt, dass vielleicht männliche Säuglinge und Kinder nicht ganz so viel Fürsorge erfahren haben? Oder einfach mehr Risiken ausgesetzt wurden und deshalb die Sterblichkeit größer war?

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
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20.03.2016, 18:56
Beitrag: #191
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(19.03.2016 19:47)Dietrich schrieb:  
(19.03.2016 19:32)Arkona schrieb:  Das sehe ich etwas anders. Selbst wenn eine Einwanderung in jungfräuliches Gebiet erfolgte, war nach wenigen Generationen "das Boot voll".

Angesichts der ungeheuer dünnen Bevölkerungsdichte kann man von keiner "Übervölkerung" sprechen. Den wenigen Bauern standen ungeheure Flächen zur Verfügung, auch in begehrteren Gebieten.

"Kriege" wurden jedenfalls damals im Raum des heutigen Deutschland nicht geführt - - höchstens mal ein Überfall der Jäger oder ein Brautraub. Das war's dann.

Das änderte sich allerdings mit der Bronzezeit.

Jäger und Sammler können relativ große Stämme bilden und führen dann auch Krieg, so z.B. die Nordamerikanischen Stämme. Die Stämme im Osten u.a. bauten zwar auch Feldfrüchte an, die Siox waren aber Jäger und Sammler und hatten eine vieltausendfache Bevölkerung. Sie führten gegen Kiowa, Schoschonen...Krieg in ähnlicher Form wie es die Ackerbautreibenden Germanen taten.
Es ist sehr wahrscheinlich, das sich die Jäger und Sammler spätestens beim Eintreffen der Bandkeramiker zu größeren Stämmen zusammenschlossen. Sie übernahmen dann auch Viehzucht und Ackerbau. Stammesgrenzen können z.B. in Mittelhessen gelegen haben, so das sich die Bauern in Wetzlar und Asslar... mit Wällen gegen Stämme aus dem Westerwald schützen mußten.

viele Grüße

Paul

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21.03.2016, 13:40
Beitrag: #192
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(20.03.2016 18:56)Paul schrieb:  Es ist sehr wahrscheinlich, das sich die Jäger und Sammler spätestens beim Eintreffen der Bandkeramiker zu größeren Stämmen zusammenschlossen. Sie übernahmen dann auch Viehzucht und Ackerbau. Stammesgrenzen können z.B. in Mittelhessen gelegen haben, so das sich die Bauern in Wetzlar und Asslar... mit Wällen gegen Stämme aus dem Westerwald schützen mußten.

Stämme werden sich überall dort gebildet haben, wo die Bevölkerungsdichte wuchs. Vor allem kam es zu einer Verschmelzung von Ackerbauern, die aus dem Balkanraum zugewandert waren, und der ansässigen mesolithischen Bevölkerung von Jägern und Sammlern.

Leider wissen wir nicht, welche Ethnien sich hinter den einzelnen Kulturgruppen der Jungstenzeit verbergen oder welche Sprachen sie gesprochen haben bzw. welcher Sprachfamilie sie angehörten. Da ist der Spekulation Tür und Tor geöffnet.
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21.03.2016, 17:11
Beitrag: #193
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
Die Umfriedungen von LBK-Dörfern können ja auch die Funktion der mittelalterlichen Etter gehabt haben, die verhindern sollten, dass das Vieh des Gelände des Dorfes verlässt. Bei der lockeren Bauweise der LBK-Dörfer ist das sogar naheliegend. Gleichwohl finden wir bei den LBK-Leuten auch erste Spuren tödlicher Auseinandersetzungen bis hin zu den Spuren von Kannibalismus in Herxheim. Ebenso finden wir erste Anzeichen, dass benachbarte Dörfer miteinander konkurrierten, bspw. durch die Errichtung von Erdwerken oder Dolmen. (größeres Bauwerk = reicheres Dorf). Wo Konkurrenz ist, will man die unter Umstände schon auch mal gewaltsam ausschalten, wobei zu fragen ist, WARUM man überhaupt miteinander konkurrierte...Wink
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21.03.2016, 17:19
Beitrag: #194
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(20.03.2016 13:59)Bunbury schrieb:  Wird in Betracht gezogen, dass ein gewisser Frauenüberschuss auch dadurch zu stande kommt, dass vielleicht männliche Säuglinge und Kinder nicht ganz so viel Fürsorge erfahren haben? Oder einfach mehr Risiken ausgesetzt wurden und deshalb die Sterblichkeit größer war?

Weniger Fürsoge, das glaube ich nicht. Ich persönlich nehme vielmehr an, dass das in historischer Zeit belegte Gehabe um die Söhne des Hauses auch in dieser bäuerlichen Kultur schon vorhanden war, die Söhne also angesehener waren als die Töchter. Ebenso darf man glaub ich schon davon ausgehen, dass Töchter als jemand gesehen wurden, der den Hof sowieso per Heirat irgendwann verlässt, während die Söhne dann doch öfter geblieben sein dürften, eigene Familien aufgebaut haben und das Dorf durch Anlage neuer Höfe vergrößert haben dürften.
Auch eine höhere Sterblichkeit bei den Jungs halte ich für unwahrscheinlich. Mädels mussten bestimmt genauso hart und früh mit anpacken wie die Jungs, es war schließlich ein Bauernhof unter schweren Bedingungen "am Laufen" zu halten, da brauchte man jede Arbeitskraft.

An einen Männerüberschuss glaube ich sowieso nicht, da - wie oben schon erwähnt - zwar die Töchter "außer Haus" geheiratet haben dürften - und das wohl auch in den gleichzeitigen Jäger-und-Sammler-Kulturen, siehe die Erkenntnisse von Price. Ich denke, man heiratete zwischen den Siedlungen hin und her, wobei v.a. die Töchter "ausgetauscht" worden sein dürften, nicht 1:1, das ist klar, aber quasi "reihum"....Wink
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21.03.2016, 17:25
Beitrag: #195
RE: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa
(20.03.2016 18:56)Paul schrieb:  die Siox waren aber Jäger und Sammler und hatten eine vieltausendfache Bevölkerung. Sie führten gegen Kiowa, Schoschonen...Krieg in ähnlicher Form wie es die Ackerbautreibenden Germanen taten.

Die Parallele, die du zu den ackerbauenden Germanen ziehst, ist zwar treffend, aber anders als du glaubst. Die Sioux wurden nämlich erst zu Jägern (und Sammlern), nachdem sie das Pferd "erworben" hatten. Vorher waren sie in der Gegend der Großen Seen als Ackerbauern seßhaft...Wink

Als Jäger hatten sie aber erstens ein besseres Auskommen als als Bauern - den Massen von Bisons sei´s gedankt - und zweitens waren sie von den Cree aus ihren alten Wohnsitzen schlicht vertrieben worden, das "Umsatteln" auf "Jäger" war also zumindest teilweise zwangsweise geschehen....
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