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King Arthur - das ungelöste Rätsel...
16.05.2018, 15:19
Beitrag: #1
King Arthur - das ungelöste Rätsel...
King Arthur – das ungelöste Rätsel zwischen Mystik, Mythos und Historie

Vorab:
Schon als Knäblein - das liegt diverse Jahrzehnte zurück – interessierte ich mich für die sagenhafte Gestalt des Königs Artus und las viel über ihn. Irgendwann nach dem Millenium besuchte ich bekannte Stätten kreuz und quer durch GB, bzw. versuchte, ihnen nahe zu kommen (z.B. in (!) walisische Klöster). Daraus entstand (2008) ein Vortrag, den ich hier auszugsweise wiedergebe, wobei ich wegen des Extraktes viele syntaktische Veränderungen - radikale inhaltliche Kürzungen ohnehin – vornehmen musste...

- - - - -

PROLOG


Um mit der Tür ins Haus zu fallen: Die Entstehungsgeschichten, die sich um den sagenhaften König ranken – also nicht diesen selbst, sondern die Legenden – , assoziiere ich stets mit dem schier unglaublichen Konglomerat an Erzählungen, die die Grundlage der Bibel bilden: ein unübersichtliches Knäuel von Abhandlungen, die in verschiedenen Jahrhunderten in verschiedenen Kulturen in verschiedenen Sprachen von verschiedenen „Autoren“ zusammengetragen und verfasst wurden. Die Bibel ist weltweit ein einzigartiges Sammelsurium aus fast zahllosen Geschichten, die immer einem steten Wandel unterzogen waren und sind. Der jeweilige Zeitgeist und teilweise arg willkürliche, subjektive Übersetzungen prägen der Inhalt der Heiligen Schrift: Sie wurde in etwa 300 (!!) Sprachen übersetzt, allein das Neue Testament in weitere 800 (!). Das ursprüngliche AT erschien zunächst in hebräischer, dann in aramäischer Sprache; das NT wurde vorerst auf Griechisch verfasst..
Die Urschriften der Bibel: Ließe sich denn nicht durch sie ein so genanntes Original ableiten ?! Nein !! Denn allen Besserwissern zum Trotz gibt es es keine Urschrift; selbst die Qumram-Rollen sind Abschriften. Wer sich also einmal in ein Bibelstudium stürzt aus welchen Gründen auch immer – ich verglich einst schwerpunktmäßig elf Bibeln aus sechs Jahrhunderten (Näheres dazu gern irgendwann irgendwo) - , wird sich in ein Labyrinth begeben, dem zu entkommen mit Problemen behaftet sein dürfte.

Ähnlich erging es mir, als ich vor Jaaahren als Interessent weltweiter Mythen mich der Herausforderung stellte, Näheres über den tatsächlichen King Arthur zu eruieren, genauer gesagt: die Wahrheit über diese legendäre Gestalt !
Welche Blauäugigkeit nur hatte sich meiner bemächtigt, als ich dieses Ansinnen an mich selbst stellte ?!
Wenn wir von alten Quellen lesen oder hören, die sich mit King Arthur beschäftigen, so sind deren Schreiber keineswegs Historiker im heutigen Sinne, sondern Märchen- und Sagen-Erzähler sowie Roman-Autoren ihrer Zeit, denen es nicht auf Authentizität, sondern auf Verherrlichung, auf Popularisierung, auf Romantisierung eines schon bestehenden nebulösen Mythos ankam.

Die ersten nachweisbaren (!!) Texte über den König stammen von den walisischen Mönchen Gildas, 6. Jhdt., und Nennius, 9. Jhdt..
Hinzu kommen die umfassenden Werke von Geoffrey of Monmouth, ebenfalls aus Wales, aus dem 12. Jhdt., in dessen lateinisch verfasstem Opus „Die Geschichte der britannischen Könige“ alle möglichen bisherigen Bruchstücke von Arthur-Erzählungen zu einer wunderschönen Doku-Soap-Opera verwoben wurden.
Der Franzose Chretien de Troyes, 12. Jhdt., war es, der den Round Table „erfand“, den Heroen Lancelot, das rätselhafte Camelot, die Dame vom See, und der die ganze Story nach Frankreich verlegte. Fast zeitgleich entstand das opus magnum des Deutschen Wolfram von Eschenbach, „Parzival“. (Über den MA-Autor sagt einer der bekanntesten Wolfram-Forscher, Prof. Bumke, lapidar: „Über Eschenbach gibt es keine historischen Zeugnisse.“ („Wolfram von Eschenbach“, Stuttgart 2004) )
Nimmt man nun noch den berühmtesten King Arthur-Berichterstatter, Sir Thomas Malory, 16. Jhdt., hinzu, der aus dem Netzwerk vergangener Episoden ein neues, erneut überhöht romantisierendes, völlig verfälschendes Werk schuf (weil seiner Zeit, seinem Zeitgeist angepasst: Er schien die Artus-Sage in die spätmittelalterliche Ritterzeit verlegt zu haben.), so werden die Irritationen, ja: Verwirrungen des um Wahrheit bemühten Laien-Forschers - meine - eher größer als geringer !
Liest man Malory, so wäre es damit vergleichbar, dass man Karl May läse, um wahrhaft Authentisches über die „Indianer“ Nordamerikas zu erfahren.
Käme jetzt der große Aufschrei: „Aber es gibt doch moderne Arthur-Forschung – und nicht nur die des frühen und ausgehenden Mittelalters sowie der beginnenden Neuzeit !!“, so ist dem entgegenzuhalten, dass unsere - jetzige – Forschung großenteils fatalerweise auf eben den Fantasien von Sir Malory basiert, dessen Quellen-Fundament wiederum die Werke des südostwalisischen Mönches Monmouth waren ! Wo also ist überhaupt – sofern möglich – Wahrheit zu finden ? ??!! Immerhin tröste ich mich damit, dass ich mich auf der Suche nach Wahrem durch 23 angebliche oder tatsächliche (Fach-)Bücher kämpfte, deren Inhalt – logo ! - teilweise geradezu Konträres aufbot.

Das Mindeste, das ich tun konnte und musste, ist / war, ein wenig „vor Ort“ zu recherchieren, was ich vor Jaaahren dann auch tat, beginnend selbstverständlich in Tintagel, wo meine extreme Höhenangst bereits ein erstes Hindernis war: der schmale Steg – mit gutem Willen als Mini-Brücke zu bezeichnen – vom „Festland“ zu dem allein stehenden Burgfelsen. 30 Schritte Todesangst...
Und vom Südwesten Englands ging's über Glastonbury gen Nor-Nord-Ost in Richtung Südost-Schottland...


DAS FRAGEZEICHEN KING ARTHUR

Man lese zehn Bücher über die Artus-Sage sowie alles mit ihr Zusammenhängende und dürfte zumindest fünf verschiedene Antworten erhalten.
„In England excavators continue to search for evidence of the existance of the legendary british hero, King Arthur.“ (Zandt / Stemman, „Mysteries of the Lost Lands“, London 1996)
„Arthur was probably a fifth- or sixth-century romanised celtic-british chieftain around whom a cycle of heroic tales has been collected.“ (Cotterall, „Myths and Legends“, London 1989)
Zahlreiche weitere Zitate könnten die verständliche Unsicherheit von Historikern gegenüber Arthur belegen.

Der König war diversen Sagen zufolge von einem unbekannten Vater gezeugt und von dem ebenfalls geheimnisumwobenen Zauberer Merlin, halb Druide, halb Christ, an der südwestenglischen Felsenküste in einer Höhle gefunden worden.
Wer aber genau waren die Druiden ?? Fragen über Fragen... Keltische Priester, die in verschiedenen Bereichen (u.a. Ackerbau, Viehzucht, Architektur, Astronomie, Medizin...) Geniales vollbrachten. Unmöglich, im Rahmen dieser Abhandlung auf die Geheimnisse der Druiden einzugehen.

Hier ist der Vater unbekannt, dort ist es King Uther of Pendragon (walisisch-keltisch: Kopf / Häuptling des Roten Drachen).
Wie auch immer: Arthur stieg – entsprechend wiederum anderen „Berichten“ - zu einem mächtigen keltischen Stammesfürsten auf und wurde dank seines Zauberschwertes Excalibur später König von Britannien.

Über eine Ahnenliste, einen Stammbaum verfügte Arthur nicht, sodass wir uns auf Erzählungen von Monmouth, der besagten Abenteuer-Roman um den Herrscher schuf, und Sir Malory, der vier Jahrhunderte nach Monmouth gelebt hatte, verlassen müssen.
War Arthur ein dux bellurum, ein römischer Feldherr ?
War er selbst der römische Offizier Ambrosius ?
Unterwarf er tatsächlich Irland und später Island und war er tatsächlich Gründer eines legendären Ritterordens ?
Die klarste und deprimierendste Antwort liefert immer noch Dan Shaldrake, einer der bekanntesten Artus-Forscher Englands: „Wir haben Mühe, irgendwie die Existenz von Shakespeare zu ergründen ! Wie also sollen wir mit King Arthur umgehen, der knapp 1000 Jahre zuvor gelebt haben mag ?“ (Shaldrake in Geoffrey Ashe, „Kelten, Druiden und King Arthur“, Zürich 2000)
„Jede Gesamtdarstellung, die vor mehr als ungefähr fünf Jahren geschrieben worden ist, ist unvermeidbar veraltet.“, zitiert Frank Teichmann in Bezug auf Britannien den englischen Forscher Colin Renfrew (Teichmann, „Der Mensch und sein Tempel (...)“, , Darmstadt 1999).
Prof. Nikolay Tolstoy, einer der größten zeitgenössischen Arthur-Experten Englands, wenn nicht gar der größte Artus-Analytiker weltweit, hält die gesamte Sage für ein Bündel damals populärer Folklore, wie sie der Zeitgeist wünschte.
Wie also soll ein „Normalsterblicher“ aus dem Wust an Literatur Dichtung und Wahrheit herausfiltern ?!?!


TINTAGEL, CAMELOT, AVALON


Etwa 40 Stätten werden in England, Schottland und Wales mit dem Leben und Wirken von King Arthur landläufig eng assoziiert. Noch mehr Plätze, Hügel und andere Orte fanden Archäologen bisher in diesen drei GB-Teilen, die man leicht in Verbindung zu Arthur's „Regierungs“-Sitz Camelot bringen könnte.
Was war Tintagel tatsächlich, was Camelot, was – sofern vorhanden gewesen – Avalon ? Wer war Merlin ?
„Tintagel“ ist ein Wort des ancient cornish, also der antiken Cornwall-Sprache, etwa übersetzbar als „Burg / Festung mit kleinem Eingang“. Über diesem geschichtsträchtigen Ort an wilder Küste liegt ebenso der Mantel der nebulösen Vergangenheit wie über Merlin, walisisch Myrdden, dieserm Magier, Begleiter und Berater von King Arthur, dessen Existenz ebenso unsicher ist wie die des Königs selbst.

Nicht minder irritierend ist Camelot ! Gleichlautende Empfehlung diverser britischer Historiker: „Suchen Sie Camelot auf keiner Landkarte ! Es existiert(e) nirgendwo !“
Dass Camelot überhaupt in den Köpfen der Menschen fest verankert ist, ist Chretien de Troyes geschuldet, der die gesamte Artus-Camelot-Grals-Handlung nach Frankreich verlegte – der Gral in Rennes-le-Chateau ?? Was ist er überhaupt...?!
Doch Camelot wird natürlich auch im heutigen Großbritannien gesucht. Manche Sagen setzen Camelot mit Tintagel gleich; andere assoziieren es, weil etymologisch nahe liegend, mit Colchester (= Camelodorum), London, Winchester und Chester.. Und dann gibt es einen Ort in Süd-Schottland namens Camelon – nicht weit entfernt von dem Berg „Arthur's Seat“ südlich von Edinborough, wo sich übrigens auch die bereits erwähnte Rosslyn Church befindet, in der, angeblich erbaut von den Templern, der Heilige Gral in der Krypta verborgen sein soll.
Nun denn, ich war dort. Die Kirche weist in der Welt einmalige, äußerst mysteriöse (!!) Verzierungen, besonders Säulen, aus Mauerwerk auf; doch die bescheidene Krypta dürfte kaum ein mögliches Versteck für den Holy Grail sein, nach dem man bekanntlich auch in Jerusalem, auf Oak Island, in den Pyrenäen und selbstverständlich auch in und bei Glastonbury sucht, wo – erneut angeblich – Mönche zu Beginn des 12. Jahrhunderts die Gebeine von King Arthur und seiner Frau Guinevere fanden – in der größten Abtei, die das damalige Britannien erbaut hatte.
Wenn man vagen historischen Quellen glauben darf, so war anstelle der heutigen Stadt bereits in prähistorischer Zeit eine Siedlung – und zwar am Meer !! Auch deshalb wird behauptet, , das einstige Glastonbury sei identisch gewesen mit der „Isle of Avalon“, also an eineM oder an eineR See gelegen.
Die Stadt soll so reich, so prachtvoll gewesen sein, dass sie immer als „zweites Rom“ bezeichnet wurde.
Wenn Glastonbury tatächlich mit Avalon identisch war, war dann nicht auch Avalon mit Camelot identisch ? Die Archäologin Elisabeth Jenkins schreibt in ihrem Werk „The Mystery of King Arthur“, London 1985, apodiktisch: „Glastonbury is Avalon !“.

Beziehe ich den Glastonbury Tor, den ominösen, auffallenden Hügel von Glastonbury, in meine Überlegungen ein, so verbleibt mir nur, ein weiteres Mal zu zitieren. Philips, „The illustrated book of Myths“, London 1997: „Glastonbury Tor in Somerset, southwest England, is believed to be the Isle of Avalon, where Arthur was buried after the battle of Camlann. It was once surrounded by marches and deep pools.“

- - - - -

Diesem Extrakt eines Vortrags meinerseits folgt im Original ein weiteres Kapitel: „Wolfram von Eschenbachs 'Parzival'“. Das will ich gern auf Wunsch nachreichen, ebenso natürlich die Liste mit ca. 20 weiteren von mir benutzten, gelesenen, weiterführenden, empfehlenswerten Werken. Direkt zitiert indessen habe ich nur aus den angegebenen.

upuaut3

(zur Erläuterung: einziger Nicht-Brite in der family)

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16.05.2018, 15:45
Beitrag: #2
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
Eine schöne Übersicht über den ganzen Wust, der mir bekannte Gefühle offenbart...

Das Ergebnis deiner Recherchen würde mich interessieren. Ich habe selbst seit 1985 viel zu dem Thema geforscht, nachdem mir in der Zeit zwischen schriftlichen und mündlichem Abi "Die Nebel von Avalon" in die Hände gefallen sind... Und ich glaube ja, dass der König Arthur, den Geoffrey von Monmouth beschreibt, ein zusammengesetztes Konstrukt von mindestens vier realen Personen ist- Ambrosius, Owain Ddantgwyn, Riothamus und einem namenlosen Anführer aus dem Bereich des heutigen Südschottland, der vielleicht tatsächlich der Namensgeber war. Aber darüber läßt sich sicherlich trefflich streiten.
Auch dass ich der allgemeinen Annahme widerspreche, Lancelot sei eine Erfindung Chretien de Troyes- er taucht durchaus unter einem anderen namen schon bei Geoffrey auf, bietet einiges an Diskussionsstoff...
Und die Schlacht von Badon in der Nähe von Bath zu verorten, hat meiner Meinung nach noch nie überzeugt...
Aber ich bin sehr gespannt...

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16.05.2018, 16:14
Beitrag: #3
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
Das Ergebnis meiner Recherchen liegt dir vor: Scio me nihil scire.

Ich hatte gehofft, durch das "Studium" in GB fündig(er) zu werden - im Gegensatz zu den verwirrenden literarischen Ergüssen, die ich jahrelang gelesen, teilweise wieder und wieder durchgekaut hatte.

Ich hatte gehofft, durch archäologische Relikte vielen Rätseln näher zu kommen; allein die Glastonbury-Abbey, respektive deren - immer noch gewaltigen - Überreste faszinierten mich. Doch ich wollte nicht fasziniert, sondern aufgeklärt werden durch Betrachtung vieler Stätten "im Original".

Alles Mögliche - hier nicht aufzählbar - sah ich mir real an, indessen: Erleuchtung wurde mir nicht zuteil !

Deinen Zweifel bezüglich der "Erfindung" von Lancelot teile ich.

Marion Zimmer Bradley's (historische ?) Romane "The mists of Avalon" und "Lady of Avalon" habe ich natürlich auch gelesen.

Gelesen habe ich seit meiner frühen Jugend über King Arthur. Doch erst, als ein Autor (welcher ??) in den 90ern behauptete, King Arthur wäre (nicht "sei") identisch mit - - - Siegfried von (den) Nibelungen, vertiefte ich mich noch mehr (!) in die komplexe Thematik !

Es tut mir leid, dir, bunbury, keine schlüssige finale non-plus-ultra-Lösung angeboten haben zu können : - ((( . - Das allerdings war auch nie meine Intention !

Herzlich - upuaut3

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16.05.2018, 16:37
Beitrag: #4
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
Dir hat sich also auch keine nähere Idee erschlossen? keine Theorie, von der du sagen würdest, dass sie dich überzeugt? Oder zumindest, dass sie dir wahrscheinlicher erscheint als ein oder zwei andere?

Ich habe mehrere Theorien gelesen, von denen jede glaubte, König Arthur einwandfrei identifiziert zu haben, mit zum Teil abenteuerlichen Konstruktionen. Tatsächlich hat jede Theorie allenfalls Hinweise darauf erbracht, dass Geoffery von Monmouth, als er seine Historia schrieb, sich bei realen Figuren das eine oder andere "ausgeborgt" hat. (so komme ich auf meine mindestens vier realen Vorbilder.)

Wissen werden wir es nie. Aber trotzdem- spekulieren muss erlaubt sein...
Dann müssen wir wohl eher Theorien auseinander nehmen....

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16.05.2018, 17:19
Beitrag: #5
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
(16.05.2018 15:45)Bunbury schrieb:  Das Ergebnis deiner Recherchen würde mich interessieren.

Da viele sagenhafte Geschichten einen realen Kern haben, glaube ich an die Existenz eines King Arthur, dessen militärische Erfolge gegen die Sachsen immer stärker ausgeschmückt und glorifiziert wurden. Arthur hat für mich in diesem Zusammenhang stärkere Glaubwürdigkjeit als z.B. Siegfried, obwohl man auch dort Hinweise auf eine reale Existenz in der Geschichte finden kann.

Die Archäologie wird uns hier nicht weiterhelfen, denn es ist extrem unwahrscheinlich, dass sich noch irgendwelche Relikte finden, die die Existenz Arthurs beweisen. Möglicherweise gräbt man - wie beim englischen König Richard III. kürzlich geschehen - iirgendwann einen Parkplatz um und findet das Grab Arthurs.

Die Hoffnung hab ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Es gibt keine Quellen über König Artus, sodass diese Gestalt historisch nicht nachweisbar ist. Die Artussage fußt fast ausschließlich auf den Artusromanen.

Vielfach werden die Ursprünge der Artusepik in keltischen Sagen gesucht, von denen man vermutet, dass sie in Form lyrisch-epischer Lieder oder mündlicher Überlieferung den Verfassern der diesbezüglichen französischen Romane und Novellen bekannt waren. Ein wesentlicher Ursprung der Artussage ist im Werk des Galfred von Monmouth und dessen "Historia regum Britanniae" zu suchen, einem phantasievollen Geschichtswerk, das der Autor um 1135/38 König Stephan von England und dem Herzog Robert von Gloucester widmete.

Sollte Artus eine reale Person gewesen sein, so könnte er zu den britischen Kleinkönigen gehört haben, die um 500 n. Chr. gegen die eindringenden Sachsen kämpften. Er nimmt damit eine ähnliche Stellung wie der "Siegfried/Sigurd" der germanischen Heldensage ein, der ebenfalls nicht als "historisch" zu erweisen ist, aber dennoch gelebt haben könnte. Da die Quellenlage jener Umbruchzeit zwischen 400-600 n. Chr. mehr als dürftig ist, wäre es gut möglich, dass reale Persönlichkeiten heute nicht mehr nachweisbar sind. Insofern ist man allein auf Hypothesen und Spekulationen angwiesen.
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16.05.2018, 18:41
Beitrag: #6
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
An Dietrich: So ganz klar ist mir nicht, warum du von mir geäußerte Gedanken, bzw. Fakten wiederholst. Zitat: Es gibt keine Quellen über König Artus, sodass diese Gestalt historisch nicht nachweisbar ist. Die Artussage fußt fast ausschließlich auf den Artusromanen.
Noch eines: Ein wesentlicher Ursprung der Artussage ist im Werk des Galfred von Monmouth und dessen "Historia regum Britanniae" zu suchen, einem phantasievollen Geschichtswerk...
Noch eines: Insofern ist man allein auf Hypothesen und Spekulationen angwiesen.

Das (!!) Letztere "sagte" ich quasi ständig in meinem Beitrag, wie ich auch das von mir Zitierte erwähnte....

- - - -

An Bunbury: Sorry ! Wie so oft habe ich mir zu meinen Lieblingsbereichen (Paläontologie / Archäologie / Prä-Historie / Geschichte / Mythologie) die von mir favorisiertesten Thesen "zurecht gelegt", bevor ich sie zumeist nach Jahren wieder verwerfen musste.

Insofern sollte mein Aufsatz als Anstoß für mögliche Arthur-Diskussionen dienen, ohne dass etwaige Beteiligte dabei Gefahr laufen sollten, ständig ins Spekulative abzudriften - und diese Gefahr scheint mir nicht gering zu sein....

upuaut3

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16.05.2018, 21:52
Beitrag: #7
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
(16.05.2018 15:45)Bunbury schrieb:  Auch dass ich der allgemeinen Annahme widerspreche, Lancelot sei eine Erfindung Chretien de Troyes- er taucht durchaus unter einem anderen namen schon bei Geoffrey auf, bietet einiges an Diskussionsstoff...

Wer ist denn Monmouths Lancelot ? Und was macht er dort ?
Zum Mindesten der Name "Lancelot" ist - wie Parzival - ein typischer Name der höfischen Minneliteratur.
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17.05.2018, 10:56
Beitrag: #8
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
Die Sprach- und Literaturwissenschaftlerin Norma Lorre Goodrich hat in ihrer Interpretation zu den Artus- Romanen die Auffassung vertreten, dass Lancelot in Geoffreys Historia als wichtigste Person an Artus´Krönung als König Angus von Schottland (Anguselus sic Albania) auftritt.
Angus wurde von Kritkern Geoffreys als "Angus von moray" idntifiziert, einem Aufrührer, der zu der Zeit ums Leben kam, als Geoffrey die Historia schrieb.
Lorre Goodrich wies allerdings darauf hin, dass der zweite von Geoffrey genannte König bei Artus´ Krönungszeremonie aus Moray kommt.
Lorre Goodrich schreibt, bei Geoffrey sei der Name auf Latein geschrieben- Anguselus sic Albania, Chretien de Troyes habe aber auf Französisch geschrieben. Sie äußert also die Vermutung, der Name sei aus dem lateinischen ins Altfranzösische übernommen worden. dabei wäre nach den übliche lautgesetzen die Mittelsilbe weggefallen- also das unbetonte "gu" - übrige bleibe dann "an + sel+ o" wobei im Fränzösischen "o" oder "ot" für das lateinische "Us" stehe.
Das "L" vor dem Namen - und zumindest hierin kann ich sie bestätigen- wäre dem Umstand zu verdanken, dass das Oberhaupt eines schottischen Clans bis heute als "DER MacDonald,MacLeod,MacKinnon etc" bezeichnet wird- Lancelot wäre demnach von "Le Ancelot" abgeleitet und würde so etwas wie "Der Angus" bedeuten.

Eine Argumentation, die ich durchaus schlüssig finde. Lancelot wäre demnach ein piktischer König gewesen- eine Überlegung, der ich einiges abgewinnen kann, weil die Schilderung des Lancelot ein paar Züge aufweist, für die sich in den wenigen piktischen Hinterlassenschaften Parallelen finden lassen.
Das gleiche gilt übrigens für Königin Guinevere. Zumindest eine der drei, die erwähnt sind. (es heißt ja, Artus habe drei Frauen mit dem Namen Guinevere gehabt-) Für eine Guinevere stand auf jedenfall eine fremdländische Königin Patin, die wahrscheinlich Piktin war, während eine zweite ebenso unzweifelhaft eine vornehme Dame römischer Abstammung war...

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17.05.2018, 11:17
Beitrag: #9
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
(16.05.2018 18:41)upuaut3 schrieb:  An Bunbury: Sorry ! Wie so oft habe ich mir zu meinen Lieblingsbereichen (Paläontologie / Archäologie / Prä-Historie / Geschichte / Mythologie) die von mir favorisiertesten Thesen "zurecht gelegt", bevor ich sie zumeist nach Jahren wieder verwerfen musste.

Insofern sollte mein Aufsatz als Anstoß für mögliche Arthur-Diskussionen dienen, ohne dass etwaige Beteiligte dabei Gefahr laufen sollten, ständig ins Spekulative abzudriften - und diese Gefahr scheint mir nicht gering zu sein....

upuaut3

Schade das ist. Mit Fakten über König Artus wird man wohl nie weiterkommen. Aber jede neue Theorie stellt so etwas wie eine Änderung der Denkweise da- man verläßt die engen Spuren des Bekannten und begibt sich auf neue Pfade. Dass da auch immer mal ein Irrweg dabei ist, ist wohl fast zwangsläufig. Aber die Alternative heißt doch, auf der Stelle stehen zu bleiben...

Ich bin dankbar für jede neue Theorie. Denn fast immer ist ein neuer, origineller Gedanke darin enthalten, die zusammengesetzt eine neue Theorie ergeben. Geoffrey Ashe hat überzeugend dargelegt, dass der Kontinental- Feldzug des König Artus dem des historisch belegten "Riothamus" entspricht. Gut, er hat sich dann echt einen abgezappelt, auch den Rest mit der Artuslegende in Einklang zu bringen, aber dass Riothamus die Vorlage für den Kontinentfeldzug des Artus lieferte ist fast zwingend. Graham Philipps und Martin Keatman haben aus Gildas´ Anklage "Ihr habt euren Onkel, den König, ermordet" gegen Maelgwyn Gwynedd ebenso überzeugend geschlussfolgert, dass es eben jener Onkel gewesen sei, der die reale Vorlage für Artus gewesen sei- für mich haben sie nur dargelegt, dass das Onkel- Neffe- Motiv der Artus-Legende wohl dort seinen Ursprung hat. Norma Lorre Goodrich verlegt die Artussage nach Schottland, weil sie davon überzeugt ist, dass sich in Geoffreys Historia etliche falsche Namenszuweisungen und Übersetzungen finden lassen- auch das klingt in einigen Bereichen extrem überzeugend- und in anderen eben überhaupt nicht.

Alles das ist natürlich spekulativ. Eine Auslegung der bekannten- ja, was eigentlich? Fakten sind es ja gerade nicht...kann nichts anderes sein als spekulativ...

Schade, ich hatte mich darauf gefreut, mal mit jemandem über die mehr oder weniger plausiblen Spekulationen diskutieren zu können...

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17.05.2018, 12:23
Beitrag: #10
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
Dazu (Zitat: Schade, ich hatte mich darauf gefreut, mal mit jemandem über die mehr oder weniger plausiblen Spekulationen diskutieren zu können...) kann ich nur sagen, dass ich zeit meines Lebens - na ja: in den vergangenen 50 Jahren - nur allzu gern vorgeprescht war in allen möglichen (prä-)historischen Bereichen - mit spekulativem Gedankengut, von dem ich annahm, dass es nicht zu "verrückt", sondern ganz im Gegenteil durchaus nachvollziehbar sei. Doch kaum schienen meine Ideen der scientific community nicht genehm, wurde ich belächelt oder als Ketzer verschrieen - sodass ich des eeeewigen Argumentierens, Diskutierens, ja: Rechtfertigens und Kämpfens im Laufe der Jahre und Jahrzehnte allmählich müde geworden war...

Innerhalb des eigentlichen / ursprünglichen Vortrags hatte ich wohlweislich auf die Erwähnung der auch von mir favorisierten Theorie (N.L. Goodrich) verzichtet, King Arthur sei (auch) König von Schottland gewesen. - Des Weiteren hatte ich aus reinem Selbstschutz ; - ))) daselbst die kühne Hypothese einiger Forscher nicht genannt, King Arthur und Siegfried (unglaublich viele Parallelen !!) wären ein' und dieselbe Person gewesen...

upuaut3

PS: Ein zusätzliches "Problem" meinerseits besteht in dem Faktum, dass ich noch nie ein Freund des Internet war - ja, es eigentlich nur nutze, um meine Gedanken in Foren hin und wieder zu äußern, d.h., zur Zeit bin ich nur hier vertreten - und das aus meiner (!!) Sicht extrem häufig...

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17.05.2018, 13:10
Beitrag: #11
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
Ehrlich, ich würde mich freuen, wenn ich endlich mal jemanden hätte, mit dem ich mich darüber austauschen könnte. Es ist doch ziemlich öde, immer nur Bücher zu lesen und zu denken "ja, so könnte es gewesen sein". "Und nein, das halte ich jetzt für unglaubwürdig, das überzeugt mich nicht."

Aber ich verstehe dich schon- ich habe mir auch schon des öfteren die Finger verbrannt, wenn ich "quer" gedacht habe. Gerade Historiker tun sich mit unter etwas schwer, die bereits allseits bekannten Pfade zu verlassen....
Und vergessen dabei, dass es den Wahnsinn kennzeichnet, immer das altbekannte zu tun, um neue Ergebnisse zu erwarten...

Wenn du nicht offen diskutieren magst, dann vielleicht per PN?

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17.05.2018, 14:39
Beitrag: #12
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
Schöpfer und Urheber der Artusromane ist Chrétien des Troyes, dessen Werk rund 100 Jahre nach der Eroberung Englands durch die Normannen erscheint. Will man nach zeitgenössischen politischen Verbindungen zum Artus-Mythos suchen, so muss man bei Goffrey von Monmouth anfangen.

Er widmete sein fantasievolles Geschichtswerk "Historia regnum Britanniae" 1138 u.a. dem Herzog von Gloucester und König Stephan I. Monmouth bezeichnet sich selbst als Kelte und "Brite" und es ist wohl kein Zufall, wenn er sein Werk dem unehelichen Sohn König Heinrichs I. und einer walisischen Prinzessin zueignet.

In der "Historia regnum Britanniae" des Monmouth - besonders in den Prophezeiungen des Zauberers Merlin - sind die normannischen Könige Englands sehr deutlich die Rächer der von den Angelsachsen unterworfenen Briten. Das legt nahe, dass Monmouth dem von ihm verherrlichten König Artus eine politische Bedeutung zumisst und zwar als Sieger über die Angelsachsen, über die Römer und als Eroberer Galliens (!) und Skandinaviens.

Damit ist dann der Bogen geschlagen von den britischen Kelten und ihren angelsächsischen "Unterdrückern" zu den neuen normannischen Herren mit ihren teilweise keltisch-bretonischen Wurzeln.
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17.05.2018, 14:48
Beitrag: #13
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
Ich könnte mir vorstellen, dass bei Artus noch ein weiteres Problem dazu kommt. Neben möglichen historischen Vorbildern und einer historischen Artusfigur avancierte er im Mittelalter zum fiktiven "Romanhelden", dies besonders im heutigen Frankreich und im heutigen Deutschland. Sein fiktives Weiterleben als Mittelpunkt einer Tafelrunde macht es allerdings besonders schwierig, sich dem Artus zu nähern, der möglicherweise historisch war.

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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17.05.2018, 16:17
Beitrag: #14
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
Auch das birgt sehr interessante Ansätze, wie Norma Lore Goodrich zeigte.
Die mittelalterlichen Romane sind ja nicht alle aus nichts entstanden, sondern hatten Quellen, die uns zum Teil nicht mehr vorliegen. Man darf z.B. nicht vergessen, wieviel Klöster Heinrich VIII niederbrennen ließ- und mit ihnen durchaus etliche Dokumente. Und es gab noch andere Zerstörungswellen in Europa.
Das Problem dabei ist, dass die mittelalterlichen Autoren dann das, was sie lasen, in ihre Welt übertrugen. Jeder weiß, dass die West-Side-Story eine moderne Romeo- und Julia- Version ist. Aber wenn von Romeo und Julia kein Exemplar mehr übrig bliebe, dann wäre es schwierig, das Original in Details zu rekonstruieren. Es sei denn, es wird etwas überliefert, das nicht ins 20. Jahrhundert paßt.
Wenn etwa in einem mittelalterlichen Roman die Königin Guinevere beschrieben wird mit der Angewohnheit, die Feinde ihrer Köpfe zu sammeln und an ihr Pferd zu nageln, verbirgt sich dahinter wahrscheinlich eine historische Wahrheit, einfach, weil wir wissen, dass es ein Volk gegeben hat, das genau das getan hat- die Kelten.
Irgendwo her stammt diese Information in den Romanen. Sie war ganz sicher keine Erfindung des Mittelalters. Also gilt es bei den Romanen, sie mit dem zu vergleichen, was man aus der zeitgenössischen Lebensweise kennt- und diese Elemente zu eleminieren. Und das, was übrig bleibt, das liefert dann durchaus Anhaltspunkte.
Wenn auch keine eindeutigen. Zur erwähnung der Köpfesammelnden Guinevere fallen mir gleich drei Möglichkeiten ein:
1. Der Autor dieses Romanes (es war nicht Chretien, wenn ich mich recht entsinne) hatte die Information von irgendwo anders her und schmückte seine Version der Königin Guinevere damit.
2. Er hatte eine Beschreibung einer Königin, die sich so verhielt- und nahm sie entweder aus ihrer zeit (die Kelten im 5. Jahrhundert nach Christus pflegten diesen Brauch zumindest im romanisierten Britannien nicht mehr)- oder aber Guinevere stammte aus einer gegend, die nie romanisiert gewesen war- Irland oder Schottland. Ob sie dann wirklich zu Artus gehört, wäre dann die nächste Frage... Und doch zeichnet sich da eine Figur ab, die weit entfernt ist von den mittelalterlichen Vorstellungen...

Wenn es möglich ist, aus einer Reihe solcher Hinweise die haltung und Arbeitsweise des Autoren herauszulesen, hat man etwas in der Hand, womit man weiter arbeiten kann.
Jeder Text ist nur ein Spiegel, eine Momentaufnahme des Geistes und der Seele des Autors...

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17.05.2018, 21:02
Beitrag: #15
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
Super-Reflexionen, Bunbury, die ich mit Genuss lese.

Siehe PN !

upuaut3

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21.05.2018, 13:35
Beitrag: #16
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
(17.05.2018 10:56)Bunbury schrieb:  Die Sprach- und Literaturwissenschaftlerin Norma Lorre Goodrich hat in ihrer Interpretation zu den Artus- Romanen die Auffassung vertreten, dass Lancelot in Geoffreys Historia als wichtigste Person an Artus´Krönung als König Angus von Schottland (Anguselus sic Albania) auftritt.
Angus wurde von Kritkern Geoffreys als "Angus von moray" idntifiziert, einem Aufrührer, der zu der Zeit ums Leben kam, als Geoffrey die Historia schrieb.
Lorre Goodrich wies allerdings darauf hin, dass der zweite von Geoffrey genannte König bei Artus´ Krönungszeremonie aus Moray kommt.
Lorre Goodrich schreibt, bei Geoffrey sei der Name auf Latein geschrieben- Anguselus sic Albania, Chretien de Troyes habe aber auf Französisch geschrieben. Sie äußert also die Vermutung, der Name sei aus dem lateinischen ins Altfranzösische übernommen worden. dabei wäre nach den übliche lautgesetzen die Mittelsilbe weggefallen- also das unbetonte "gu" - übrige bleibe dann "an + sel+ o" wobei im Fränzösischen "o" oder "ot" für das lateinische "Us" stehe.
Das "L" vor dem Namen - und zumindest hierin kann ich sie bestätigen- wäre dem Umstand zu verdanken, dass das Oberhaupt eines schottischen Clans bis heute als "DER MacDonald,MacLeod,MacKinnon etc" bezeichnet wird- Lancelot wäre demnach von "Le Ancelot" abgeleitet und würde so etwas wie "Der Angus" bedeuten.

Eine Argumentation, die ich durchaus schlüssig finde. Lancelot wäre demnach ein piktischer König gewesen- eine Überlegung, der ich einiges abgewinnen kann, weil die Schilderung des Lancelot ein paar Züge aufweist, für die sich in den wenigen piktischen Hinterlassenschaften Parallelen finden lassen.
Das gleiche gilt übrigens für Königin Guinevere. Zumindest eine der drei, die erwähnt sind. (es heißt ja, Artus habe drei Frauen mit dem Namen Guinevere gehabt-) Für eine Guinevere stand auf jedenfall eine fremdländische Königin Patin, die wahrscheinlich Piktin war, während eine zweite ebenso unzweifelhaft eine vornehme Dame römischer Abstammung war...

Dass Goodrich das Vorbild von Lancelot mit "Angus von Schottland" interepretiert ist eine interessante These - insbesondere auch dann noch, wenn es sich um einen Moray handeln sollte (die Anfänge des Hauses Moray mit Ruaidhri und Mormaer von Moray reichen allerdings «nur» ins späte 10. Jahrhundert zurück). Was aber Goodrichs Namensherleitung betrifft, bin ich anderer Ansicht – auch wenn ich natürlich diesbezüglich nicht mit einer Sprachwissenschaftlerin konkurrieren kann -Smile. Lancelot tritt in der höfischen Literatur allerdings gelegentlich mit zwei Namen in Erscheinung !

Was mich an der ganzen Arthur-Forschung stört, ist die Nichtberücksichtigung resp. Ignoranz gegenüber der Eigenleistung der höfischen Troubadoure und Minnesänger. Für jede auftauchende Thematik der Artus-Erzählungen wird ein keltisch-walisischer Ursprung gesucht: Man traut den mittelalterlichen Minnesängern – als Vertreter resp. Künstler des «dunklen Zeitalters» – offenbar einfach nicht zu, dass sie genügend kreative Fantasie aufbringen könnten, eine eigene Dramaturgie zu entwickeln.

Bei der Suche nach der Vorlage – besser den Vorlagen – für die Artus-Epik müsste man sich nach meinem Dafürhalten als Basis auf Geoffrey von Monmouth (und die davorliegenden Zeitpunkte) als Basis resp. als Ausgangslage beschränken. Erzählungen die nach Monmouth auftauchen, sind m. M. tatsächlich Erfindungen der Minnesänger/Troubadoure, denen möglicherweise – gelegentlich – ebenfalls ältere Mythologien zugrunde liegen könnten. Diese müssten dann aber nicht zwingend keltischen Ursprungs sein – z.B. im Falle der Troubadoure wäre eine okzidanische Herkunft wahrscheinlicher.

Zur Not könnte man nebst Monmouth noch den «Roman de Brut» von Robert Wace (ein Troubadour und etwas jüngerer Zeitgenosse von Monmouth) – in dessen Werk erstmals die Tafelrunde und die Avalon-Thematik auftaucht – für die Suche nach einem historischen keltischen Vorbild mit einbeziehen (die Toteninsel ist offenbar ein Thema der kelt. Mythologie), aber keinesfalls die späteren Werke der Minnedichtung.

Ich halte die Lancelot-Thematik für eine ureigene Schöpfung der höfischen Literatur und insofern tatsächlich als eine reine Erfindung von Chrétien von Troyes. Nicht nur der Name «Lancelot» spricht dafür, sondern auch die ganze Thematik der Affäre mit Gunivere, welche eine Krise auslöst, die das Reich in den Abgrund zu reissen droht. Die ganze Dramaturgie entspricht derart offensichtlich den Idealen des Minnekults (z.B. die Vorstellung, dass der Liebe auf jeden Fall den Vorzug vor den Eheverpflichtungen zu geben ist, aber auch der Konflikt zwischen Liebe und ritterlicher Ehre) und kaum den wohl eher patriarchalen Vorstellungen der Keltenmythologie. Im Weiteren muss darauf hingewiesen werden, dass in Chrétiens Lancelot-Roman erstmals auch der Gral auftaucht, eine Thematik, die sich nach meinem Dafürhalten überhaupt nicht in die keltisch-walisische Tradition einreihen lässt (@Bunburry: Wir hatten diese Thematik in anderem Zusammenhang schon mal kurz angeschnitten).

Was mit dem Gral gemeint ist, war ja schon den Zeitgenossen und sogar ihren möglichen Erfindern nicht klar. Bei Chrétien von Troyes ist er ein Kelch (später machte Robert von Boron aus dem Kelch den Kelch mit Jesus’ Blut, den Joseph von Arimathäa nach England … etc), bei Wolfram von Eschenbach aber ein Stein. Wolfram von Eschenbach stützt sich dabei in seinem «Parzival» (wie «Lancelot» ein höfisch-literarischer Name) auf einen gewissen «Kyôt» und wirft Chrétien vor, die Erzählung dieses «Kyôts» verfälscht zu haben.

Manche Historiker meinen nun offenbar, dass «Kyôt» eine literarische Figur sei – derjenige der mir davon erzählt hat, stellt allerdings die These auf, dass es sich bei «Kyôt» um den zeitgenössischen Minnesänger Guiot von Provins gehandelt haben könnte. Die These scheint mir passend – Guiot von Provins war in Byzanz, Jerusalempilger (nahm vielleicht am 3. Kreuzzug teil) und war am Schluss Mönch in Cluny. Er war nicht nur ein Zeitgenosse von Chrétien sondern stammte wie dieser aus der Champagne.
Wie dem auch sei, bestärkt mich dieser zeitgenössische Streit um den Gral, dass es sich dabei – und damit auch bei Lancelot – die Ansicht, um eine eigenständige, originäre Erfindung der Minnekultur handeln muss.

Es gibt hier einen Buchauszug aus «Höfische Kompromisse: Acht Kapitel zur höfischen Epik» von Jan-Dirk Müller, welcher ebenfalls von einer rein höfischen Erfindung der Lancelot-Thematik ausgeht:
https://books.google.ch/books?id=j9psULe...ot&f=false
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21.05.2018, 19:31
Beitrag: #17
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
(21.05.2018 13:35)Aguyar schrieb:  Was mich an der ganzen Arthur-Forschung stört, ist die Nichtberücksichtigung resp. Ignoranz gegenüber der Eigenleistung der höfischen Troubadoure und Minnesänger. Für jede auftauchende Thematik der Artus-Erzählungen wird ein keltisch-walisischer Ursprung gesucht: Man traut den mittelalterlichen Minnesängern – als Vertreter resp. Künstler des «dunklen Zeitalters» – offenbar einfach nicht zu, dass sie genügend kreative Fantasie aufbringen könnten, eine eigene Dramaturgie zu entwickeln.

So würde ich das gar nicht sehen. Die eigene Dramaturgie entwickeln sie durchaus, aber ob die Idee für ihre Geschichten immer reine Phantasie sind, weiß ich nicht- dazu blitzt viel zu vieles auf, das ein mittelalterlicher Minnesänger nicht unbedingt gewußt haben kann. Wie die eher ungewöhnlichen Vorlieben der Königin Guinevere, die sich mit dem mittelalterlichen Vorstellungen ja nicht unbedingt in Einklang bringen lassen.


(21.05.2018 13:35)Aguyar schrieb:  Bei der Suche nach der Vorlage – besser den Vorlagen – für die Artus-Epik müsste man sich nach meinem Dafürhalten als Basis auf Geoffrey von Monmouth (und die davorliegenden Zeitpunkte) als Basis resp. als Ausgangslage beschränken. Erzählungen die nach Monmouth auftauchen, sind m. M. tatsächlich Erfindungen der Minnesänger/Troubadoure, denen möglicherweise – gelegentlich – ebenfalls ältere Mythologien zugrunde liegen könnten. Diese müssten dann aber nicht zwingend keltischen Ursprungs sein – z.B. im Falle der Troubadoure wäre eine okzidanische Herkunft wahrscheinlicher..

Lorre Goodrich setzt im übrigen tatsächlich bei Geoffrey von Monmouth an und vermutet als eine seiner Quellen die Annalen des Nordens, von deren Existenz man weiß, die man aber nicht kennt.
Was die keltische Mythologie anbetrifft, gebe ich dir ein Stück weit recht- man beruft sich heute bei einigen Dingen darauf, dass sie in der Artus Mythologie vorkommen und deswegen keltisch seien- dabei können sie auch wo anders herkommen. Allerdings gibt es Elemente, die eindeutig keltisch sind- von daher gehe ich davon aus, dass die Troubadoure verschiedene mythische Elemente miteinander verwoben haben - im übrigen ähnlich wie Shakespeare das später tat...


(21.05.2018 13:35)Aguyar schrieb:  Ich halte die Lancelot-Thematik für eine ureigene Schöpfung der höfischen Literatur und insofern tatsächlich als eine reine Erfindung von Chrétien von Troyes. Nicht nur der Name «Lancelot» spricht dafür, sondern auch die ganze Thematik der Affäre mit Gunivere, welche eine Krise auslöst, die das Reich in den Abgrund zu reissen droht. Die ganze Dramaturgie entspricht derart offensichtlich den Idealen des Minnekults (z.B. die Vorstellung, dass der Liebe auf jeden Fall den Vorzug vor den Eheverpflichtungen zu geben ist, aber auch der Konflikt zwischen Liebe und ritterlicher Ehre) und kaum den wohl eher patriarchalen Vorstellungen der Keltenmythologie.

Du solltest dir Lorre goodrichs Ausführungen zu diesem Thema ruhig mal zu Gemüte führen. Ich will ja gar nicht abstreiten, dass die ganze Geschichte, wie sie Chretien erzählt, tatsächlich den Idelaen des Minnekultes folgt, aber das heißt noch lange nicht, dass Chretien nicht eine ältere Geschichte entsprechend der Ideale des Minnenkultes interpretiert hat.
Vielleicht, weil die Geschichte für ihn derartig fremartig war, dass er nach Erklärungen gesucht hat. Und das würde dann auch bedeuten, dass die Gschichte eben nicht rein keltisch gewesen ist. Wenn Guinevere tatsächlich Piktin gewesen ist, kann es gut sein, dass sie von den mittelalterlichen Vorstellungen nicht erfaßt werden konnte.


(21.05.2018 13:35)Aguyar schrieb:  Im Weiteren muss darauf hingewiesen werden, dass in Chrétiens Lancelot-Roman erstmals auch der Gral auftaucht, eine Thematik, die sich nach meinem Dafürhalten überhaupt nicht in die keltisch-walisische Tradition einreihen lässt (@Bunburry: Wir hatten diese Thematik in anderem Zusammenhang schon mal kurz angeschnitten).

Was mit dem Gral gemeint ist, war ja schon den Zeitgenossen und sogar ihren möglichen Erfindern nicht klar. Bei Chrétien von Troyes ist er ein Kelch (später machte Robert von Boron aus dem Kelch den Kelch mit Jesus’ Blut, den Joseph von Arimathäa nach England … etc), bei Wolfram von Eschenbach aber ein Stein. Wolfram von Eschenbach stützt sich dabei in seinem «Parzival» (wie «Lancelot» ein höfisch-literarischer Name) auf einen gewissen «Kyôt» und wirft Chrétien vor, die Erzählung dieses «Kyôts» verfälscht zu haben.

Manche Historiker meinen nun offenbar, dass «Kyôt» eine literarische Figur sei – derjenige der mir davon erzählt hat, stellt allerdings die These auf, dass es sich bei «Kyôt» um den zeitgenössischen Minnesänger Guiot von Provins gehandelt haben könnte. Die These scheint mir passend – Guiot von Provins war in Byzanz, Jerusalempilger (nahm vielleicht am 3. Kreuzzug teil) und war am Schluss Mönch in Cluny. Er war nicht nur ein Zeitgenosse von Chrétien sondern stammte wie dieser aus der Champagne.
Wie dem auch sei, bestärkt mich dieser zeitgenössische Streit um den Gral, dass es sich dabei – und damit auch bei Lancelot – die Ansicht, um eine eigenständige, originäre Erfindung der Minnekultur handeln muss..

Auch hier neige ich dazu, mit "teils,Teils" zu antworten. Die Ausgestaltung der Idee des Grals könnte tatsächlich eine Erfindung der Minnekultur sein bzw hier könnten sehr stark andere mythologische Elemente mit eingeflossen sein.
Dennoch bleibt unbestreitbar, dass dem Gral Eigenschaften zugeschrieben werden, die aus keltischen Sagen über heilige Gefäße überliefert sind.
Aber genau hier ergibt sich auch die Diskrepanz: Die Gefäße, die in der keltischen Mythologie mit derartigen Eigenschaften auftauchen, sind immer Kessel, niemals Kelche oder Becher. Andere Elemente, die in den Gralsschilderungen auftauchen, finden sich allerdings durchaus auch in anderen keltischen Sagen wieder.
Was mich nun wiederum in der Annahme bestärkt, dass die Troubadoure sich eine ältere, vielleicht nur in Rudimenten überlieferte Geschichte vorgenommen und entsprechend ihrer Vorstellungen erzählt haben. Dass sie dabei etwas höchst eigenes geschaffen haben, ist dabei unbestreitbar. Es würde ja auch niemand auf den Gedanken kommen zu sagen, Shakespeare habe nichts eigenes geschaffen, nur weil er auf alte Geschichten zurückgriff...

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21.05.2018, 22:33
Beitrag: #18
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
ich mache es jetzt mal ein bißchen konkreter:
Ich glaube, dass zumindest eine Guinevere (es hieß ja, Artus habe drei Frauen mit dem gleichen Namen gehabt), eine Frau aus einem Stamm mit matrilinearer Erbfolge war. Die Königswürde lag dabei nicht bei den Frauen, aber nur der Sohn einer Frau königlicher Abstammung konnte selbst König werden. Diese Erbfolge wird für einige piktische und skotische Stämme vermutet und war möglicherweise der Grund für die Entführung Guineveres.
Es ist nicht Artus, der seine Königin rettet, sondern Lancelot- und das aus dem Grund, dass er entweder der designierte oder der tatsächliche König ist- und dass es eine politische Entführung war.

Den mittelalterlichen Troubadouren muss ein solches Szenario sehr fremd gewesen sein, und weil sie sehr dem Ideal der höfischen Liebe verhaftet waren, wurde aus der Beziehung zwischen Guinevere und Lancelot eine Liebesbeziehung.

Ich habe mich schon lange bevor ich Lorre Goodrichs Ausführungen zu dem Thema gelesen habe, gefragt, was hinter dem "Ehebruch" von Guinevere und Lancelot steckte. Es kommt mir doch sehr unwahrscheinlich vor, dass ein Mann den offenen Ehebruch seiner Frau einfach so hinnimmt (und das hätte Artus den Erzählungen zufolge ja getan- es waren andere, die ihn drängten, Vergeltung zu suchen.) Und so habe ich mich schon früh gefragt, ob Guinevere letztendlich ein Bündnis gebrochen hat- vielleicht ein Kriegsbündnis...woraus für die mittelalterlichen Autoren dann der Ehebruch wurde. Im übrigen glaube ich auch nicht, dass diese Königin Guinevere tatsächlich die Gemahlin eines der historischen Vorbilder von König Artus war. Das ist eine weitere Geschichte, die dem Artusmythos hinzugefügt wurde. ...

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21.05.2018, 23:12
Beitrag: #19
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
Guten Abend !

Ich bin verwundert und gleichermaßen erfreut, welch' sachliche (!!) Diskussion mein oberflächlicher Erlebnis-Mini-Doku-Einstieg ausgelöst hat.
(Allein über den Gral ließe sich ja trefflich wochen- oder bücherlang streiten - behüt' uns Gott vor dieser drohenden never ending story...!!)
Als ich meinen bescheidenen Aufsatz schrieb, glaubte ich, profundes Wissen in dieses Forum setzen zu können. Weit gefehlt ! Mit den Kenntnissen der hier Diskutierenden kann ich kaum bis nicht mithalten. Und weiteres Wälzen von -zig Fachliteratur würde mich nicht weiter bringen.
Eine wichtige Reflexion von Bunbury scheint mir diese hier zu sein, die zumindest ich gern weiter verfolgen wü/erde:

Zitat:

So würde ich das gar nicht sehen. Die eigene Dramaturgie entwickeln sie durchaus, aber ob die Idee für ihre Geschichten immer reine Phantasie sind, weiß ich nicht- dazu blitzt viel zu vieles auf, das ein mittelalterlicher Minnesänger nicht unbedingt gewußt haben kann. Wie die eher ungewöhnlichen Vorlieben der Königin Guinevere, die sich mit dem mittelalterlichen Vorstellungen ja nicht unbedingt in Einklang bringen lassen.

Vorest werde ich mich jedoch in Morpheus' Arme begeben...

upuaut3

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22.05.2018, 13:14
Beitrag: #20
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
(21.05.2018 23:12)upuaut3 schrieb:  Guten Abend !

Ich bin verwundert und gleichermaßen erfreut, welch' sachliche (!!) Diskussion mein oberflächlicher Erlebnis-Mini-Doku-Einstieg ausgelöst hat.
(Allein über den Gral ließe sich ja trefflich wochen- oder bücherlang streiten - behüt' uns Gott vor dieser drohenden never ending story...!!)

Ich hätte nichts dagegen, über den Gral zu diskutieren, aber erst nach meiner Prüfung am Sonntag... Deswegen halte ich mich die nächsten Tage auch ein wenig zurück, so sehr es mich auch in den Fingern juckt...


Ich bin begeistert, upuaut3, weil ich diesbezügliche Beiträge nicht ins Leere schreibe...

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08.06.2018, 11:52
Beitrag: #21
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
(21.05.2018 13:35)Aguyar schrieb:  Ich halte die Lancelot-Thematik für eine ureigene Schöpfung der höfischen Literatur und insofern tatsächlich als eine reine Erfindung von Chrétien von Troyes. Nicht nur der Name «Lancelot» spricht dafür, sondern auch die ganze Thematik der Affäre mit Gunivere, welche eine Krise auslöst, die das Reich in den Abgrund zu reissen droht. Die ganze Dramaturgie entspricht derart offensichtlich den Idealen des Minnekults (z.B. die Vorstellung, dass der Liebe auf jeden Fall den Vorzug vor den Eheverpflichtungen zu geben ist, aber auch der Konflikt zwischen Liebe und ritterlicher Ehre) und kaum den wohl eher patriarchalen Vorstellungen der Keltenmythologie. Im Weiteren muss darauf hingewiesen werden, dass in Chrétiens Lancelot-Roman erstmals auch der Gral auftaucht, eine Thematik, die sich nach meinem Dafürhalten überhaupt nicht in die keltisch-walisische Tradition einreihen lässt (@Bunburry: Wir hatten diese Thematik in anderem Zusammenhang schon mal kurz angeschnitten).

Ich wollte noch mal hierauf kurz eingehen. (Und leider kann ich mich gar nicht mehr daran erinnern, was wir dazu schon mal diskutiert hatten, tut mir leid. ich ändere meine Meinung öfters mal, wenn ich neue Aspekte einer Theorie erfahre, von daher würde ich auch gar nicht mehr behaupten, dass ich damals im Recht war....)

Chretien de Troyes schrieb den "Lancelot" im Auftrag von Marie de France. Marie ihrerseits war die Tochter von Eleonore von Aquitanien. Eleonore wurde Königin von England, einige jahre nachdem Geoffrey seine Historia geschrieben hatte. Die Förderung der Kunst und Literatur war ein Anliegen beider Frauen. Von daher halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass die Historia von Geoffrey Marie dazu bewog, Chretien den Auftrag zu erteilen, über Lancelot zu schreiben.
Dazu kommt, dass Marie die Herrin der Champagne war- und die Champagne immer wieder von neuen Keltenstämmen besiedelt worden war-was auch verhältnismäßig gut von den antiken Autoren dokumentiert war. Marie war sehr gebildet- also könnte sie darüber durchaus Bescheid gewußt haben.
Es gibt also einige Indizien, die darauf hinweisen, dass Chretien im Lancelot auf Geheiß seiner Mäzenin keltische Elemente oder soagr eine auf keltischen Legenden beruhende Grundgeschichte verwendet hat.
Die Art und Weise, wie er es tat, die entspricht aber sicherlich den Gesetzen der Minnesänger - wieviel okzidianische Einflüsse sie aufweist, kann ich nicht beurteilen, da bist du der Experte...

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08.06.2018, 14:17
Beitrag: #22
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
(08.06.2018 11:52)Bunbury schrieb:  Chretien de Troyes schrieb den "Lancelot" im Auftrag von Marie de France. Marie ihrerseits war die Tochter von Eleonore von Aquitanien. Eleonore wurde Königin von England, einige jahre nachdem Geoffrey seine Historia geschrieben hatte. Die Förderung der Kunst und Literatur war ein Anliegen beider Frauen. Von daher halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass die Historia von Geoffrey Marie dazu bewog, Chretien den Auftrag zu erteilen, über Lancelot zu schreiben.
Dazu kommt, dass Marie die Herrin der Champagne war- und die Champagne immer wieder von neuen Keltenstämmen besiedelt worden war-was auch verhältnismäßig gut von den antiken Autoren dokumentiert war. Marie war sehr gebildet- also könnte sie darüber durchaus Bescheid gewußt haben.
Es gibt also einige Indizien, die darauf hinweisen, dass Chretien im Lancelot auf Geheiß seiner Mäzenin keltische Elemente oder soagr eine auf keltischen Legenden beruhende Grundgeschichte verwendet hat.
Die Art und Weise, wie er es tat, die entspricht aber sicherlich den Gesetzen der Minnesänger - wieviel okzidianische Einflüsse sie aufweist, kann ich nicht beurteilen, da bist du der Experte...

Ich halte es allerdings für sehr unwahrscheinlich, dass Maire von Champagne Chrétien Vorgaben zum Stoff gemacht hat. Natürlich war sie Förderin und Auftraggeberin der Minnesänger - und wie ihre Mutter Eleonore kannte sie natürlich die Geschichten um Artus. Artus und die Tafelrunde waren schliesslich das zentrale Thema resp. der Mittelpunkt der ganzen Minnedichtung, die jeder Adlige, der etwas auf sich hielt, kennen musste. Umso mehr natürlich die tatsächlich sehr gebildeten Eleonore und Marie. Aber dass Marie Chrétien den Auftrag erteilt hat, keltische Sagen umzusetzen, halte ich wie gesagt für äusserst unwahrscheinlich. Und zwar aus folgenden Gründen:

Die Champagne war zusammen mit der Ile de France das Zentrum der nordfranzösischen Minnesänger (Chrétien von Troyes, G. von Provins etc.) und deren kulturellen Vorläufer waren die Verfasser der "Chansons de geste" (Hauptthematik Karl der Grosse wie etwa das Rolandslied).
Natürlich haben die nordfranzösischen Minnedichter die Artus-Thamtik aufgegriffen (ohne Artus und die Tafelrunde kam kaum eine Minnedichtung aus), aber es sind eben auch Elemente der Chansons de geste sowie eigene Kreationen wie der Gral oder eben (m.M) Lancelot mit eingeflossen.

Eleonore von Aquitanien war noch eine grössere Förderin der Minnedichtung als ihre Tochter Marie. Ihre erste und ursprüngliche kulturelle Prägung erhielt sie aber nicht durch Momouth oder durch dessen keltischen Hintergrund (den sie allerdings offensichtlich bereits in Frankreich und nicht erst in England kennen lernte) sondern der war - aufgrund ihrer Heimat Aquitanien - durch und durch okzidanisch. Ihr Grossvater (der bei ihrer Geburt noch gelebt hat) war der aquitanische Herzog Wilhelm IV der Troubadour, welcher als einer der ersten Minnesänger übernhaupt gilt. Bei dessen Tod (1126) hatte Monmouth seine "britannische Königsgeschichte" noch nicht begonnen - und die okzidanischen Troubadoure (Vorläufer der nordfranzösischen und deutschen Minnesänger) wussten ganz offensichtlich noch nichts von Arthur.

Die Champagne hatte bereits im Frühmittelalter keinen keltischen Hintergrund mehr (trotz der zahreichen Stämme in der Antike) und gerade dort dürften sich wohl kaum mehr entspr. erzählerische Spuren finden lassen - um so mehr, da es mehr als fragwürdig ist, ob die antike keltische Kultur in Gallien (wie sie etwa Cäsar beschreibt) sich mit den frühmittelalterlichen keltischen Traditionen Englands, Irlands und Wales vergleichen lässt. Jedenfalls gehörte die Champange zum Zentrum des karolingischen Frankenreichs und war allein schon deshalb fränkisch und nicht keltisch geprägt. Die einzige Region in Frankreich, welche eine (frühmittelalterliche) keltische Kultur aufwies, war die Bretagne. Die frühen Grafen der Bretagne verwendeten den Leitnamen Conan, ein Name keltischen Ursprungs (nicht nur Asterix sondern auch Conan der Barbar war keltischer Bretone -Smile).
Und gerade diese Region wurde ja später auch speziell in die Artus-Epik der Minnedichter eingebaut (Ban von Benwick, der Vater von Lancelot, soll König der Bretagne gewesen sein).

Wenn man weitere Minnedichtungen mit - neben den Gestalten von Artus, Merlin, Gunivere sowie der Toteninsel Avalon - keltischem Sagenhintergrund suchen will, so sollte man sich m.M nicht an Lancelot und schon gar nicht an den Gral halten, sondern an den Themenkreis "Tristan und Isolde". Dieser Teil der Minnedichtung, welcher seltsamerweise lange Zeit keinen Bezug zu Artus und der Tafelrunde hatte, ist, so meine ich, bestimmt keltischen Ursprungs (irsich-walisisch).

PS:
Vielleicht kommt später ja jemand auf die Idee, auch für den Lohegrin ein keltisches Vorbild zu suchen -Smile
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08.06.2018, 15:56
Beitrag: #23
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
Jetzt muss ich doch mal fragen, ob wir beide tatsächlich von dem gleichen reden....
Ich rede nicht von irischen oder walisischen Sagen und Mythen, die ihren Eingang in die Minne gefunden haben. Da verstehe ich sogar, dass du so ablehnend reagierst. Ich habe ja auch nie behauptet, dass Chretien keltische Traditionen förderte.
Man kommt dem, was ich meine, wahrscheinlich näher, wenn man einen historischen Kern (der sich häufig in lokalen Traditionen findet, auch wenn er sehr klein ist) annimmt, der von der irischen/walisischen Mythologie und dem Minnegansang auf unterschiedliche Weise interpretiert wurde.

Was ich für ganz uns gar unglaubwürdig halte- einfach aus meiner Erfahrung als Schriftstellerin und Autorin heraus- ist, dass sich jemand einfach so hinsetzt und sich aus dem nichts ein Thema ausdenkt, das derartig komplex ist. Das passiert nicht. Nicht mir, nicht meinen dichtenden und schriftstellernden Kollegen. Irgendeinen Kern gibt es immer, das den Dichter oder Autor bewegt, das ihn nicht losläßt, das er auf seine Art und Weise interpretiert. Keine Geschichte entsteht völlig aus dem Nichts. Und wenn mich nicht alles täuscht, dann gilt Chretien als Begründer dieser Art von Dichtung. Man kann also nicht sagen, er habe abgekupfert... Es kam von ihm. Irgendeine Idee muss er am Anfang gehabt haben. Die Unterstellung, die ich einmal gelesen habe, Marie de France habe eine Liebesgeschichte in Auftrag gegeben, weil sie selbst nah Liebe gehungert habe (wie ihre Mutter Eleanore) stellt mich da nicht zufrieden.

Die Artus-Legende ist nun mal keltischen Ursprungs. Egal, wie wenig historische Realität dahinter steckt- im Kern ist sie keltisch.

Ich war jetzt aktuell ganz überrascht, als ich bei meinen Recherchen für eine Führung auf -zugegeben winzige- keltische Spuren in der lokalen Tradition gestoßen bin- obwohl die Kelten die Gegend hier um 50 v. Chr. verlassen haben und jahrhundertelang keiner wußte, dass sie hier gewesen sind...

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08.06.2018, 19:50
Beitrag: #24
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
(08.06.2018 15:56)Bunbury schrieb:  Was ich für ganz uns gar unglaubwürdig halte- einfach aus meiner Erfahrung als Schriftstellerin und Autorin heraus- ist, dass sich jemand einfach so hinsetzt und sich aus dem nichts ein Thema ausdenkt, das derartig komplex ist. Das passiert nicht. Nicht mir, nicht meinen dichtenden und schriftstellernden Kollegen.
George R. R. Martin ?

(08.06.2018 15:56)Bunbury schrieb:  Die Artus-Legende ist nun mal keltischen Ursprungs. Egal, wie wenig historische Realität dahinter steckt- im Kern ist sie keltisch.

Selbstverständlich. Ich würde sogar meinen, die Artus- und die Tristan-Legende sind keltisch. Aber (m.M.) Lancelot, der Gral, Erec und Enite, Parzival, der Schwanenritter etc. nicht.
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09.06.2018, 20:24
Beitrag: #25
RE: King Arthur - das ungelöste Rätsel...
(08.06.2018 19:50)Aguyar schrieb:  
(08.06.2018 15:56)Bunbury schrieb:  Was ich für ganz uns gar unglaubwürdig halte- einfach aus meiner Erfahrung als Schriftstellerin und Autorin heraus- ist, dass sich jemand einfach so hinsetzt und sich aus dem nichts ein Thema ausdenkt, das derartig komplex ist. Das passiert nicht. Nicht mir, nicht meinen dichtenden und schriftstellernden Kollegen.
George R. R. Martin ?

Auch -oder gerade- Fantasy Autoren (ich meine jetzt doch den gleichen Autor wie du...) schreiben nicht ohne inneren Antrieb. Sie setzen ein inneres Erleben in Bilder um...

(08.06.2018 19:50)Aguyar schrieb:  
(08.06.2018 15:56)Bunbury schrieb:  Die Artus-Legende ist nun mal keltischen Ursprungs. Egal, wie wenig historische Realität dahinter steckt- im Kern ist sie keltisch.

Selbstverständlich. Ich würde sogar meinen, die Artus- und die Tristan-Legende sind keltisch. Aber (m.M.) Lancelot, der Gral, Erec und Enite, Parzival, der Schwanenritter etc. nicht.

Wenn du demnächst mal Zeit hast, würde ich gerne das eine oder andere mit dir im Detail disktutieren. Auch wenn es anders wirkt, mir geht es nicht darum recht zu haben, sondern tatsächlich um das Lernen (und mein eigentliches Interesse gilt nicht wirklich den Kelten , sondern dem, was davor da war...)
Ich finde beispielsweise die Gralsgeschichte insofern sehr interessant, dass hier der Held (Lancelot) den Gral nicht erreicht. Das ist ungewöhnlich, findest du nicht? Normalerweise geht es in solchen Geschichten immer um den einen, der ihn findet. Ob griechische oder sonstige Mythologie- es geht normalerweise immer um den, der ihn findet oder das Rätsel löst.
Und Lancelot kann nicht.
Stattdessen geht es auf seinen Sohn über, der das vollendet, was der Vater nicht beenden kann...
Das ist eine sehr, sehr ungewöhnliche Geschichte. Zumindest da, wo es nicht um Rache geht....

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