Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
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26.01.2020, 17:20
Beitrag: #1
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Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
In den 1990er-Jahren veröffentlichte eine junge, deutsche Autorin einen historischen Unterhaltungsroman über Alienor von Poitou (Aquitanien): "Die Löwin von Aquitanien", der (zumindest nach einer Sichtung der Rezensionen bei Amazon) noch immer gerne gelesen wird.
In diesem Roman ist Richard Löwenherz eindeutig homosexuell und zusätzlich noch in eine unglückliche Liebesbeziehung mit seinem Gegenspieler Philippe Auguste verstrickt. Dass die Quelle für diese Idee nicht ein seriöses historisches Fachbuch war, sondern das Theaterstück "Der Löwe im Winter" des amerikanischen Autors James Goldman (1927-1998) oder wohl eher dessen Verfilmung mit Katherine Hephurn und Peter O'Toole (Richard wurde übrigens in diesem Film vom damals noch jungen Anthony Hopkins gespielt, und König Philipp war Timothy Dalton) dürfte außer Frage stehen, zudem Tanja Kinkel in ihrem Nachwort auch angibt, dass der Film ihr als eine Inspirationsquelle gedient hat. Es ist übrigens nicht uninteressant, dass Tanja Kinkel in ihrem Nachwort sich dazu, dass Richard bei ihr homosexuell ist und den französischen König liebt, äußert. Zu diesem Zeitpunkt war sie noch der Meinung, dass Richards Homosexualität nicht historisch ist und sie ihn im Roman nur deshalb homosexuell sein lässt, weil das für den Roman eine spannenden Konstellation bietet. Aus dramaturgischen Aspekten ist ihre Überlegung für mich nachvollziehbar. Das Motiv, dass ein Herrscher in einen Gegenspieler, den er bekämpft und der seine Familie und ihn vernichten will, verliebt ist, bietet jedenfalls Konfliktpotential. Allerdings scheitert das Ganze in Kinkels Roman an der Umsetzung. Mit Blick auf die damalige Romanlandschaft ist allerdings recht interessant, dass Kinkels homosexueller Richard eine positive Figur war. Denn bis dahin waren homosexuelle Figuren im historischen Romanen (und auch in gewissen Filmen) fast immer Negativfiguren oder zumindest zweifelhafte Akteure gewesen. Eine negative Sicht auf König Richard war zwar vor den 1990er-Jahren bereits zu finden, aber eher vereinzelt (und mit angeblicher Homosexualität) hatte sie nie zu tun. Richard Harris zum Beispiel spielte im historischen Abenteuerfilm "Robin und Marian" (1976, mit Sean Connery und Audrey Hephurn) den alt gewordenen König als Psychopath, was aber durchaus zum Thema des Films passt. In Österreich hat sich in der Sage um den Sänger Blondel und die Burg Dürnstein ebenfalls eine Richardfigur erhalten, die eher negativ erscheint, denn die Gründe für seine Gefangensetzung und das Lösegeld, dass er für seine Freilassung zahlen muss, sind hier eine gerechtfertigte Rache dafür, dass Richard den Landesfürsten Leopold schwer beleidigt hat. In einem Jugendroman, den ich in meiner Schulzeit gelesen habe und der dieses Thema aufgreift, wird Richard als eingebildeter Wicht gezeigt, der noch sehr glimpflich davonkommt. Doch dürfte es sich dabei um Einzelfälle beziehungsweise um eine lokale Tradition handeln. Ob nun Richard tatsächlich ein Homosexueller war oder nicht, auffällig ist jedenfalls, dass in den Jahrhunderten zuvor (also vor dem Schauspiel "Der Löwe im Winter") offensichtlich nie in der Kunst jemand die Idee hatte, Richard als Homosexuellen zu zeigen, das auch nicht durch indirekte Hinweise. Entweder findet sich Richard in einer Rolle, in der seine sexuelle Ausrichtung unwichtig ist (zum Beispiel "der gute König" in den Robin Hood-Versionen oder im "Ivanhoe" von Walter Scott, wo er sich nach seiner heimlichen Rückkehr vom Dritten Kreuzzug noch als "schwarzer Ritter" noch eine "Abenteuer-Tour" gönnt. Im historischen Roman "Der Talisman" von Walter Scott (Anfang des 19. Jahrhunderts), der auf dem Dritten Kreuzzug spielt, ist Richard als frisch verheirateter Ehemann dargestellt, der in seine Ehefrau noch sehr verliebt ist. In der Barockoper von Georg Friedrich Händel ist er ebenfalls in seine Verlobte verliebt und ein Mann zwischen zwei Frauen. In der "Rettungsoper" von Modest Grétry hat er eine fiktive Geliebte, nach der er sich auf einer Burg bei Linz sehnt. Für mich stellt sich die Frage, warum die Vorstellung eines homosexuellen Richards inzwischen längst von den meisten für einen Fakt gehalten wird, obwohl es dafür keine eindeutigen Belege gibt und die Indizien, die auf eine solche Sicht hin angeführt werden, auch ganz andere Interpretationen zu lassen. Die Frage erscheint mir insofern auch interessant, als Richard nicht der einzige Herrscher ist, dem seit dem 21. Jahrhundert Homosexualität unterstellt wird. (Um eines aber klarzustellen, Homosexualität ist leider nicht immer sehr heikles Thema: Ich habe auch keine Probleme damit, wenn Richard oder auch andere Herrscher in Wirklichkeit tatsächlich Homosexuelle waren, das ist ihre private Angelegenheit, mir geht es nur um die Frage, warum der "homosexuelle Herrscher" inzwischen sozusagen eine Modeerscheinung ist. ---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten. Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten. Josephine Tey, Alibi für einen König |
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26.01.2020, 20:44
Beitrag: #2
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Ich denke, dass ist dem Zeitgeist geschuldet und eine der vielen Facetten, die ein Bild von Richard projizieren, das die historische Persönlichkeit überdeckt. Bei den ganzen Robin-Hood-Geschichten wird Richard als sozial gerechter Herrscher dargestellt, andere Darstellungen weisen ihn die Rolle eines "nationalen" englischen König zu und seit ca. 1970 wird er als Homosexueller dargestellt bzw. von Homosexuellen instrumentalisiert. Fakt ist sicher, da Richard möglicherweise der bekannteste englische König des Mittelalters ist, wird seine Person eben auch unterschiedlich und vielfältig interpretiert. Und es wird schwer, die historische Person hinter dem vorgefertigten Bild zu erkennen.
"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero |
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27.01.2020, 16:51
Beitrag: #3
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(26.01.2020 17:20)Teresa C. schrieb: Eine negative Sicht auf König Richard war zwar vor den 1990er-Jahren bereits zu finden, aber eher vereinzelt (und mit angeblicher Homosexualität) hatte sie nie zu tun. Die These, dass Richard Löwenherz schwul war, stützt sich auf den Umstand, dass er sich 1191 im Rahmen einer Bussübung auf Sizilien zum Mindesten ansatzweise selbst der Sodomie angeklagt hatte. Im Mittelalter hatte "Sodomie" nicht die heutige Bedeutung sondern meinte lediglich gleichgeschlechtige Sexualität. 1195 wurde er - hier ist die Quellenlage dürftiger und unklarer alls 1190/1191 - ebenfalls mit dem Vorwurf der Sodomie konfrontiert resp. es wurde ihm von einem Einsiedler empfohlen, diese sein zu lassen. Was dagegen spricht, ist, dass Richard offenbar auch Frauen vergewaltigt hatte. Zudem besass er einen ausserehelichen Sohn (Philipp von Congnac). Ich persönlich bin der Meinung, dass er bisexuell war. Die These einer möglichen Homosexualität von Löwenherz ist keine Erfindung oder Mode des 21. Jahrhunderts und wurde (vor allem von französischen Historikern) bereits lange vor 1990 (z.B. Régine Pernoud, https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%A9gine_Pernoud) diskutiert. Der erste, der die These aufstellte, war John Harvey (https://en.wikipedia.org/wiki/John_Harvey_(historian)) im Jahr 1948: Ein Bashing der Historiker des 21. Jahrhunderts schiesst zum Mindesten bei diesem Beispiel daneben. |
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27.01.2020, 21:40
Beitrag: #4
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Hi Aguyar, zunächst einmal danke für diese ganzen Mitteilungen zu Richard. Sie sind für mich persönlich sehr interessant, da mir zum Teil genau dieselben Argumente bzw. sehr ähnliche Argumente bei zwei anderen Herrschern bereits untergekommen sind, die beide ebenfalls zu Homosexuellen erklärt wurden beziehungsweise als solche verdächtigt werden. Das bedeutet doch, dass unsere lieben Forscherinnen und Forscher inzwischen bereits eine Stereotype für den der Homosexualität verdächtigen Herrscher geschaffen haben.
Nun aber kurz doch zu Deinen Argumenten. (27.01.2020 16:51)Aguyar schrieb: Die These, dass Richard Löwenherz schwul war, stützt sich auf den Umstand, dass er sich 1191 im Rahmen einer Bussübung auf Sizilien zum Mindesten ansatzweise selbst der Sodomie angeklagt hatte. Im Mittelalter hatte "Sodomie" nicht die heutige Bedeutung sondern meinte lediglich gleichgeschlechtige Sexualität. Interessant ist, dass ich in einigen Fachbüchern wieder gelesen habe, das Sodomie mehrere Bedeutungen hatte. Daneben aber hätte ich da eine Frage. Ist diese Bußübung urkundlich belegt oder handelt es sich dabei um die Information eines Chronisten, Annalisten oder eines Briefschreibers. Stammt sie von einem Zeitgenossen oder jemanden, der später gelebt hat. Könnte der Übermittler ein Augenzeuge gewese sein? Wo ist er geographisch anzusiedeln und in welchen politischen Umfeld ist er zu finden? (27.01.2020 16:51)Aguyar schrieb: 1195 wurde er - hier ist die Quellenlage dürftiger und unklarer alls 1190/1191 - ebenfalls mit dem Vorwurf der Sodomie konfrontiert resp. es wurde ihm von einem Einsiedler empfohlen, diese sein zu lassen.Auch würden mich sehr interessieren, auf welchen Quellen diese Information aufbaut und wie die übermittelten Personen einzuordnen sind. (27.01.2020 16:51)Aguyar schrieb: Was dagegen spricht, ist, dass Richard offenbar auch Frauen vergewaltigt hatte. Zudem besass er einen ausserehelichen Sohn (Philipp von Congnac).Ist gesichert, dass es sich dabei tatsächlich um Vergewaltigungen handelte und in welchem Kontext wird davon berichtet? Daneben wäre für mich wieder interessant, auf welchen Quellen diese Vergewaltigungen zurückgehen und auch wieder wie die übermittelten Personen einzuordnen sind? (27.01.2020 16:51)Aguyar schrieb: Die These einer möglichen Homosexualität von Löwenherz ist keine Erfindung oder Mode des 21. Jahrhunderts und wurde (vor allem von französischen Historikern) bereits lange vor 1990 (z.B. Régine Pernoud, https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%A9gine_Pernoud) diskutiert. Der erste, der die These aufstellte, war John Harvey (https://en.wikipedia.org/wiki/John_Harvey_(historian)) im Jahr 1948. Wenn John Harvey der Erste war, der diese These 1948 aufgestellt hat, so handelte es sich bei der Theorie, das Richard homosexuell war, jedenfalls um eine Idee, die erstmals als solche im 20. Jahrhundert aufgestellt wurde. Das deckt sich mit meinem eigenen Eindruck, dass diese Sicht vor 1945 offensichtlich nicht einmal zwischen den Zeilen zu finden war. Auch Régine Pernoud publizierte ihre Bücher erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihr Buch über Richard wurde erst 1988 publiziert (wenn die Information diesbezüglich auf Wikipedia stimmt), auf Deutsch kam es erst Anfang der 1990er-Jahre heraus, also zu jener Zeit als Tanja Kinkel ihre ersten Romane veröffentlichte. Der Film "Der Löwe im Winter" wurde bereits in den 1960er-Jahren gedreht, "Robin und Marian" ist Mitte der 1970er-Jahre entstanden. (Im Letzteren ist Richard allerdings nur geistesgestört und nicht schwul, was in diesem Kontext, anders als zum Beispiel im "Löwen" für die Handlung selbst auch nicht notwendig ist.) ---------------------------
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27.01.2020, 22:19
Beitrag: #5
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Es ist richtig, dass im Mittelalter der Begriff "Sodomie" nicht die gleiche Bedeutung hatte wie heute. Unter Sodomie verstand man im Mittelalter alle Sexualpraktiken, die nicht der Fortpflanzung dienten. Dazu wurden nicht nur gleichgeschlechtliche Sexualität zwischen Männern gezählt, sondern allgemein Analverkehr, auch zwischen Mann und Frau - und wahrscheinlich alle anderen Praktiken, außer die sogenannte Missionarsstellung. Des Weiteren wurde unter Sodomie auch der Sex mit Tieren verstanden, also im Sinne der heutigen Bedeutung im Deutschen.
Regine Pernoud beschreibt in "Königin der Troubadore - Eleonore von Aquitanien" nur, dass Richard sich selbst "widernatürlicher Sünden" bezichtigte und dass der Eremit ihm 1195 riet: "Erinnere Dich an den Fall Sodom, halte Dich fern von dem, was verboten ist, sonst wird der Herr eine gerechte Rache an Dir nehmen." Das kann, muss aber nicht zwingend ein Hinweis auf Richards Homosexualität sein. Regine Pernoud führt nur die Überlieferung an, sie spekuliert nicht darüber, ob Richard homosexuell war oder nicht. Ähnliches führt auch John Gillingham in "Richard Löwenherz - Eine Biografie" an. Er weist daraufhin, dass der Eremit ihn aufforderte, unerlaubten Geschlechtsverkehr zu vermeiden und stattdessen mit seiner Gattin zu schlafen, die von Richard offenkundig vernachlässigt wurde. Diese Berengaria von Navarra wird von ihren Zeitgenossen als "Eine Dame von Schönheit und gutem Verstande, eher klug als anziehend" beschrieben. Die Meinung, dass Richard ein Homosexueller war, wurde zum ersten Mal 1948 geäußert. Walter of Guisborough († um 1346), der eine Geschichte Englands von 1066 bis 1345 verfasste, schrieb, dass Richard noch auf seinem Totenbett nach Frauen verlangte und seinem Arzt zum Trotz, auch einige zu sich bringen ließ. Walter nutzte als Quelle die "Geschichte England" von William of Newburgh, die sich mit der Geschichte von 1066 bis 1198 beschäftigte. Mir ist klar, dass Richard erst 1199 starb, somit strenggenommen sein Tod nicht in diesem Werk behandelt wurde, aber möglicherweise hat William dies als Abschluss zu seinem Werk geschrieben. Habe leider keinen Zugang zu Primärquellen. Fakt ist, dass beide Chronisten, der eine in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, der andere um 1200 lebend keine Hinweise zu Richards Homosexualität geben. Außerdem ist überliefert, dass der Dominikanermönch, Prediger und Inquisitor Stephan/Etienne von Bourbon († 1261) über Richard folgende Legende verbreitete: Richard hatte ein heftiges Verlangen nach einer jungen Nonne der Abtei von Fontevraud. Er drohte schließlich, die Abtei niederzubrennen, falls ihm nicht die Nonne ausgeliefert würde. Um dieses Unheil abzuwenden, wollte die Nonne von Richard wissen, was es sei, das ihn so sehr anziehe? Er ließ ihr ausrichten, dass es ihre schönen Augen seien. Daraufhin schnitt sie mit einem Messer ihre Augen heraus und sagte: "Schickt dem König, was er so begehrt." Auch wenn dies nur eine Legende ist, zeigt es doch deutlich, dass im 13. und 14. Jahrhundert nie der Verdacht bestand, das Richard ein Homosexueller war. Letztlich werden wir es nicht eindeutig be- oder widerlegen können und es ist auch nicht wichtig, welche sexuellen Neigungen Richard hatte. Der Sachverhalt, dass die Ehe zwischen Richard und Berengaria kinderlos blieb, ist historisch gesehen schon bedeutender. Richard baute als Nachfolger seinen Neffen, den Welfen Otto von Braunschweig (später Kaiser Otto IV.) auf. Dazu zählt die Übertragung des Herzogtums Aquitanien auf Otto. Doch nachdem Kaiser Heinrich VI. starb, unterstützte Richard seinen Neffen bei der Wahl zum deutschen König. Da Otto nun vollständig in die Reichsangelegenheiten eingebunden war, stand Richard seit 1198 ohne Nachfolger da. Ein anderer Neffe - Arthur von Bretagne - war 1198 erst 12 Jahre und zum Zeitpunkt von Richards Tod minderjährig. Ein weiteres Problem war, dass Arthur am Hofe von Philipp II. von Frankreich erzogen wurde. D.h. Richard hatte keinen Einfluss auf Arthur. Deswegen ist es für die englische und französische Geschichte viel nachhaltiger, dass Richard bei dieser schlechten Nachfolgeregelung sich auf riskante Feldzüge einließ. So konnte sich 1199 sein Bruder John als Nachfolger durchsetzen. "Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero |
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28.01.2020, 13:30
Beitrag: #6
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(27.01.2020 22:19)Sansavoir schrieb: Es ist richtig, dass im Mittelalter der Begriff "Sodomie" nicht die gleiche Bedeutung hatte wie heute. Unter Sodomie verstand man im Mittelalter alle Sexualpraktiken, die nicht der Fortpflanzung dienten. Dazu wurden nicht nur gleichgeschlechtliche Sexualität zwischen Männern gezählt, sondern allgemein Analverkehr, auch zwischen Mann und Frau - und wahrscheinlich alle anderen Praktiken, außer die sogenannte Missionarsstellung. Des Weiteren wurde unter Sodomie auch der Sex mit Tieren verstanden, also im Sinne der heutigen Bedeutung im Deutschen.Da hast Du recht - sofern Du dich auf die kirchliche Defintion berschränkts. In der Berner Chronik des Diebold Schilling wird ein Fall von Sodomie aus Zürich beschrieben, in welchem der Ritter von Hohenberg mit seinem Knecht verurteilt und in einem Kessel gesotten wird. In der weltlichen Jusiz des Mittelalters wurde auschliesslich gleichgeschlechtliche Sexualität als Sodomie bezeichnet - ansonsten galt Sex welcher nicht der Fortpflanzung diente meist nicht als solcher resp. wurde lediglich durch den Bussenkatalog der Kirche geahndet. Die weltliche Justiz war daran nicht interssiert. Sex mit Tieren war offenbar nicht verboten - mir ist jedenfalls keine Verurteilung durch ein weltliches Gericht bekannt. Ansonsten war natürlich auch der Sex mit dem Teufel verboten, dies galt aber nicht als Sodomie sondern als mit Zauberei verbundene Ketzerei. (27.01.2020 22:19)Sansavoir schrieb: Regine Pernoud beschreibt in "Königin der Troubadore - Eleonore von Aquitanien" nur, dass Richard sich selbst "widernatürlicher Sünden" bezichtigte und dass der Eremit ihm 1195 riet: "Erinnere Dich an den Fall Sodom, halte Dich fern von dem, was verboten ist, sonst wird der Herr eine gerechte Rache an Dir nehmen." Das kann, muss aber nicht zwingend ein Hinweis auf Richards Homosexualität sein. Regine Pernoud führt nur die Überlieferung an, sie spekuliert nicht darüber, ob Richard homosexuell war oder nicht.Ich habe das Buch noch irgendwo (muss ich allerdings suchen). Ich müsste mal nachschauen, ob dort die Primärquelle angegeben wird - Richards diesbezügliche Bezichtigung stammt jedenfalls aus dem Jahr 1190/1191 in Messina. Was die Diskussion angeht, beziehe ich mich nicht auf Pernouds Buch sondern auf Beiträge, die ich in den frühen 80er gelesen hatte (auf französisch). Ich meine mich erinnern zu können, dass nicht nur Pernoud sondern u.a. auch Jacques le Gof beteiligt waren. (27.01.2020 22:19)Sansavoir schrieb: Die Meinung, dass Richard ein Homosexueller war, wurde zum ersten Mal 1948 geäußert.John Harvey (27.01.2020 22:19)Sansavoir schrieb: Walter of Guisborough († um 1346), der eine Geschichte Englands von 1066 bis 1345 verfasste, schrieb, dass Richard noch auf seinem Totenbett nach Frauen verlangte und seinem Arzt zum Trotz, auch einige zu sich bringen ließ. Walter nutzte als Quelle die "Geschichte England" von William of Newburgh, die sich mit der Geschichte von 1066 bis 1198 beschäftigte. Mir ist klar, dass Richard erst 1199 starb, somit strenggenommen sein Tod nicht in diesem Werk behandelt wurde, aber möglicherweise hat William dies als Abschluss zu seinem Werk geschrieben. Habe leider keinen Zugang zu Primärquellen. Fakt ist, dass beide Chronisten, der eine in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, der andere um 1200 lebend keine Hinweise zu Richards Homosexualität geben.Den Hinweis hat Richard mit den "wiedernatürlichen Sünden" selbst geliefert. Wie gesagt, ich halte ihn für bisexuell. (27.01.2020 22:19)Sansavoir schrieb: Auch wenn dies nur eine Legende ist, zeigt es doch deutlich, dass im 13. und 14. Jahrhundert nie der Verdacht bestand, das Richard ein Homosexueller war. Letztlich werden wir es nicht eindeutig be- oder widerlegen können und es ist auch nicht wichtig, welche sexuellen Neigungen Richard hatte.Wichtig ist es sogar in zweierlei Hinsicht nicht. Abgesehen von der klerikalen Sicht war es für die weltlichen Zeitgenossen Richards - wenn der Verdacht bestanden hätte - längst nicht so relevant, wie es für nachfolgende "nachmittelalterliche" Epochen gewesen wäre. Im Spätmittelalter beispielsweise muss Florenz eine wahre Hochburg gewesen sein - so dass man in einigen deutschsprachigen Regionen schwule Sexualpraktiken mit "florenzen" bezeichnete. Und für die Kirche war, wie Du bemerkt hast, nicht so sehr gleichgeschlechtlicher Sex wie vielmehr überhaupt Sex der nicht der Fortpflanzung diente verwerflich. |
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28.01.2020, 19:56
Beitrag: #7
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(28.01.2020 13:30)Aguyar schrieb: Da hast Du recht - sofern Du dich auf die kirchliche Defintion berschränkts. In der Berner Chronik des Diebold Schilling wird ein Fall von Sodomie aus Zürich beschrieben, in welchem der Ritter von Hohenberg mit seinem Knecht verurteilt und in einem Kessel gesotten wird. Richard lebte allerdings im 12. Jahrhundert, dem sogenannten Hochmittelalter, Diebold Schilling dagegen im 15. Jahrhundert, dem sogenannten Spätmittelalter. Wäre es nicht naheliegend, dass sich zur Zeit von Diebold Schilling in Bezug auf Sodomie längst eine andere Sicht ausgebildet hatte, oder dass diese Einschränkung von Sodomie durch eine weltliche Justiz erst im Spätmittelalter zu finden ist. Daneben wäre auch zu überlegen, dass die für die mögliche Homosexualität hier entscheidende Berichterstattung zu Richard offensichtlich außer des Reiches zu finden ist. Offensichtlich ist für die heutige Forschung, die davon ausgeht, dass Richard homo- oder bisexuell war, der entscheidende Punkt ihrer Argumentation die Selbstbezichtigung beziehungsweise Beschuldigung der Sodomie. Daher ist vielleicht auch die Möglichkeit zu bedenken, ob Sodomie im Deutschen Reich oder in der Reichslandschaft Schwaben (wo sich damals die heutige Schweiz befand) wesentlich strikter und ein engender gesehen und behandelt wurde, als in dem Umfeld, wo Richard Zudem Jahrhunderte früher agierte). In diesem Zusammenhang ist auch nicht uninteressant, dass für den Schauprozess, mit dem Heinrich VI. versuchte, Richards Gefangennahme zu rechtfertigen und der für Heinrich VI. eindeutig schief ging, eine solche Beschuldigung nicht überliefert ist, obwohl sie einen zumindest ganz brauchbaren "Nebenanklagepunkt" geboten hätte. (27.01.2020 22:19)Sansavoir schrieb: Den Hinweis hat Richard mit den "wiedernatürlichen Sünden" selbst geliefert. Das ist nicht so sicher, genauso gut könnte die Überlieferung das über Richard erfunden haben. Ebenso gut ist vorstellbar, dass ein Richard negativ gesinnter Chronist, Richard nicht einfach etwas unterstellt hat, um ihn zu diffamieren, sondern das Ganze dadurch, dass Richard selbst diese diffamierende Bemerkung sagen lässt, noch verschärft hat. (Beim Lesen mehrere Chroniken und deren Vergleich ist zumindest auffällig, wie sehr sich manche Motive und Kontexte ähneln, so dass es plausibel scheint, dass es damals bereits Erzählcodes gegeben haben dürfte. Hinzu kommt noch, dass Richard offensichtlich nicht nur von seinen Zeitgenossen verehrt und gepriesen wurde. In Sizilien, wo sich die Geschichte um diese Selbstbezichtigung abgespielt haben soll, dürfte sich Richard bei seinem einzigen Besuch nicht gerade beliebt gemacht haben. Immerhin kam der Besuch dem Königreich teuer zu stehen, denn sie mussten Richard die Mitgift beziehungsweise das Wittum seiner verwitweten Schwester Johanna auszahlen. ---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten. Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten. Josephine Tey, Alibi für einen König |
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28.01.2020, 20:38
Beitrag: #8
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Zitat Aguyar
Zitat:In der Berner Chronik des Diebold Schilling wird ein Fall von Sodomie aus Zürich beschrieben, in welchem der Ritter von Hohenberg mit seinem Knecht verurteilt und in einem Kessel gesotten wird. der Name Hohenberg klingelt bei mir. Meine Heimatstadt wurde von den Grafen von Hohenberg gegründet, der letzte Graf hatte seinen Sitz ebenfalls in meiner Vaterstadt. König Rudolf von Habsburg war mit einer Hohenberger Gräfin verheiratet. Für die Frau und die Kinder des Franz Ferdinand hat Habsburg den Namen Hohenberg wiederbelebt. Aber diese mittelalterlichen Hohenberger waren Grafen, Seitenlinie der Zollern, gab es da auch Ritter? "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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28.01.2020, 20:50
Beitrag: #9
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Jetzt habe ich da mal ein bisschen gegoogelet
es scheint mir genau in der Zeit aber tatsächlich zum Kriminalfall zu werden. Den Templern wird Sodomie vorgeworfen und den Muslimen auch. So ohne muss da eine Selbstbezichtigung gar nicht gewesen sein. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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30.01.2020, 21:03
Beitrag: #10
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Gibt es eigentlich außer der Chronik (und Werken, die auf ihr aufbauen) noch Quellen, die auf das Schicksal dieses Ritters von Hohenberg Bezug nehmen. Ist eine ritterbürtige oder kleinadlige Familie von Hohenberg in Zürich belegt?
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31.01.2020, 20:29
Beitrag: #11
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(28.01.2020 19:56)Teresa C. schrieb: Das ist nicht so sicher, genauso gut könnte die Überlieferung das über Richard erfunden haben. Ebenso gut ist vorstellbar, dass ein Richard negativ gesinnter Chronist, Richard nicht einfach etwas unterstellt hat, um ihn zu diffamieren, sondern das Ganze dadurch, dass Richard selbst diese diffamierende Bemerkung sagen lässt, noch verschärft hat. (Beim Lesen mehrere Chroniken und deren Vergleich ist zumindest auffällig, wie sehr sich manche Motive und Kontexte ähneln, so dass es plausibel scheint, dass es damals bereits Erzählcodes gegeben haben dürfte. Gemäss Régine Pernoud hat Richard in Messina eine öffentliche Beichte abgelegt und um Verzeihung für "widernatürliche Sünden" (also nicht nur für Sünden) abgelegt. Ein Kaplan Renaud de Mayac soll die Beichte abgenommen haben. Fünf Jahre später soll Richard, anlässlich einer Erkrankung und nach dem Mahnung des erwähnten Eremiten, nochmals eine öffentliche Beichte mit derselben Selbstbezichtigung abgelegt haben. Leider macht Pernoud keine Quellenangaben resp. in dem mir vorliegenden Taschenbuch gibt es keine. Es ist mir eigentlich gleichgültig, wie glaubwürdig diese Überlieferung ist, mir ging es primär darum, dass eine mögliche Homosexualität Richards eben schon in den 70er und 80er in der (seriösen) Forschung diskutiert wurde und diese nicht lediglich eine dramaturgische Idee des 21. Jahrhunderts ist. Und als Basis dieser These dienten - zum Mindesten in Form von Indizien - eben diese beiden öffentlichen Beichten Richards und nicht irgendwelche, dem Zeitgeist geschuldeten Spekulationen ohne Grundlagen. Der wissenschaftlichen historischen Forschung geht es - meiner Meinung auch noch heute - lediglich um die Aufklärung von Fakten und Zusammenhänge (und im "Minimalfall" zum Mindesten auf schlüssige Indizien beruhende Interpretationen) und sicher nicht um Werturteile oder Diffamierungen - aber eben auch nicht um nationalistische Verklärungen und Mythenbildungen. |
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31.01.2020, 20:45
Beitrag: #12
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Es hat sich da scheints ein Schreibfehler reingezogen.
Nicht "Hohenberg" sondern "Hohenburg" hieß der "gesottene" Ritter Zitat:Die Abwahl Gödlis scheint gewichtige Hintergründe gehabt zu haben, die Waldmann letztendlich zu weiterer Popularität verhalfen: Ritter Richard von Hohenburg flüchtete im Jahr 1482 wegen sexueller Vergehen aus dem Elsass, erwarb das Bürgerrecht der Stadt Zürich und fand mit Göldli und Waldmann Gönner. Hohenburgs Asyl in der Stadt führte zu ernsthaften Spannungen mit dem Bischof von Strassburg, der die Auslieferung Hohenburgs nötigenfalls mit Gewalt (Fehde) verlangte. Als ein Rechtsverfahren die Schuld des Ritters bewies, liess ihn Waldmann als Oberstzunftmeister nach einem Gerichtsverfahren wegen Sodomie zum Tod durch Verbrennen verurteilen. Göldli hingegen scheint seine anhaltende Freundschaft zu Hohenburg zum Verhängnis geworden zu sein und führte vermutlich zur Abwahl als Bürgermeister und das ganze ist anscheinend zum Politikum in Zürich geworden "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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31.01.2020, 21:55
Beitrag: #13
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(28.01.2020 20:38)Suebe schrieb: Zitat Aguyar Die jüngeren Söhne von klein- und mitteladligen Geschlechtern welche im Erbe leer ausgingen, waren oftmals "nur" Ritter. Bestes Beispiel dafür ist der auch von Zeitgenossen als "grösster aller Ritter" bezeichnete Guillaume le Maréchal / oder William Marshall (wenn wir schon in der Zeit von Löwenherz sind). Ansonsten waren aber auch Grafen oder Herzöge meistens ebenfalls Ritter d.h. hatten den Ritterschlag erhalten. Der Ritterschlag war ein Element, welcher Hoch- und Kleinadel verband. Ob es sich bei dem im Kessel gesottenen Hohbenberg um einen Vertreter der Hohenbergs aus der Seitenlinie der Zollern/Hohenzollern handelt, geht aus Schillings Chronik nicht hervor. "Hohenberg" ist zudem ein Name, der auch nicht unbedingt Seltenheitswert besitzt - als Name nach einer Stammburg dürfte er jedenfalls häufiger vorgekommen sein. Andererseits ist die Reichsstadt Zürich jetzt auch nicht so weit vom regionalen Aktionsradius der Familie entfernt. Gemäss meiner von mir zusammengebastelten Genealogien war der letzte Graf von Hohbenberg, der auch aus der gleichnamigen Zollern-Seitenlinie stammte, der um 1389 gestorbene Rudolf III, Graf von Hohenberg und Herr von Rottenburg. Dieser Rudolf hatte die Grafschaft Hohenberg an Habsburg verkauft und war mit einer Ita von Toggenburg verheiratet. Diese Ita wiederum stammte aus dem Geschlecht der Grafen von Toggenburg, welche wiederum verschiedene Bündnisse mit Zürich eingegangen waren. Ein (entfernter) Vetter von Rudolf III, Otto II, war ebenfalls Graf, und zwar Graf von Nagold. Und wie sein Vetter hatte auch Otto II seine Grafschaft verkauft, an Württemberg. Otto II war in erster Ehe mit einer Kunigunde von Wertheim und in zweiter mit einer Irmgard von Werdenberg verheiratet. Diese Irmgard entstammte dem Freiherrengeschlecht von Werdenberg, welches im Rheintal, Voralberg und Graubründen begütert war. Auch die Freiherren hatten Beziehungen zu Zürich. Einen Stammbaum der Hohenbergs resp. der Seitenlinie von Zollern mit einigen zeitgenössischen Quellen findest Du hier: https://fmg.ac/Projects/MedLands/WURTTEM...c514509826 Der in Diebolds Schilling Chronik geschilderte Fall war ein zeitgenössisches Ereignis. Bei dem Hohenberg welcher in Zürich verurteilt wurde, handelt es sich um einen Ritter Richard Puller von Hohenberg - also vermutlich war dieser kein Abkömmling der Zollern-Seitenlinie. Der Ritter wurde 1482 zusammen mit seinem jungen Knecht Anton Mätzler auf Drängen des Söldnerführers und späteren Bürgermeisters von Zürich, Hans Waldmann, hingerichtet, wobei allerdings ein politischer Hintergrund vermutet werden darf. Auszug aus dem Protokoll der "peinlichen Befragung": "So hab er Anthonyn Mätzler, der sin knecht gewese sie ... verheisen und zugesagt, das er im gnüg geben und ... das er in nit verläsen und halten welle, als ob er sin kin were ... das er in ghyen läse (dass er mit geschlechtlich verkehre) ... und demnach er denselben Anthony ghyt hab in des Mosers badstuben (wo denn sonst ?), als vil und dick (häufig) er das an denselben Anthony begert habe ... Und das der Anthony dem Richard treffelich lieb gewesen sei." |
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31.01.2020, 22:09
Beitrag: #14
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
[quote='Suebe' pid='67877' dateline='1580496345']
Es hat sich da scheints ein Schreibfehler reingezogen. Nicht "Hohenberg" sondern "Hohenburg" hieß der "gesottene" Ritter [quote] Kein Schreibfehler. "Burg" und "Berg" tauchen in mittelalterlichen Quellen - nicht nur in diesem Fall - sehr oft für denselben Namen synonym auf. PS. Da haben wir die Beiträge offenbar gleichzeitig geschrieben. |
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31.01.2020, 22:19
Beitrag: #15
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller? | |||
01.02.2020, 02:03
Beitrag: #16
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Zunächst einmal ist Hohenberg / Hohenburg als Burgname relativ häufig belegt. Wenn dieser Ritter Puller aus dem damaligen oder heutigen Elsass nach Zürich geflüchtet war, wäre es sogar naheliegend eine Burg oder einen Ort Hohenberg (oder auch Hohenburg) als erstes dort zu suchen.
Da sich eine einheitliche Schreibform erst im 20. Jahrhundert durchgesetzt hat und sich zudem bis ins 19. Jahrhundert beobachten lässt, dass die Namen durchaus Veränderungen erfahren, kann es schon sein, dass es letztlich gleich ist, ob jemand Hohenberg oder Hohenburg schreibt. Ich allerdings finde schon, dass darauf zu achten ist, ob in historischen Quellen (Dokumenten etc.) beide Schreibweisen aufscheinen oder nur eine bestimmte Schreibweise. Die Möglichkeit, dass es sich bei zwei verschiedenen Schreibformen wie eben Hohenberg oder Hohenburg doch um verschiedene Orte, Burgen oder Familien handelt, würde ich allerdings auch nicht sofort ausschließen. Ein weiteres Problem ist, dass Orte, Höfe, Sitze, Burgen etc. verliehen und verpfändet, aber auch zur "Pflege" vergeben wurden. Jedenfalls habe ich bei meinen Forschungen mehrmals beobachten dürfen, dass sich zum Beispiel nicht nur Lehensträger, sondern auch Pfandinhaber und auch Burgpfleger sich zum Beispiel nach einer Burg benannten, mit deren Pflege sie betreut waren. Ein Ritter Puller könnte sich durchaus auch nach einer Burg benannt haben, die er nur zur "Pflege" hatte, und offensichtlich war es zwar üblich, aber keineswegs zwingend notwendig, sich nach "Verlust" dieser Burg nicht mehr nach ihr zu benennen. Wenn jemand seinen Wohnort wechselte, konnte das auch einen Namenswechsel zur Folge haben. ------------------------ Im Zusammenhang mit dem Adelsgeschlecht von Sickingen wird auf Wikipedia eine Margarethe Puller von Hohenburg (um 1466) erwähnt, die auf dem Wikipedia-Artikel Hohenburg im Elsass verlinkt ist. Siehe den folgenden Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Hohenburg_(Elsass). Nach dem Artikel hatten die Puller von Hohenburg im 13. und 14. Jahrhundert ständig Konflikte mit den Pfalzgrafen. Offensichtlich waren es Friedrich der Siegreiche und Philipp der Aufrechte, die den Ritter von Hohenburg zum Exil in Zürich nötigten. Natürlich ist bei Wikipedia stets eine gewisse Vorsicht angebracht, aber wäre zumindest durchaus schlüssig, dass der in Zürich hingerichtete Ritter von Hohenburg wirklich von dort und nicht aus der Grafschaft Hohenberg ist. (Übrigens auch im österreichischen Bundesland Niederösterreich gibt es zum Beispiel heute eine Burgruine Hohenberg, die aber ihre eigene Geschichte hat und offensichtlich auch keinen wirklichen Bezug zur Grafschaft Hohenberg.) ---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten. Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten. Josephine Tey, Alibi für einen König |
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01.02.2020, 02:18
Beitrag: #17
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Ein Lesetipp zu diesem Ritter Richard Puller von Hohenburg:
Christine Reinle: Konflikte und Konfliktstrategien eines elsässischen Adligen. Der Fall des Richard Puller von Hohenburg (†1482). In: Kurt Andermann (Hrsg.): "Raubritter" oder "Rechtschaffene vom Adel"? Aspekte von Politik, Friede und Recht im späten Mittelalter (= Oberrheinische Studien / 14). Sigmaringen, 1997, S. 89-113 (Bei dem von Andermann herausgegeben Fachbücher über Raubritter und Fehde, wo der Essay von Reinle publiziert wurde, handelt sich um eine wissenschaftliche Essay-Sammlung, die ich als Ganzes recht lesenswert finde und der ich eine ganze Menge geschichtlicher Erkenntnisse verdanke, dies allerdings nicht nur zum Thema Raubritter oder Fehde.) ---------------------------
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01.02.2020, 13:10
Beitrag: #18
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(31.01.2020 20:29)Aguyar schrieb: ...Der wissenschaftlichen historischen Forschung geht es - meiner Meinung auch noch heute - lediglich um die Aufklärung von Fakten und Zusammenhänge (und im "Minimalfall" zum Mindesten auf schlüssige Indizien beruhende Interpretationen) und sicher nicht um Werturteile oder Diffamierungen - aber eben auch nicht um nationalistische Verklärungen und Mythenbildungen. Vielleicht ist das in der Schweiz der Fall - mein Eindruck ist, dass hier zurzeit mehrere, durchaus widersprüchliche Tendenzen in Bezug auf Geschichtsforschung sich beobachten lassen. In jenen Teil des deutschen Sprachraums, der heute zur EU zählen, ist die Forschung der öffentlichen Einrichtungen jedenfalls längst wieder auf das Level im 19. Jahrhundert zurückgekehrt, auch wenn sie das durch ein reichlicheres Angebot an Quellen und eine im Vergleich zu damals großartige Vernetzung zu kaschieren versucht. Nationalistische Verklärungen und Mythenbildung sind zwar offiziell verpönt, dafür wird die Geschichtsforschung jetzt ideologisch von wirtschaftlichen Interessen und einem der EU genehmen Nationalismus bestimmt, und bei den Wertvorstellungen lässt sich deutlich eine Kluft zwischen dem, was verpönt ist und dessen Weiterführung "unter der Hand" feststellen. ---------------------------
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01.02.2020, 13:22
Beitrag: #19
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(27.01.2020 22:19)Sansavoir schrieb: Der Sachverhalt, dass die Ehe zwischen Richard und Berengaria kinderlos blieb, ist historisch gesehen schon bedeutender. Richard baute als Nachfolger seinen Neffen, den Welfen Otto von Braunschweig (später Kaiser Otto IV.) auf. Dazu zählt die Übertragung des Herzogtums Aquitanien auf Otto. Doch nachdem Kaiser Heinrich VI. starb, unterstützte Richard seinen Neffen bei der Wahl zum deutschen König. Da Otto nun vollständig in die Reichsangelegenheiten eingebunden war, stand Richard seit 1198 ohne Nachfolger da. Was die riskanten Feldzüge betrifft - war es wirklich notwendig (mit Blick auf die damaligen Umstände), dass Richard sie führen musste? In den Büchern, die mir vorliegen, finden sich zumindest zwei Theorien, mit denen ihre Führung als notwendig begründet wird: - Wäre Richard, wie geplant um 1293 heimgekehrt, hätte er ein intaktes Reich vorgefunden. Die Gefangenschaft jedoch hatte zur Folge, dass Richards Herrschaft durch den französischen König schwere Beeinträchtigungen erlitt und er den Rest seines Lebens mit der Behebung der Schäden beschäftigt war, weswegen er sie führen musste. - Das "Angevinische Reich" war ein fragiles Gebilde, zu dessen Erhalt und Festigung diese Feldzüge nötig waren, was Richards Ziele waren. ---------------------------
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01.02.2020, 13:30
Beitrag: #20
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Was das ursprüngliche Fragestellung betrifft, ist übrigens eines nicht uninteressant.
Otto von Braunschweig wird ebenfalls unterstellt, ein Homosexueller zu sein. Ein Historiker (Universität Wien) hat vor einigen Jahren gemeint, er fand das offensichtlich sehr witzig, dass Richard und Otto ein homosexuelles Paar war und Richard Otto deswegen förderte. Moralisch gesehen, ist diese Behauptung als eine sehr schwere Anschuldigung einzustufen und das nicht wegen der Unterstellung möglicher Homosexualität, sondern da Richard und Otto Onkel und Neffe 1. Grades waren und eine sexuelle Beziehung (egal ob homosexuell, bisexuell oder heterosexuell) zwischen ihnen unter Inzest fällt. Interessant ist auch, dass Otto von Braunschweig, obwohl es inzwischen Ansätze zu einer (positiven) Neubewertung gibt, einer jener historisch-politischen Akteure ist, die seit Jahrhunderten als "Negativfiguren" gelten. ---------------------------
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01.02.2020, 14:09
Beitrag: #21
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Der letzte Graf von Hohenberg war Sigmund aus der Wildberger Linie.
er war Obervogt von Balingen und hatte von Württemberg die Pfandschaft über das Städtchen Ebingen erworben, das seine Vorfahjren 200Jahre zuvor gegründet hatten. Auszug aus dem HStA Stgt. Zitat: Geboren auf Schloss Rotenberg bei Rottenburg am Neckar, gestorben vermutlich in Albstadt-Ebingen, Wirtembergischer Rath, Obervogt in Balingen, kommt vor von 1423 an, in 2. Ehe verh. mit Ursula Freiin von Räzüns, starb 1486 als letzter des GeschlechtsQuelle: https://www.leo-bw.de/en_GB/web/guest/de...+1402-1486 Erstaunlicherweise wird dieser Sigmund in den Stammbäumen oftmals unterschlagen. Das Schloss in Ebingen, vermutlich von Graf Sigmund erbaut 1888 abgebrannt, trug bis zum Ende den Namen Hohenberger-Schloss Mir ist ein Ritter von Hohenberg bekannt, der als Ministeriale auf der Burg Oberhohenberg sass, und ich vermutete, dass es sich um einen aus dessen Nachkommenschaft handelt. Da wir gerade dabei sind, was bedeutet der Titel "Halbritter" der idZ hin und wieder erwähnt wird? "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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01.02.2020, 19:32
Beitrag: #22
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(01.02.2020 14:09)Suebe schrieb: Der letzte Graf von Hohenberg war Sigmund aus der Wildberger Linie. Den Sigmund habe ich meiner zusammengebastelten Genealogie als "Hauptmann von Balingen" geführt. Seine Frau entstammt dem (ausgestorbenen) Freiherrengeschlecht von Rhäzuns (Graubünden). Das Schloss Rhäzuns gehört heute dem Guru Milliardär der Rechtspartei der Schweiz (SVP), Blocher. Sigmund hatte zwei Schwestern, Verena und Margarehte, Nonnen in Reuthin und Buchau. Seine Söhne, beide mit Namen Peter (? - weiss nicht mehr, woher ich das habe), sind vor ihm gestorben. Neben seiner in dem von Dir angegebenen Link genannten Tochter Margarethe, verh. mit Schenk Georg I von Limpurg hatte er offenbar eine weitere Tochter, Apollonia, g. 1492, Äbtissin von Königsfelden. Was ein Halbritter ist, weiss ich nicht. Aus dem Mittelalter ist mir der Begriff nicht bekannt. Nachtrag: Aber Wikipedia weiss es https://de.wikipedia.org/wiki/Halbritter_(Name) Die Erklärung erscheint mir plausibel, aber ob es sich tatsächlich so verhält, kann ich nicht beurteilen. Der Artikel bezieht sich auf die "Ritterschaft" als "Stand" und nicht als Würde, wenn behauptet wird, der Hochadel gehöre nicht zur Ritterschaft. Im Mittelalter war ein grosser Teil des Hochadels ebenfalls Ritter - z.B. Kaiser Maximilian I hatte nicht nur den Beinamen "der letzte Ritter" sondern war auch einer. Und noch der französische König Franz I im ausgehenden Spätmittelalter legte besonderen Wert darauf, vom Musterritter Bayard und nicht von irgendwem zum Ritter geschlagen zu werden. |
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01.02.2020, 20:08
Beitrag: #23
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(31.01.2020 20:29)Aguyar schrieb: Gemäss Régine Pernoud hat Richard in Messina eine öffentliche Beichte abgelegt und um Verzeihung für "widernatürliche Sünden" (also nicht nur für Sünden) abgelegt. Ein Kaplan Renaud de Mayac soll die Beichte abgenommen haben. Selbstzitate finde ich zwar peinlich - aber ich brauche sie hier, um meine Behauptungen betreffend der Sodomie-Definition von weltlichen Gerichten im Mittelalter sowie hinsichtlich der "widernatürlichen Sünden" zu untermauern. Wikipedia meint dazu: "Als Sodomiterverfolgung wird die strafrechtliche Verfolgung und Hinrichtung von Männern bezeichnet, denen im Mittelalter und der frühen Neuzeit vorgeworfen wurde, das „sodomitische Laster“ (vitium sodomiticum) praktiziert zu haben." Und: "Heute wird im deutschen Sprachraum als Sodomie der sexuelle Verkehr mit Tieren (Zoophilie) bezeichnet. Demgegenüber fasste das Mittelalter ganz verschiedene „widernatürliche“ Praktiken unter diesen Begriff, hauptsächlich jedoch den Analverkehr." Und: "Bis zum 13. Jahrhundert war Sodomie in den Ländern Europas nicht strafbar, sondern lediglich eine von vielen Sünden in den kirchlichen Bußbüchern. Das änderte sich jedoch im Rahmen der Kreuzzugspropaganda gegen den Islam, die den Begriff der Sodomie politisierte. Mohammed, der „Feind der Natur“, habe die Sünde der Sodomiter unter seinen Leuten popularisiert, hieß es in den zeitgenössischen Pamphleten. Die Sarazenen würden Bischöfe vergewaltigen und christliche Knaben für ihre fleischlichen Begierden missbrauchen. Nur wenig später gehörte die Sodomie auch zu den Standardvorwürfen gegen die Häretiker, so dass ketzern im Mittelhochdeutschen zum Synonym für „sodomitisch verkehren“ wurde. Gleiches geschah in Frankreich mit bougrerie und in England mit buggery, die sich beide vom Namen der Bogomilensekte ableiten" Es ist also nicht ganz abwegig, wenn einige Historiker (und nicht nur "EU-Porpagandisten") bei Richards Selbstbezichtiungen Homosexualität vermuten. |
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01.02.2020, 20:21
Beitrag: #24
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
War wohl mißverständlich von mir, der "gesottene" Hohenburg hielt ich für einen Abkömmling des Ministeriale auf Oberhohenberg.
Die Bezeichnung "Halbritter" (oder Titel?) habe ich erstmals entdeckt im Erbbgräbniss der Grafen usw. von Landau-Grüningen im Kreuzgang des Klosters Heiligkreuztal die Nachkommen des Graf Lutz von Landau nennen sich nur noch Ritter, die Ehefrau des Lutz war nicht vom "HohenAdel". Und genau dort taucht dann uch zumindest 1mal der "Titel" Halbritter auf. Auf der Wikiseite zu Landau-Grüningen, bei Sönke Lorenz "Haus Württemberg" usw. usf. allüberall zu lesen, aber ohne Begriffserklärung. Zeit, 14. Jahrhundert, also Spätmittelalter "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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01.02.2020, 20:31
Beitrag: #25
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(01.02.2020 20:21)Suebe schrieb: War wohl mißverständlich von mir, der "gesottene" Hohenburg hielt ich für einen Abkömmling des Ministeriale auf Oberhohenberg. Habe das oben noch ergänzt Nachtrag: Aber Wikipedia weiss es https://de.wikipedia.org/wiki/Halbritter_(Name) Die Erklärung erscheint mir plausibel, aber ob es sich tatsächlich so verhält, kann ich nicht beurteilen. Der Artikel bezieht sich auf die "Ritterschaft" als "Stand" und nicht als Würde, wenn behauptet wird, der Hochadel gehöre nicht zur Ritterschaft. Im Mittelalter war ein grosser Teil des Hochadels ebenfalls Ritter - z.B. Kaiser Maximilian I hatte nicht nur den Beinamen "der letzte Ritter" sondern war auch einer. Und noch der französische König Franz I im ausgehenden Spätmittelalter legte besonderen Wert darauf, vom Musterritter Bayard und nicht von irgendwem zum Ritter geschlagen zu werden. |
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01.02.2020, 23:41
Beitrag: #26
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(01.02.2020 20:08)Aguyar schrieb:(31.01.2020 20:29)Aguyar schrieb: Gemäss Régine Pernoud hat Richard in Messina eine öffentliche Beichte abgelegt und um Verzeihung für "widernatürliche Sünden" (also nicht nur für Sünden) abgelegt. Ein Kaplan Renaud de Mayac soll die Beichte abgenommen haben. Ich frage mich bei diesem Statement nur, was der "EU-Propagandist" mit Richards angeblicher Selbstbezichtigung zu tun haben soll. Ganz ehrlich, für die EU-Propaganda dürfte Richards Homosexualität doch unwichtig sein. Oder meinst du tatsächlich, dass Richard, der englische König, von der EU als Prototyp eines Engländers diffamiert wird, um die Engländer als Bestrafung für den Brexit schlecht zu machen. ---------------------------
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01.02.2020, 23:46
Beitrag: #27
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(01.02.2020 20:21)Suebe schrieb: ... Wenn der Vater nur mehr ein Ritter war (wenn gleich aus einer zumindest ritterbürtigen Familie) und die Mutter nicht vom Hochadel und auch keine Angehörige einer ritterbürtigen Familie mehr war, sind die Söhne nur mehr zur Hälfte Ritter, als Halbritter. --- Eine ritterbürtige Familie meint eine Familie, die ihre Zugehörigkeit zum Ritterstand auf ihre Abstammung zurückführt. --- Eine Frage, die sich für mich schon länger stellt, ist übrigens, ob der Ritterschlag im Spätmittelalter überhaupt notwendig war, wenn die Familie ritterbürtig war. Denn, wenn ich mir zum Beispiel die Ritterschlagslisten im Zusammenhang mit einer Königs- oder Kaiserkrönung ansehe, kann ich mir nicht so recht vorstellen, dass die vielen Teilnehmer dort wirklich mit dem Ritterschlag so lange gewartet haben, bis es wieder einen neuen König / Kaiser gibt, der sich krönen lässt und aus diesem Anlass Ritterschläge erteilt. ---------------------------
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04.02.2020, 05:45
Beitrag: #28
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Ich bin jetzt zufällig in einer Richard-Biographie auf eine Zusammenfassung der Eremitenepisode gestoßen, die mit Blick auf das Thema hier auf jeden Fall interessant ist.
Nach der Zusammenfassung des Autors, der diese Biographie geschrieben hat, finden die Begegnung Richard - Eremit und Richards Selbstbezichtigung im Frühjahr 1195 statt, ein geographischer Ort wird nicht genannt. Nach der Zusammenfassung erscheint eines Tages ein Einsiedler bei Richard und ermahnt ihn, sich an die Zerstörung von Sodom zu erinnern und auf unerlaubte Akte zu verzichten, da ihn Gott sonst bestrafen werde. Richard schenkt dieser Prophezeiung zunächst keine besondere Beachtung. Als er bald darauf erkrankt, kommt ihm die Warnung jedoch wieder in den Sinn, den Anfang April 1195 bekennt er seine Sünden und nimmt seine vernachlässigte Ehefrau wieder zu sich, um den ehelichen Pflichten in stärkeren Maß zu entsprechen. Außerdem besucht er fortan täglich die Kirche und spendet für die Armen. Als Autor ist der Chronist Roger von Howden angeführt, den der Autor dieser Biographie in einem Teil seines Buches als einen königstreuen Chronisten einstuft. Quelle: Robert-Tarek Fischer: Richard I. Löwenherz 1157-1199. Ikone des Mittelalters. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 2. überarbeitete Auflage 2019. ISBN 978-3-205-20980-5, S. 254 Was ergibt sich aus dieser Zusammenfassung? Zunächst einmal wäre es vermutlich wirklich wichtig, den Originaltext zu kennen beziehungsweise, wenn die Chronik nicht im Original überliefert ist, die frühesten Fassungen, die von ihr überliefert sind. Denn die Zusammenfassung von Fischer unterscheidet sich zum Beispiel doch in einem wesentlichen Punkt den bisherigen Zusammenfassungen, die hier angeführt wurden. Während dort der Eindruck entsteht, dass Richard in der Chronik direkt der Sodomie bezichtigt wurde, wird ihm in dieser Zusammenfassung der Einsiedler-Episode nur eine Bestrafung für "unerlaubte Akte" angedroht. Nicht uninteressant ist auch, dass die Bestrafung nur dann zu befürchten ist, wenn Richard mit den "unerlaubten Akten" nicht aufhört, sondern sie weiter begeht. Die Stadt Sodom ist in dieser der Zusammenfassung nur ein Beispiel für den strafenden Gott. Was mit den "unerlaubten Akten" konkret gemeint ist, bleibt in der Chronik offen. Im diesem Kontext ist nur eindeutig klar, dass es sich um Sünden handelt. Sodom und Gomorrha sind in der Bibel aber nur lasterhafte Städte, die von Gott bestraft werden. Allerdings wäre Gott bereit gewesen, sie zu schonen, wenn ihre Einwohnerschaft von ihrem lasterhaften Tun abgelassen hätte. Offensichtlich wird Sodom in dieser symbolischen Bedeutung angeführt. In dieser Darstellung jedenfalls, wenn wir uns nur an den Text halten, werden Richard lediglich Sünden vorgeworfen und der Verweis auf Sodom deutet an, was ihm droht, wenn er weiterhin sündigt, aber auch, dass Gott Gnade walten lässt, wenn er mit dem sündigen aufhört. Das tut Richard aber erst, als er plötzlich erkrankt. Die daraufhin beschriebenen Maßnahmen (Rückholung der Ehefrau, regelmäßiger Besuch der Messe, Armenspeisung / Akte der Barmherzigkeit) symbolisieren Richards Umkehr und seine Rückkehr zu einem christlichen Leben, nachdem er öffentlich die Beichte abgelegt hat. Der Hinweis, dass Richard daraufhin wieder seine Ehefrau zu sich holt und seinen ehelichen Pflichten nachkommt, legt nahe, dass es sich bei den "unerlaubten Akten" um sexuelle Verfehlungen handelt, allerdings legt die Rückkehr zur Ehefrau Ehebruch nahe. Mit Blick darauf, welche Akte der nun mehr geläuterte Richard hier setzt, fällt auf, dass sie eigentlich recht milde ausfallen. Es reicht, dass Richard offiziell seine Sünden bekennt, dass er seine Ehefrau wieder zu sich holt, dass er ab sofort regelmäßig wieder den Gottesdienst besucht und dass er die Armen öfter speist. Wenn es bei den "unerlaubten Akten" tatsächlich um das Ausleben von Homosexualität gehandelt hätte, das im Mittelalter und danach als "widernatürlich" angesehen wurde, hätte der Chronist Richard wohl doch etwas drastischere Maßnahmen ergreifen lassen. Auf jeden Fall bietet Fischer eine Zusammenfassung dieser Episode, die so gestaltet ist, dass sie für jemanden, der noch nie etwas davon gehört, dass Richard ein Homosexueller gewesen sein soll, sicher keine diesbezüglichen Assoziationen bietet. Entscheidend ist hier natürlich, wie genau Fischer die Episode zusammengefasst hat. Im Quellen- und Literaturverzeichnis hat er jedenfalls eine Ausgabe der "Chronica magistri Rogeri de Hoveden" (Ausgabe von William Stubbs, 4 Bände, 1868-1871) angeführt, sodass doch naheliegend, dass er den Originaltext in der Fassung dieser Ausgabe selbst gelesen haben wird. (Inwieweit diese Ausgabe allerdings wirklich dem Originaltext beziehungsweise den überlieferten Fassungen gerecht wird, wäre natürlich zu prüfen, da die Ausgabe aus dem 19. Jahrhundert ist. Was zeigt das Beispiel aber? Es deutet jedenfalls an, dass die "Hauptquelle", die gewöhnlich für Richards mögliche Homosexualität angeführt wird, in Wirklichkeit gar keine Ansätze zu einer solchen Sicht bietet. (Wie gesagt, hier wäre es halt wichtig, im ursprünglichen Text, soweit das aufgrund der Überlieferung möglich ist, selbst nachzusehen.) Zusammen mit den Hinweisen von Sansavoir auf Quellen des Mittelalters für Richard stets sexuelle Vergehen mit Frauen unterstellt werden, sprechen die Indizien in diesem Fall doch gegen eine Homosexualität. Dazu passt auch, dass diese Theorie erst nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals auftaucht und offensichtlich erst in den letzten 30 Jahren zu einem "Fakt" gemacht wurde. ---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten. Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten. Josephine Tey, Alibi für einen König |
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22.06.2022, 23:49
Beitrag: #29
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
All diese Erörterungen ließen sich aus einer entspannt sachlichen Perspektive lesen, würde da nicht an gleich mehreren Stellen in ganz offensichtlich aus heutiger Sicht geschriebene Formulierungen anstelle tatsächlich neutraler Ausdrücke wie „Annahme“, „Vermutung“, „Mutmaßung“ oder „These“ der Ausdruck „Verdacht“ hineinrutschen. Dieses Wort jedoch steht für die Vermutung eines eindeutig negativ zu wertenden Verhaltens, enthält also eine potenzielle Verurteilung. Und sagt hier viel über die (unbewusste?) Haltung jener, die es verwenden.
Etwas subtiler kommt dazu die im Titel gewählte Bezeichnung: aus einer Eigenschaft (wie schwarzhaarig, blauäugig, linkshändig) macht sie eine Personengruppen-Bezeichnung, die zugeordneten Menschen tendenziell implizit Gemeinsamkeiten unterstellt, die über ein einziges Kriterium hinaus reichen, als seien sie deshalb eher wesentlich von allen anderen zu unterscheiden. Auch wenn nicht explizit behauptet, wird das, wenn nicht ausdrücklich ausgeschlossen, unweigerlich über negativ abgrenzende Klischees aus dem kollektiven Bewusstsein vergangener Jahrzehnte und Generationen mitgeschleppt, die teils nicht nur nachwirken oder weiter aktuell sind, sondern in Teilen der EU neu instrumentalisiert werden. |
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26.06.2022, 11:54
Beitrag: #30
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RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Aber dir ist schon bewußt, dass du hier in einem Forum für Geschichte unterwegs bist?
Historiker sind Menschen, die sich damit beschäftigen, wie es früher einmal war. Und ja, früher gab es den "Verdacht", dass jemand homosexuell war- es war jahrhunderte lang etwas negativ bewertetes. Wenn man sich mit etwas beschäftigt, das in der Vergangenheit war, dann greift man auch auf das dort übliche Vokabular zurück- und da muss man nicht zwangsläufig etwas böses unterstellen. Wie wäre es stattdessen, dieses historische Bild als solches in Frage zu stellen, und nicht die Menschen, die sich damit beschäftigen? Ja, vielleicht ist es an der Zeit, das alles zu revidieren- aber das kann man auch tun, ohne anderen gleich homophobie zu unterstellen. Ich weigere mich auch "Sah ein Knab ein Röslein stehen" zu singen, weil es für mich ein Vergewaltigungslied ist- und viele andere singen es und denken sich nichts dabei. Soll ich jetzt allen unterstellen, sie würden Vergewaltigung gutheißen? Aufklärung tut not, Bewußtmachen auch- aber Unterstellungen haben noch nie etwas postives bewirkt. Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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22.09.2016 13:35 Letzter Beitrag: Teresa C. |
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