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Untergang der Hethiter
03.06.2012, 12:00
Beitrag: #1
Untergang der Hethiter
Möchte hier eine Diskussion neu eröffnen die schon im G/Geschichteforum für sehr lesenswerte Beiträge sorgte, die Grundfrage lautet:

-Warum sind die Hethiter untergegangen?
-Was hat es mit den "geheimnissvollen" Seevölkern auf sich?
-Sind diese die hauptschuldigen oder gabs noch andere Faktoren?
-Wer waren diese Seevölker?

Freue mich auf interessante Diskussionen mit euch.
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04.06.2012, 11:41
Beitrag: #2
RE: Untergang der Hethiter
(03.06.2012 12:00)WDPG schrieb:  Möchte hier eine Diskussion neu eröffnen die schon im G/Geschichteforum für sehr lesenswerte Beiträge sorgte, die Grundfrage lautet:

-Warum sind die Hethiter untergegangen?
-Was hat es mit den "geheimnissvollen" Seevölkern auf sich?
-Sind diese die hauptschuldigen oder gabs noch andere Faktoren?
-Wer waren diese Seevölker?

Freue mich auf interessante Diskussionen mit euch.
Lieber WDPG,
wegen Auseinandersetzungen im Inneren des Reiches. Der Zerfall wurde durch den Durchzug der Seevölker noch beschleunigt. Es gab mehrere Faktoren für den Untergang der Hethiter, die Seevölker waren nur ein Teil des Grundes für den Untergang. Offiziell handelt es sich bei den Seevölkern um die Ergebnisse der Ägäischen Wanderung, die aber sicherlich aus dem Balkanraum angestoßen wurde.

Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu
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04.06.2012, 12:34
Beitrag: #3
RE: Untergang der Hethiter
(04.06.2012 11:41)dieter schrieb:  Offiziell handelt es sich bei den Seevölkern um die Ergebnisse der Ägäischen Wanderung, die aber sicherlich aus dem Balkanraum angestoßen wurde.

"Wahrscheinlich", oder "Vielleicht" oder "auch" , aber nicht "sicherlich". Es gibt andere Möglichkeiten.

Ich denke auch nicht, daß der untergang der Hetither nur eine Ursache hat. Das ist beim zerbrechen eines großen Reiches selten der Fall. Meistens hat es vorher schon hier mal eine Schwäche, da mal eine Schwäche gegeben, wie innere Streitereien um die Thronfolge, vielleicht aber auch Mißernten und sozial bedingte Unruhen, vielleicht war das Reich auch über die Grenzen seiner Möglichkeiten hinaus gewachsen und kollabierte wie ein Luftballon, als dann von außen Widerstand herankam, so wie es etliche tausend Jahre später mit dem römsichen Reich passierte.

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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05.06.2012, 09:45
Beitrag: #4
RE: Untergang der Hethiter
(04.06.2012 12:34)Bunbury schrieb:  
(04.06.2012 11:41)dieter schrieb:  Offiziell handelt es sich bei den Seevölkern um die Ergebnisse der Ägäischen Wanderung, die aber sicherlich aus dem Balkanraum angestoßen wurde.

"Wahrscheinlich", oder "Vielleicht" oder "auch" , aber nicht "sicherlich". Es gibt andere Möglichkeiten.

Ich denke auch nicht, daß der untergang der Hetither nur eine Ursache hat. Das ist beim zerbrechen eines großen Reiches selten der Fall. Meistens hat es vorher schon hier mal eine Schwäche, da mal eine Schwäche gegeben, wie innere Streitereien um die Thronfolge, vielleicht aber auch Mißernten und sozial bedingte Unruhen, vielleicht war das Reich auch über die Grenzen seiner Möglichkeiten hinaus gewachsen und kollabierte wie ein Luftballon, als dann von außen Widerstand herankam, so wie es etliche tausend Jahre später mit dem römsichen Reich passierte.
Lieber Bunbury,
nichts Genaues weiß man nicht, dewegen muß man mit den von Dir angegebenen Möglichkeiten arbeiten.Rolleyes

Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu
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05.06.2012, 14:19
Beitrag: #5
RE: Untergang der Hethiter
(04.06.2012 12:34)Bunbury schrieb:  Ich denke auch nicht, daß der untergang der Hetither nur eine Ursache hat. Das ist beim zerbrechen eines großen Reiches selten der Fall. Meistens hat es vorher schon hier mal eine Schwäche, da mal eine Schwäche gegeben, wie innere Streitereien um die Thronfolge, vielleicht aber auch Mißernten und sozial bedingte Unruhen, vielleicht war das Reich auch über die Grenzen seiner Möglichkeiten hinaus gewachsen und kollabierte wie ein Luftballon, als dann von außen Widerstand herankam, so wie es etliche tausend Jahre später mit dem römsichen Reich passierte.

Das ist der gegenwärtige Forschungsstand.

Während man früher annahm, allein der Seevölkersturm bzw. die Ägäische Wanderung hätten den Untergang des Hethiterreichs verursacht, geht man heute von einer komplexeren Lage aus. Innere Unruhen, Bürgerkrieg und Thronwirren hatten das Reich bereits vor den seevölkern stark geschwächt. Ausgrabungen und Datierungen haben bestätigt, dass z.B. die Hauptstadt Hattusa schon vor dem Eintreffen fremder Eroberer zerstört und verlassen war.

Es ist also gut möglichm, dass der über Kleinasien reichende Zweig der Seevölkerbewegung bereits ein sterbendes Reich antraf, dem lediglich der Todesstoß versetzt wurde.
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06.06.2012, 10:50
Beitrag: #6
RE: Untergang der Hethiter
(05.06.2012 14:19)Dietrich schrieb:  Es ist also gut möglichm, dass der über Kleinasien reichende Zweig der Seevölkerbewegung bereits ein sterbendes Reich antraf, dem lediglich der Todesstoß versetzt wurde.

Das ist sogar (fast) gesichert:
Anscheinend haben die letzten Bewohner Hattusas sich darauf konzentriert, die Oberburg (Büyükkaya) zu verteidigen - hier waren die Getreidespeicher. Auch andere Indizien (Augrabungen in der Umgebung) deuten darauf hin, dass der "Wasserkopf des Großreichs" (Zitat Brandau/Schikert: Hethiter. Die unbekannte Weltmacht. S.329) von den Dörfern außenrum nicht mehr ernährt werden konnte, dass es eine Hungersnot gab und daher Hattusa aufgegeben werden musste. Der Seevölkersturm, der Abfall von Vasallen und Kämpfe zwischen Thronprätendenten kamen dazu, auch die Tatsache, dass aufgrund des zusammengebrochenen Fernhandels kaum noch Zinn für die Fertigung von Bronze aufzutreiben war.
Folge: Das Großreich fiel in sich zusammen.

Wobei interessant ist, dass Hattusa nicht ganz verlassen wurde, sondern wieder besiedelt wurde (Brandau/Schickert S.330). Urplötzlich tauchen hier wieder Keramiken auf, die VOR der Hethiterzeit in der Gegend schon einmal typisch waren.
Vorhethitische Bevölkerung hatte sich also die ganze Hethiterzeit hindurch ihre Traditionen bewahrt - inklusive fehlender Töpferscheibe - und rückte jetzt in die von den Hethitern verlassenen "Stellungen" ein. Die Hethiter waren also wohl nur eine ganz dünne Herrschaftsschicht gewesen, die aber über Jahrhunderte die Einheimischen derart unterdrücken konnten, dass sie in der archäologischen Überlieferung nicht auftauchten!
Immerhin erschien jetzt, nach dem Ende der Hethiterzeit, ein Eisenschmied in Hattusa - obwohl die Hethiter ihre Großmachtrolle u.a. auf die Kenntnisse der Eisenbearbeitung stützten!

VG
Christian
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06.06.2012, 15:11
Beitrag: #7
RE: Untergang der Hethiter
(06.06.2012 10:50)913Chris schrieb:  Vorhethitische Bevölkerung hatte sich also die ganze Hethiterzeit hindurch ihre Traditionen bewahrt - inklusive fehlender Töpferscheibe - und rückte jetzt in die von den Hethitern verlassenen "Stellungen" ein. Die Hethiter waren also wohl nur eine ganz dünne Herrschaftsschicht gewesen, die aber über Jahrhunderte die Einheimischen derart unterdrücken konnten, dass sie in der archäologischen Überlieferung nicht auftauchte.

Dass eine Bevölkerung mit vorhetihitischer Identität überdauert hat, halte ich für sehr spekulativ. Die Hethiter herrschten rund 600 Jahre in Kleinasien und in dieser Zeit vollzog sich vermutlich ein kompletter Sprachwechsel der Bevölkerung zum Hethitischen bzw. Luwischen. Bekannt sind uns zu Beginn der hethitischen Herrschaft die autochthonen Hattier, von denen die Hethiter zahlreiche kulturellen Elemente (z.B. Götter und Göttinnen) übernahmen. Allerdings verschwinden die Hattier als eigenständige Gruppe bereits sehr früh und weder während noch nach der hethitischen Herrschaft gibt es Schriftzeugnisse autochthoner Bevölkerungsteile in Kleinasien, einmal abgesehen von den Hurritern im Kaukasus.

Ich stelle mir fogendes Szenario vor: Als die Hethiter ab etwa 2200 v. Chr. allmählich nach Kleinasien einwanderten, trafen sie auf eine zahlenmäßig weit überlegene autochthone kleinasiatische Bevölkerung. Frühhetitische Keramikfunde vom Schwarzen Meer bis zum Halysbogen belegen die Ankunft dieser neuen Bevölkerungsgruppe bereits im 19. Jh. v. Chr. Über das Verhältnis zu der alteingesessenen Bevölkerung schweigen die Quellen, doch wird allgemein vermutet, dass der Prozess der Akkulturation der Neuankömmlinge weitestgehend friedlich verlaufen ist (vgl. Jörg Klinger, Die Hethiter, München 2007, S. 33 f.).

Nachdem es den Hethitern gelungen war, die einheimischen hattischen Fürsten zu verdrängen und die Macht zu übernehmen, vollzog sich im Lauf der Jahrhunderte ein Sprachwechsel der Bevölkerung. Sie vermischte sich mit den eingewanderten Hethitern und übernahm hethitische oder luwische Dialekte. An ethnischen Zuordnungen orientierte Vorstellungen spielten keine Rolle, wie die Einheitlichkeit des materiellen Befundes unterstreicht. Inwieweit die Bevölkerung Kleinasiens am Ende des Hethiterreichs eine hethitische Identät angenommen hatte, ist schwer zu sagen. Vielleicht war eine solche Identität im Kernbereich der Hethiter stark ausgeprägt, an den Rändern dann schwächer. Aber das ist Spekulation.

Als die Phryger ab dem 12./11. Jh. v. Chr. nach Kleinasien einwanderten und ihr Reich gründeten, mussten alte Identitäten sicher neuen Platz machen, auch wenn die Bevölkerung, die seit Jahrtausenden den Boden bebaute, die gleiche blieb. Danach kamen dann noch Lyder, Perser, Griechen und schließlich Turkvölker, die die Bevölkerung Kleinasiens immer aufs neue überschichteten, assimiliert wurden und anderen Eroberern Platz machten. Bestimmte kulturelle Bräuche blieben vermutlich über alle neuen Herren hinweg erhalten. So z.B. die mediterrane bzw. altanatolische Bauweise und bestimmte Motive in der Töpferei.
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06.06.2012, 18:19
Beitrag: #8
RE: Untergang der Hethiter
(06.06.2012 15:11)Dietrich schrieb:  Bestimmte kulturelle Bräuche blieben vermutlich über alle neuen Herren hinweg erhalten. So z.B. die mediterrane bzw. altanatolische Bauweise und bestimmte Motive in der Töpferei.

Wieso aber wechselte die Bevölkerung rund um (und in) Hattusa nach Jahrhunderten wieder ZURÜCK zu einem völlig veralteten Töpfereistil?!?
Notabene: Die Hethiter hatten den Namen der unterworfenen Hatti-Bevölkerung adaptiert, nicht umgekehrt!

Ich geb zu, mich fasziniert die Vorstellung einer Hatti-Bevölkerung, die über Jahrhunderte der Hethiter-Herrschaft "ihrem" Stil treu blieb.
Ich hab aber für die obigen Fakten auch noch keine andere zufriedenstellende Begründung gefunden als die, die bei Brandau/Schikert - immerhin einem Standardwerk zur Hethitergeschichte - präsentiert wird.

VG
Christian
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07.06.2012, 13:51
Beitrag: #9
RE: Untergang der Hethiter
(06.06.2012 18:19)913Chris schrieb:  Wieso aber wechselte die Bevölkerung rund um (und in) Hattusa nach Jahrhunderten wieder ZURÜCK zu einem völlig veralteten Töpfereistil?!?
Notabene: Die Hethiter hatten den Namen der unterworfenen Hatti-Bevölkerung adaptiert, nicht umgekehrt!

Ich geb zu, mich fasziniert die Vorstellung einer Hatti-Bevölkerung, die über Jahrhunderte der Hethiter-Herrschaft "ihrem" Stil treu blieb.
Ich hab aber für die obigen Fakten auch noch keine andere zufriedenstellende Begründung gefunden als die, die bei Brandau/Schikert - immerhin einem Standardwerk zur Hethitergeschichte - präsentiert wird.

Über die Hattier, die zu den altkleinasiatischen Völkern und den vorindoeuropäischen Populationen zählen, wissen wir leider nur sehr wenig. Der Name dieses Volkes ist unbekannt und sie wurden erst später nach der historischen Landschaft Chatti (akkadisch: Hatti) benannt, dem Kernland ihrer Siedlung. Hattusa, die spätere Hauptstadt des Hethiterreichs, ist eine Gründung der Hattier, deren Könige bis etwa 2000 v. Chr. regierten. Die indoeuropäischen Hethiter avancierten zwar zu den neuen Herren, doch wurden die Hattier nicht vertrieben und ihre Sprache wurde nicht unterdrückt.

Im Verlauf des 15. Jh. v. Chr. ging das Hattische unter und bis dahin hatten sich die Hattier an das Hethitische assimiliert. Als Ritualsprache im Kultleben der Hethiter lebte das Hattische aber weiter.

Wie ich schon schrieb, hatten die Hattier einen bedeutenden Einfluss auf die Kultur der Hethiter und die religiösen Vorstellungen der Herren von Hattusa waren von hattischen Vorbildern geprägt. Die höchsten Gottheiten im hethitischen Staatskult waren solche des hattischen Götterpanrheons. Das waren der Wettergott Taru und die Sonnengöttin Wurusemu.

Dass die Hattier nach dem Untergang des hethitischen Reichs noch eine eigene hattische Identität besaßen, ist daher zu bezweifeln. Nach meiner Meinung hatte sich zwischen beiden Völkern - den Hethitern und Hattiern - nach ihrer Verschmelzung eine neue Identität entwickelt, die sowohl indoeuropäische als auch altkleinasiatische Züge enthielt - also im Grunde genommen ein neues Volk.

Man kann das gut vergleichen mit der Eroberung des römischen Galliens durch die germanischen Franken. Sie verschmolzen als dünne Herrenschicht im Verlauf von etwa 300 Jahren mit der weitaus größeren gallo-romanischen Bevölkerung, setzten allerdings ihre germanische Sprache durch. Kulturell verschwanden nahezu alle germanischen Attribute, im Norden weniger, im Süden Frankrechs nahezu vollständig.
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07.06.2012, 13:55
Beitrag: #10
RE: Untergang der Hethiter
(07.06.2012 13:51)Dietrich schrieb:  Kulturell verschwanden nahezu alle germanischen Attribute, im Norden weniger, im Süden Frankrechs nahezu vollständig.

Und genau das ist augenscheinlich in Anatolien nicht passiert, sonst hätten die Neubesiedler Hattusas nicht plötzlich wieder jahrhundertealte Keramiktraditionen gepflegt...

VG
Christian
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07.06.2012, 14:43
Beitrag: #11
RE: Untergang der Hethiter
(07.06.2012 13:55)913Chris schrieb:  Und genau das ist augenscheinlich in Anatolien nicht passiert, sonst hätten die Neubesiedler Hattusas nicht plötzlich wieder jahrhundertealte Keramiktraditionen gepflegt...

Es mag sein, dass nach dem Untergang des hethitischen Reichs neue keramische Traditionen entstanden, die sich wiederum an alten Vorbildern orientierten. Dennoch war die Bevölkerung um 1100 v. Chr. mit Sicherheit nicht identisch mit der Jahrhunderte zuvor. Die Überschichtungs- und Assimilationsvorgänge schufen eine Population mit anderer Identität. Dass ältere Verzierungsmuster und Formen wiederkehrten, heißt ja nicht, dass eine Bevölkerungskontinuität bestand, die 1000 Jahre zurückreichte.
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07.06.2012, 15:31
Beitrag: #12
RE: Untergang der Hethiter
(07.06.2012 14:43)Dietrich schrieb:  Dass ältere Verzierungsmuster und Formen wiederkehrten, heißt ja nicht, dass eine Bevölkerungskontinuität bestand, die 1000 Jahre zurückreichte.

Was denn dann? Ist übrigens auch der Schluss, den Brandau/Schickert aus der posthethitischen Keramik Hattusas ziehen: "Das heißt, rund 800 Jahre lang wurden andernorts altanatolische Traditionen gepflegt, die in der Hethiter-Hauptstadt nicht mehr gepflegt wurden, und jetzt sozusagen reimportiert. Es muss also eine Art Urbevölkerung gegeben haben, die ihre Identität über diese ungeheure Zeitspanne hatte wahren können." (S.330)

VG
Christian
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07.06.2012, 15:47
Beitrag: #13
RE: Untergang der Hethiter
(07.06.2012 15:31)913Chris schrieb:  Was denn dann? Ist übrigens auch der Schluss, den Brandau/Schickert aus der posthethitischen Keramik Hattusas ziehen: "Das heißt, rund 800 Jahre lang wurden andernorts altanatolische Traditionen gepflegt, die in der Hethiter-Hauptstadt nicht mehr gepflegt wurden, und jetzt sozusagen reimportiert. Es muss also eine Art Urbevölkerung gegeben haben, die ihre Identität über diese ungeheure Zeitspanne hatte wahren können." (S.330)

Auch eine Bevölkerung mit anderer Identität kann alte Formen erneut aufgreifen. Es ist stets problematisch, sachliche Überreste mit bestimmten Ethnien oder Völkern zu verbinden. Im kleinasiatischen Raum beliebte Formen und Muster können von ganz unterschiedliche Populationen verwendet worden sein. Nach den Hethitern kamen die Phryger, die Lyder, die Perser und die Griechen. Mit Sicherheit wandelten sich Identitäten in diesem langen Zeitraum, wobei dennoch altanatolische Traditionen lebendig geblieben sein können.

Die Hethiter überschichteten eine autochthone anatolische Bevölkerung und verschmolzen mit ihr. Niemand kann sicher sagen, welche Traditionen und/oder ethnischen Identitäten nach dem Zusammenbruch des Hethiterreichs lebendig waren. Man muss doch davon ausgehen, dass sich das in Verlauf von 1000 Jahren und mehr wandelt. Die hattische Sprache verschwindet um 1500 v. Chr. und man kann vermuten, dass damit auch eine hattische Identität erlischt, während keramische Traditionen dennoch fortdauern. Sie sind nicht an bestimmte Ethnien gebunden.
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07.06.2012, 17:16
Beitrag: #14
RE: Untergang der Hethiter
(07.06.2012 15:47)Dietrich schrieb:  man kann vermuten, dass damit auch eine hattische Identität erlischt, während keramische Traditionen dennoch fortdauern. Sie sind nicht an bestimmte Ethnien gebunden.

Warum taucht dann nach dem VErlassen Hattusas durch die Hethiter plötzlich diese vorhethitische Keramik wieder auf und nicht eine, die etwa aus der hethitischen entwickelt wurde?

VG
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07.06.2012, 17:25
Beitrag: #15
RE: Untergang der Hethiter
(07.06.2012 17:16)913Chris schrieb:  Warum taucht dann nach dem VErlassen Hattusas durch die Hethiter plötzlich diese vorhethitische Keramik wieder auf und nicht eine, die etwa aus der hethitischen entwickelt wurde.

Weil altanatolische Motive während der gesamten Antike beliebt waren und von den verschiedensten Bevölkerungsgruppen verwendet wurden.

Das Volk der Hattier hat es jedenfalls 1100 v. Chr. nicht mehr gegeben, sondern eine altanatolische Bevölkerung mit Identitäten, die wir heute nicht mehr ermitteln können. Die altkleinasiatische Geschichte ist leider immer noch nicht ausreichend erforscht, um darüber Auskunft zu geben.
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10.06.2012, 11:08
Beitrag: #16
RE: Untergang der Hethiter
Nachdem ich mich ein bisschen über das Thema informiert habe, denke ich folgendes:
Der Grund für den Untergang der Hethiter war einerseits innere Probleme und Instabilitäten, andererseits diese geheimnisvollen Seevölker.

Die Seevölker mögen dem Reich den Todesstoß gegeben haben, doch das gelang ihnen nur, weil das Reich schon vorher von innen instabil gemacht worden war und nicht mehr genügend Abwehrkräfte besaß.
Vielleicht waren Probleme zwischen verschiedenen sozialen Schichten oder verschiedenen Ethnien, die sich nicht vermischt hatten, der Grund.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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10.06.2012, 11:09
Beitrag: #17
RE: Untergang der Hethiter
(04.06.2012 11:41)dieter schrieb:  Lieber WDPG,
wegen Auseinandersetzungen im Inneren des Reiches. Der Zerfall wurde durch den Durchzug der Seevölker noch beschleunigt. Es gab mehrere Faktoren für den Untergang der Hethiter, die Seevölker waren nur ein Teil des Grundes für den Untergang. Offiziell handelt es sich bei den Seevölkern um die Ergebnisse der Ägäischen Wanderung, die aber sicherlich aus dem Balkanraum angestoßen wurde.

Dito. Genau das meine ich.

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10.06.2012, 21:43
Beitrag: #18
RE: Untergang der Hethiter
(07.06.2012 17:16)913Chris schrieb:  Warum taucht dann nach dem VErlassen Hattusas durch die Hethiter plötzlich diese vorhethitische Keramik wieder auf und nicht eine, die etwa aus der hethitischen entwickelt wurde?

VG
Christian

Hm, da geht gerade mal meine Phantasie mit mir durch und ich spinne mal ein Szenario zusammen.

Also, angenommen, ein paar vorhetitische Einwohner haben sich der Anpassung an die Hetitischen Sitten- aus welchen Gründen auch immer- verweigert und ihren alten, weniger modernen Stil beibehalten, vergleichbar (Achtung: Quantensprung) den Amish in Amerika.
Nach dem Zusammenbruch des Hetitherreiches ist es gar nicht mehr möglich, hetitische Keramik herzustellen, weil irgendetwas fehlt oder nicht funktioniert etc. Vielleicht ist das Heizmaterial, das nötig ist, um eine bestimmte Temperatur zu erzeugen nicht mehr verfügbar oder so etwas in der Art.. Keramik wird aber benötigt, und deswegen greift man auf das Wissen dieser kleinen Gruppe von Exzentriker zurück, die ihrer Identität treu geblieben sind. (Man stelle sich einfach vor, in Amerika blieb der Strom weg...)

Nein, es gibt natürlich keinen Hinweis auf diese These, sie ist gerade eben in meiner Phantasie entstanden, aber vielleicht ist das ja eine kurze Überlegung wert...

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11.06.2012, 16:23
Beitrag: #19
RE: Untergang der Hethiter
(10.06.2012 21:43)Bunbury schrieb:  Hm, da geht gerade mal meine Phantasie mit mir durch und ich spinne mal ein Szenario zusammen.

Also, angenommen, ein paar vorhetitische Einwohner haben sich der Anpassung an die Hetitischen Sitten- aus welchen Gründen auch immer- verweigert und ihren alten, weniger modernen Stil beibehalten, vergleichbar (Achtung: Quantensprung) den Amish in Amerika.
Nach dem Zusammenbruch des Hetitherreiches ist es gar nicht mehr möglich, hetitische Keramik herzustellen, weil irgendetwas fehlt oder nicht funktioniert etc. Vielleicht ist das Heizmaterial, das nötig ist, um eine bestimmte Temperatur zu erzeugen nicht mehr verfügbar oder so etwas in der Art.. Keramik wird aber benötigt, und deswegen greift man auf das Wissen dieser kleinen Gruppe von Exzentriker zurück, die ihrer Identität treu geblieben sind. (Man stelle sich einfach vor, in Amerika blieb der Strom weg...)

Nein, es gibt natürlich keinen Hinweis auf diese These, sie ist gerade eben in meiner Phantasie entstanden, aber vielleicht ist das ja eine kurze Überlegung wert...

Das könnte gut sein. Man kann viel spekulieren, warum viel auf alte Keramiktypen zurückgegriffen wurde

1.) Lange wurde ein Volk unterdrückt, das nach dem Zusammenbruch des Hethiterreiches wieder seine Identität aufnehmen konnte.
2.) In der Krise erfolgte unter den Hethitern eine Rückbesinnung auf alte Identität (und Keramik), wie auch im römischen Reich in der Krise des 3. Jahrhunderts wieder auf urrömische Traditionen zurückgegriffen wurde.
3.) Oder eben deine These.

Sicherlich gibt es natürlich noch andere Möglichkeiten.

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11.06.2012, 16:43
Beitrag: #20
RE: Untergang der Hethiter
(11.06.2012 16:23)Maxdorfer schrieb:  Sicherlich gibt es natürlich noch andere Möglichkeiten.

Ob sich nach einer 500jährigen Herrschaft der Hethiter und einem kompületten Sprachwechsel zum Hethitischen und Luwischen - andere Sprachen sind nicht überliefert - noch parallele Identitäten halten konnten, ist sehr spekulativ. Irgendwelche Schriftzeugnisse oder Hinweise in hethitischen Quellen sind jedenfalls nicht bekannt.

Was ich mir allerdings vorstellen könnte: Vor, parallel und auch nach dem Zusammenbruch des Hethiterreichs wurde eine uralte traditionelle Keramik gefertigt, die während der Hethiterzeit aus der Mode kam und nach ihrem Untergang wieder auflebte. Vermutlich war diese altanatolische Keramik vorwiegend in der unteren Volksschicht verankert, weniger bei der herrschenden Elite.
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