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Tyrannen der Weltgeschichte:
29.07.2013, 01:38
Beitrag: #2
RE: Tyrannen der Weltgeschichte:
Iwan der Schreckliche (* 1530; † 1584 - Großfürst seit 1533, Zar seit 1547) erlebte als Kind in seiner Umgebung selbst viele Grausamkeiten, da verschiedene Adelsfraktionen um die Ausübung der Regentschaft mit allen Mitteln kämpften. So wurde Iwan mehrmals geraubt, wer ihn besaß, konnte die Macht ausüben. 1540/41 fielen Tataren in Moskau ein, die sich ebenfalls Iwan zur Legitimation ihrer Herrschaft bedienten. Nachdem Iwan selbstständig die Macht übernommen hatte, rächte er den Tod einiger ihm nahegestandener Bojaren mit gleicher Grausamkeit.

Es kann als gesichert gelten, dass Iwan bereits als junger Herrscher psychisch krank war. Da er nicht therapiert wurde und es niemanden gab, der ihm Einhalt gebot oder sich ihm widersetzte, entwickelte sich Iwan mit zunehmenden Alter zum soziopathischen, grausamen Tyrannen.

In seinen jungen Jahren war der Zar durchaus noch in der Lage, seine Gewalt- und Wutausbrüche zu kontrollieren. Seine Ehefrau Anastasia Romanowa konnte ihn beschwichtigen, er war zu vernünftigen Handlungen zu bewegen. Nachdem Anastasia 1560 verstarb, sie erlag während einer Reise im Winter dem Angriff eines Wolfsrudels, verdüsterte sich der Zustand Iwans völlig. Er vertraute nur noch seiner Leibwache, der Optritschniki, die das Land mit Terror überzog. Hauptsächlich richtete sich deren Terror gegen die Bojaren, gegen Handelsstädte wie Nowgorod oder Pskow, aber auch gegen Vertreter der orthodoxen Kirche. In den 1570-er Jahre empfand Iwan dann "Reue" für sein Handeln, vermutlich nach Beeinflussung durch die orthodoxe Kirche. Dies führte dann zu Terror gegen seine ehemaligen Vollstrecker, die Optrtschniki, die ihm wohl als Staat im Staate zu mächtig geworden sind. 1581 erschlug er seinen ältesten Sohn, möglicherweise verschuldete er auch den Tod seines 1582 geborenen jüngsten Sohnes Dmitri.

Auf alle Fälle musste der Moskauer Hof aufgeatmet haben, als Iwan 1584 verstarb. Die Herrschaft ging an seinen regierungsunfähigen Sohn Fjodor, die Regentschaft übernahm dessen Schwager Boris Godunow.

Was brachte Iwans Herrschaft für Russland. Auf dem ersten Blick erscheint seine politische Hinterlassenschaft positiv. Unter der Herrschaft Iwans erweiterte sich das Territorium Russlands enorm. Die tatarischen Khanate von Kasan und Astrachan wurden erobert, Jermak Timofejewitsch begann 1581 die Expansion nach Sibirien einzuleiten. Ebenso konnte Russland sich nach dem Livländischen Krieg (1558–1583) im Baltikum behaupten. Und seit den 1550-er Jahren wurden Handelsbeziehungen zu England gepflegt und in diesem Zusammenhang Hafen und Stadt Archangelsk gegründet. Der Holzhandel mit England war eine stetige Einnahme der russischen Zaren, später folgte auch der Export anderer Rohstoffe nach England.

Auf dem zweiten Blick muss man aber sehen, dass die russische Staatskrise, die Zeit der Wirren von 1605 bis 1612/13, eine Folge von Iwans Politik war. Der Livländische Krieg (oft auch als 1. Nordische Krieg) schuf Grundlagen, die zu weiteren Kriegen mit Schweden, Dänemark oder Polen führten und die schließlich nach dem Großen Nordischen Krieg von 1700 bis 1721 zur endgültigen Festsetzung Russlands im südöstlichen Ostseeraum führten.

In wieweit das russische Volk Iwans Herrschaft mehr ablehnte, als die Herrschaft anderer Zaren ist nicht ganz zu ermitteln. Fakt ist, dass sich Iwans Terror hauptsächlich gegen den Adel oder gegen die Kirche, aber auch gegen Handelsstädte der Hanse richtete. Die Optritschniki setzten sich zum Teil auch aus rekrutierten Bauernsöhne zusammen, von denen einige später die Stellung der von ihnen vernichteten Bojaren einnahmen. Dies geschah aber ohne Plan oder politisches Konzept, da Iwan hier sich oft von Launen treiben ließ und so auch mal einen Vagabunden zum Herren von tausend Bauern machte.

Wesentliche Änderungen zu der Herrschaft seiner Vorgänger waren, dass erstens Iwan als erster Zar autokratisch herrschte und damit eine bis in das heutige Russland wirkende Herrschaftform begründete. Zweitens vernichtete Iwan einen Teil des Adels, damit schuf er ein Vorbild für seine Nachfolger wie z.B. Peter den Großen, der die Strelizen vernichtete oder Stalin, der große Teile der Bolschewiki vernichtete. So ein Verhalten des Alleinherrschers errichtet natürlich ein Klima der Angst, aber auch der Speichelleckerei. Widerstand erforderte neben Mut auch Härte und Skrupellosigkeit. Vielleicht können die Gewaltexzesse russischer Bauern (Pugatschowaufstand) oder der Narodnaja Wolja u.a. daraus erklärt werden. Drittens, aufgrund der Gebietserweiterungen unter Iwan ergaben sich für die russischen Bauern (zumindest für die robustesten), Möglichkeiten der Leibeigenschaft zu entfliehen z.B. nach Sibirien oder in die ehemalige Khanate, das heutige Südrussland (Kosaken).

Abschließend stelle ich fest, dass die Herrschaft Iwans unterschiedlich bewertet wird. Sein russischer Beiname "Grosny" bedeutet eben nicht nur der Schreckliche, sondern er kann auch als der Strenge, sogar als der Gerechte übersetzt werden. Einstimmigkeit besteht darüber, dass seine Herrschaft ein bedeutender Einschnitt in der Geschichte Russlands war.

Sergej Eisenstein wollte/sollte in den 1940-er Jahren einen Dreiteiler über Iwan drehen. Im ersten Teil wurde Iwan als strenger, aber gerechter Zar dargestellt. Dies umfasste seine Herrschaft bis 1560, also bis zum Tod seiner Frau Anastasia. Dieser Teil wurde von Stalin hochgelobt und preisgekrönt. Im zweiten Teil wurde Iwan als schrecklicher Zar dargestellt, dies waren die Jahre des Krieges und der Opritschniki. Dieser Teil wurde von Stalin zerrisen und verboten und Eisenstein bekam Arbeitsverbot. Ein dritter Teil wurde nie gedreht.

Wer mehr über Iwan wissen will, dem empfehle ich nachfolgende zwei Bücher, in denen ich gerade "quer" gelesen habe:

* Francis Carr; Iwan der Schreckliche. Der erste Zar; Wilhelm Heyne Verlag München, Deutsche Erstausgabe 1990; ISBN 3-453-03794-4
* Nikita Romanow / Robert Payne; Iwan der Schreckliche; Magnus Verlag GmbH Essen/Berlin; ISBN 3-88400-001-2

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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