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Revolution, der finanzielle Faktor - Diskussion zum G/Geschichteheft 7/2014:
25.07.2014, 18:37
Beitrag: #4
RE: Revolution, der finanzielle Faktor - Diskussion zum G/Geschichteheft 7/2014:
(24.07.2014 20:52)WDPG schrieb:  -Oft wird bei den finanziellen Problemen die Frankreich vor der Revolution hatte die aufwändige Hofhaltung als eine Ursache erwähnt? Machte diese wirklich so viel aus?

Sicher war die Hofhaltung sehr aufwändig, aber wie Du schon richtig schreibst, sie war nur eine Ursache für die Revolution. Wobei es sicher interessant ist, die Kosten der Hofhaltung unter Ludwig XIV., Ludwig XV. und Ludwig XVI. zu vergleichen. Ich würde deshalb eher sagen, dass das Aufwand-Nutzen-Verhältnis nicht mehr stimmte bzw. es so empfunden wurde und dass das dann zur Ablehnung des Hofes in Versailles führte. Die Kritik einiger Aufklärer an die aufwändige Hofhaltung war letztlich nur eine verdeckte Kritik am ganzen System.

Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte Frankreich war geprägt von den Auseinandersetzungen des Königtums mit dem Adel bzw. dem Hochadel. Schrittweise, zum Teil auch mit Rückschritten, konnte das Königtum Steuererhebung, Gerichtsbarkeit, Münzprägung und Truppenaufstellung an sich bringen. Der Aufstand der „Fronde“ von 1648 bis 1653 war die letzte Erhebung des Hochadels gegen das Königtum, danach war der Adel politisch entmachtet. Als Regierungsform setzte sich der Absolutismus durch und der Hochadel wurde, um besser kontrolliert zu werden, an den Hof geholt. Unter Ludwig XIV. setzte sich eine strenge Hierarchie durch, jede Zeremonie, jedes Ereignis um den König war auf die Minute geplant und fand in der Öffentlichkeit des Hofes dar. Der Sonnenkönig verhielt sich tatsächlich so, als sei er die Sonne und alle Personen um ihn herum, sind Gestirne, die um ihn kreisen. D.h. das System funktionierte, weil der König einerseits selbstbewusst genug war, andererseits auch diszipliniert genug war, seine Rolle zu spielen. Man denke nur daran, dass Ludwig XIV. regelmäßig Invaliden seine Hand auflegte, um diese zu heilen.

Natürlich funktionierte das System auch, weil mit dem von Colbert initiierten Merkantilismus ein auf den Hof zugeschnittener Wirtschaftskreislauf bestand.

Des Weiteren war während der Herrschaft Ludwigs XIV. der Hof nicht nur politischer, sondern auch kultureller Mittelpunkt (Molière, Racine, Lully). Der Hof verbrauchte nicht nur Gelder für die Hofhaltung, er investierte zum Beispiel auch in den Festungsbau (Vauban) und der Bau von Schlössern wie Versailles sicherte über Jahre die Einkommen vieler Handwerker. Finanziert wurde das sicher nicht nur von den Steuern und Abgaben der Untertanen, sondern auch von der Beute aus den siegreichen Kriegen Ludwigs XIV., d.h. aber auch, dass der Untergang des Ançien Regime bereits in den letzten Herrschaftsjahren Ludwigs XIV. eingeleitet wurde. Die Zeitgenossen empfanden dies zwar infolge der vielen Todesfälle in Ludwigs Familie, tatsächlich führte aber der Spanische Erbfolgekrieg zum finanziellen Ruin Frankreichs und dem Verlust seiner zentralen Stellung in Europa, von dem sich das Ançien Regime nicht richtig erholte.

Im Gegensatz zu Ludwig XIV., der verehrt oder respektiert, aber vor allem gefürchtet war, war sein Urenkel und Nachfolger Ludwig XV. die ersten dreißig Jahre seiner Herrschaft durchaus beliebt gewesen. Das lag sicher daran, dass für ihn die Regenten Orleans, Bourbon und Fleury die Arbeit machten und so in der Kritik standen, der König dagegen zuerst als Kind, später als junger Familienvater große Sympathien im Volk genoss. Dass diese Sympathie sich in Verachtung wandelte, hatte viele Gründe. Zum einen machte sich die Knappheit von finanziellen Mitteln bemerkbar, die die französische Wirtschaft benötigte. Hier machte sich das Scheitern von John Law bemerkbar, aber auch das Fehlen einer Zentralbank. Ebenso wurde nicht unterschieden, ob Ludwig XV. Ausgaben als Staatsmann oder als private Person bestritt. Der Merkantilismus hatte sich überlebt, der Hof war auch nicht mehr das wirtschaftliche Zentrum, das vielen Handwerkern Einnahmen garantierte. Aus ehemaligen Hofhandwerkern, Hofköchen oder Hofschneidern entwickelten sich schrittweise private Unternehmer, die sich ihre Waren und Leistungen nach Angebot und Nachfrage bezahlen ließen und nicht einem vom Finanzminister festgelegten Lohn oder Preis akzeptierten.

Zweitens trug die militärische Niederlage im Siebenjährigen Krieg, sowohl in Europa als auch in Nordamerika, dazu bei, dass Ansehen des Königtums zu verschlechtern. Ludwig XV. und seine Minister waren nicht in der Lage, notwendige Reformen im Heer und in der Flotte umzusetzen. In der Erschließung neuer Gebiete war man oft nur noch nach den Engländern zweiter Sieger. Ebenso wurde die außenpolitische Allianz mit den Habsburgern nicht von der französischen Öffentlichkeit akzeptiert.

Drittens trug der persönliche Lebenswandel Ludwigs dazu bei, das Königtum zu diskreditieren. Das waren nicht nur seine (noch zeitgemäße) öffentlichen Mätressen, sondern seine oft sehr junge Gespielinnen, die natürlich Aufklärern wie Voltaire oder Rousseau genügen Stoff lieferten, um gegen den König zu polemisieren. So unterstellten sie ihm u.a. auch Inzest mit seinen eigenen Töchtern. Der König litt an Depressionen, war wankelmütig in seinen Entscheidungen und ließ sich oft von Emotionen leiten. Wo Härte angebracht war, verhielt er sich nachgiebig, wo Milde sinnvoll wäre, erwies er sich als brutal, wie z.B. 1758 bei der Hinrichtung eines Attentäters, den er vierteilen ließ. Ludwig XV. erwies sich als unfähig, die Rolle des Königs nach den Vorgaben des Systems auszufüllen. Während Ludwig XIV. durch Strenge und Härte die Loyalität des Hofadels erzwang, erreichte Ludwig XV. dies nur durch Bestechung und Gewähren von Privilegien. Er korrumpierte damit die Hofgesellschaft.

Viertens bestimmten verschiedene, miteinander rivalisierende Adelscliquen die Politik. Dies förderte eine Günstlingspolitik, die alle mögliche Glücksritter an den französischen Hof brachte, die wiederum den Staat ausplünderten oder zumindest auf der Tasche lagen, was wiederum die Finanzlage verschärfte. Karrieren wie die von Cagliostro, Casanova oder der Gräfin Dubarry sind die Spitze, aber keine Einzelfälle dieser Entwicklung.

Ludwig XV. erkannte dies zwar und bemühte sich seit 1770 um eine Korrektur seiner bisherigen Politik. Aber da war es wohl schon zu spät. Nach seinem Tod im Jahr 1774 wurden viele Reformen von Ludwig XVI. zurück genommen.

Ludwig XVI. hatte überhaupt nicht mehr das Format, die Rolle eines absolutistischen König zu spielen. Zwischenmenschliche Probleme mit seiner Ehefrau Marie Antoinette machten ihn wohl auch zu einer Witzfigur. Sein wohl gut gemeintes Engagement für die US-Amerikaner bzw. gegen die Engländer verschlechterte die Finanzen, viel schlimmer war wohl, dass auch das Gedankengut der amerikanischen Revolutionäre nach Frankreich gelangte. Die Halsbandaffäre und Missernten führten schließlich zur Eskalation, der Ludwig XVI. nicht gewachsen war. Ludwig XVI. und Marie-Antoinette sind wohl in jedes Fettnäpfchen getreten, das ihnen gestellt wurde, am Ende hätten sie machen können, was sie wollten, ihr Ruf war so ruiniert, dass er durch nichts mehr aufgebessert werden konnte. Der Hof wurde als nutzlos, ohne Funktion und Aufgabe empfunden und da war man nicht mehr bereit, dies zu finanzieren. Ludwig XVI. wurde meines Erachtens nicht erst am 10. August 1792 (Tuilerien-Sturm) entmachtet, sondern bereits am 6. Oktober 1789, als er Versailles verlassen musste, um in den Tuilerien (als quasi Gefangener der Revolutionäre) zu residieren.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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RE: Revolution, der finanzielle Faktor - Diskussion zum G/Geschichteheft 7/2014: - Sansavoir - 25.07.2014 18:37

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