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Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
16.08.2014, 22:08
Beitrag: #1
Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
Sieht man sich die Welt des Mittelalters so an fällt eines auf, Europa liegt in vielen Bereichen weit hinter dem Morgenland. Wissenschaft, Kultur, Städtebau usw. sind einige Bereiche in denen am ehesten noch Byzanz mit den Reichen des Morgenlandes mitkommt, das Abendland ist weit hinten. Militärisch gibt es immer wieder Phasen wo es den islamischen Staaten gelingt stark vorzustoßen, etwa die Arabische Expansion, der Vorstoß der Seldschuken, oder die Expansion der Osmanen. Europa hat dem zeitweise eher wenig entgegenzusetzen, so scheint es

Schauplatzwechsel: Ende 19./Anfang 20. Jahrhundert: Europas Mächte kontrollieren große Teile der Welt, auch das einst so starke Morgenland ist kolonialisiert oder zumindest stark unter den Einfluss der Kolonialmächte geraten. Das einst so mächtige Osmanenreich ist nun ein zerfallendes ehemaliges Großreich und das einst blühende Persien muss aufpassen nicht bald als Kolonie zu enden.

Das führt mich zu meinen Fragen:

-Wann und warum denkt ihr hat dieses Zurückfallen der islamischen Welt angefangen?

Ein paar Zusatzfragen fallen mir noch ein:
-Denkt ihr hätte einer Eroberung Wiens durch die Osmanen im 16. oder 17. Jahrhundert daran was ändern können?
-Wären die Osmanen und Persien zu Kolonien geworden, wenn der 1. Weltkrieg nicht die Lage der Welt total verändert hätte?

Gebe zu eigentlich sind die Osmanen das Thema des aktuellen Hefts, aber immerhin waren sie für einige Zeit lang das stärkste der Reiche des Morgenlandes, deshalb denke ich das diese Frage nach der Gesamtlage schon passt.

Freue mich auf eure Antworten und eine spannende Diskussion.
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17.08.2014, 12:03
Beitrag: #2
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
Da die Osmanen lange Zeit den Großteil des arabischen Raums dominierten, wenn nicht beherrschten, haben sie sicherlich auch eine Rolle gespielt, als in genau dem gleichen Zeitraum der Orient den Anschluss an den Okzident verloren hat.
Die Tatsache, dass es ein islamisches Großreich gab, kann nicht der Grund dafür gewesen sein, denn genau in einer Großreichszeit hat der Orient seine mittelalterliche Vorrangstellung ja auch erst aufgebaut.

Es muss mit dem osmanischen Herrschaftsprinzip zusammenhängen:
In Konstantinopel ein meist schwacher Sultan, in den Reichsteilen eine mit zunehmender Entfernung von Konstantinopel immer schwächer werdende Zentralgewalt, dafür immer stärker werdende Partikularkräfte (Stichwort Rentenwirtschaft, Lehenssystem), wobei die "Gouverneure" immer selbstständiger wurden, je weiter sie von Konstantinopel entfernt waren, bis hin zu dem Zustand, dass das Osmanische Reich nur noch die nominelle Oberhoheit hatte.
Doch das führte nicht dazu, dass sich die "Teilreiche" quasi auf die Hitnerbeine stellten und eigene kulturelle Akzente setzten. die dortigen Herrscher konnten oder wollten sich nicht vollständig von Konstantinopel lösen, sahen offenkundig einen Vorteil darin, den Sultan als Oberherrscher anzuerkennen und währenddessen ihr eigenes Süppchen zu kochen.
Das führte dazu, dass man allzu sehr auf den Erhalt des "Status Quo" achtete, inklusive Unterdrückung der Zivilbevölkerung. Denn die Grundherren der Reichsteile saßen in Konstantinopel und profitierten von ihrer Nähe zum Hof. Die Einheimischen "vor Ort" hatten damit zu tun, die Abgaben an die Grundherren zu zahlen, waren auch in Sachen Gerätschaften und Viehbestand von den "Rentenkapitalisten" völlig abhängig, und das führte zum kulturelen Stillstand. Prachtentfaltung war den Reichen wichtiger als technischer Fortschritt, so lange, bis die islamische Kultur des Orients der des europäischen "Westens" so unterlegen war, dass ein Aufholen fast unmöglich geworden war - auch, weil Europa das zu verhindern wusste, um selber Vorteile aus der Rückständigkeit des Orients zu ziehen.

Es war also ein Netzwerk aus Eigensucht der Reichen, Herrschaftssystem der Osmanen und (früh-)kolonialem Verhalten der europäischen Staaten, das zum Zurückfallen des Morgenlandes führte.

Das ist zumindest meine These.

VG
Christian
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17.08.2014, 13:41
Beitrag: #3
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
Kismet?
Karl May machte den Islam dafür verantwortlich.

Meine These: Der Orient hat die technische Revolution seit ca. 1750 nicht mitgemacht.
Warum?
hmmmmm...
Gegenfrage: Warum war die technische Revolution im Okzident?

Bis 1750 war man im Orient eher fortgeschrittener als im Okzident. Soll heißen die Voraussetzungen waren eher besser.

Das Geschehen in der Vergangenheit ist überaus komplex.
Idea Vielleicht macht sich mal einer die Mühe und stellt eine Computer-Simulation zusammen die die Masse der Fakten berücksichtigt.Auf das Ergebnis könnte man gespannt sein.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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17.08.2014, 20:28
Beitrag: #4
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(17.08.2014 12:03)913Chris schrieb:  Da die Osmanen lange Zeit den Großteil des arabischen Raums dominierten, wenn nicht beherrschten, haben sie sicherlich auch eine Rolle gespielt, als in genau dem gleichen Zeitraum der Orient den Anschluss an den Okzident verloren hat.

Genau das war der Grund warum ich diese Frage zum aktuellen Heft gestellt habe.
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17.08.2014, 21:23
Beitrag: #5
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
Mal kurz nachgelesen:

Die Aussage, der Orient wäre zurückgelieben kann man so nicht machen.
Korrekt formuliert muss es heißen:
Warum ist der Okzident so vorgeprescht.

Es ist wohl so zu verstehen, dass das Fortschittsdenken, der Fortschrittsglaube in Wissenschaft und Technlogie der der Menschheit ständig neue Segnungen bringt, in der Menschheitsgeschichte recht neu ist.
Alle Kulturen, auch unsere europäische bis in die Neuzeit hinein hatten das Denkmodell der "Goldenen Zeit" als Leit-Philosophie.
Glaubten eher an den ständigen Abstieg.
Man konnte versuchen sich auf dem Level zu halten, die eine oder andere kleine Verbesserung war velleicht möglich. Aber generell ging es abwärts.

Ich habe zufällig letzt Woche von der bpb "Eine kleine Geschichte der Menschheit" erworben, da wird dieser Fakt ausgeleuchtet.

(Versandkostenfrei zu € 4,50ein sehr zu empfehlendes Schnäppchen)

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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18.08.2014, 01:09
Beitrag: #6
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(16.08.2014 22:08)WDPG schrieb:  -Wann und warum denkt ihr hat dieses Zurückfallen der islamischen Welt angefangen?

Ich denke, dass man diese Frage nicht allgemein beantworten kann. Zwar fiel die gesamte islamische Welt aufgrund der nach 1500 bzw. nach 1700/50 stattfindenden politischen, wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen in Europa zurück, aber diese Aussage trifft auch für nichtislamische Gesellschaften wie China oder Japan zu. Ansonsten sollte man die islamische Welt nicht als geschlossenen, homogenen Block sehen, sondern eher in ihren unterschiedlichen Teilen untersuchen. D.h. wir müssen uns mit sehr unterschiedlichen Entwicklungen der arabischen, türkischen, persischen oder indischen Staaten und Völker befassen. (Die islamische Bevölkerung des heutigen Indonesien und islamische Völker in China klammere ich mal vorerst aus, da sie keinen Einfluss auf das mittelalterliche Europa hatten.)

Fangen wir mit dem Arabern an, die ihren Siegeszug von der arabischen Halbinsel bis Spanien im Westen und Indien im Osten im 7. und 8. Jahrhundert vollzogen. Ich würde sagen, dass die politische Entwicklung der Araber spätestens seit dem 10. Jahrhundert stagnierte, wenn auch noch auf hohen kulturellen, wirtschaftlichen und technischen Niveau. Während im 7. und 8. Jahrhundert politische Krisen (661, 680, 750) überwunden wurden, sollte man das Kalifat von Harun ar-Raschid nicht nur als Höhe- oder Glanzpunkt des arabischen Orients sehen, sondern auch als Beginn des Niedergangs. Ich begründe dies einerseits damit, dass während des Kalifats von Harun die Konflikte mit den persischen Barmakiden begannen, somit die fruchtbare arabisch-persische Allianz beendet wurde.

Mit der Entmachtung seines Wesirs aus der Barmakidendynastie im Jahr 803 beseitigte zwar der Kalif einen zu mächtig gewordenen Vertreter der persischen Oberschicht, den persischen Anspruch des Mitregierens konnte er aber nicht verhindern. Nach seinem Tod konnten sich persische Dynastien (zum Teil in Konkurrenz zueinander) als faktisch unabhängig etablieren. Andererseits behaupteten sich während der Herrschaft Haruns (de facto) drei unabhängige Dynastien in Marokko, Ifriqa und Algerien, so dass der politische Einfluss des Kalifats in den maghrebinischen Gebieten ebenfalls zurückging. Ein Anordnung Haruns, alle Juden und Christen durch gesonderte Zeichen erkennbar zu machen, trug sicher auch nicht zum Zusammenhalt seiner Untertanen bei. Die Kämpfe der Söhne Haruns untereinander oder gegen die faktisch selbstständigen Herrscher des Maghrebs oder Persiens runden diese Zerfallserscheinungen ab, da sie das Kalifat erheblich schwächten.

Mit der Machübernahme der Fatimiden im Maghreb und in Ägypten, ihre 910 erfolgte Selbsternennung zum Kalifen des Westens, dem der Emir von Cordoba 929 folgte und sich ebenso zum Kalifen erhob, gab es dann drei miteinander verfeindete unabhängige Kalifate und einige selbstständige lokale arabische Dynastien wie die Idrisiden oder persische Dynastien wie die Samaniden. Für mich sind das eindeutige Zeichen einer politischen und gesellschaftlichen Stagnation, wenn nicht sogar schon Anzeichen des beginnenden Zerfalls. Obwohl man sich gegenüber Europa noch auf einen sehr hohen Niveau befindet, man bedenke z.B. dass um 929 Nord- und Osteuropa noch nicht christianisiert waren, dass z.B. Heinrich I. in diesem Jahr das Land östlich der Elbe und Saale in Besitz nahm oder der französische König Karl III. wegen seiner „Einfältigkeit“ Wikinger Land zu geben und anderer „Verstöße“ gegen Interessen des Hochadels im Kerker seiner Gegner starb.

Im Verlauf des 10. und 11. Jahrhundert zerfiel die arabische Einheit immer mehr. Das Abbasiden-Kalifat hatte tatsächliche Macht nur noch in der Gegend um Bagdad und wurde seit etwa 1000 durch die Ghaznawiden bedrängt. Das Kalifat von Cordoba zerfiel 1031 in mehrere Teilstaaten. Das Kalifat von Kairo hat sich meines Erachtens mit seiner Eroberungspolitik (Jemen, Bagdad) übernommen, nur so ist es zu erklären, dass 1076 Seldschuken und 1099 die Kreuzfahrer auf dessen Territorium Gebiete erobern konnten. Im 12. Jahrhundert gerieten die Araber schließlich in die Defensive, sowohl in der Auseinadersetzung mit den christlichen Mittel- und Westeuropäern, als auch gegen Ghasnawiden, Seldschuken und Berber (Almoraviden, Almohaden).

Obwohl die gesellschaftliche Entwicklung der Araber rückläufig war, stand sie natürlich immer noch auf einem höheren kulturellen Niveau als die der Europäer, für die das Zusammentreffen mit den arabischen Gesellschaften ein Transfer an Wissenschaft und Kultur bedeutete. Trotzdem darf man die Europäer des 12. und 13. Jahrhundert nicht mehr mit den Europäern der vergangenen 500 Jahre vergleichen. Im 12. Jahrhundert war größtenteils die Christianisierung abgeschlossen, die Urbanisierung nahm zu und man hatte schon Petrus Abelard oder Hildegard von Bingen vorzuweisen, denen im 13. Jahrhundert z.B. noch Albertus Magnus oder Thomas von Aquin folgen sollten. Der mordende Kreuzfahrer war zwar ein Teil des damaligen Europas und prägte in den arabischen Ländern das Bild von Europa, aber er war nur ein Teil eines aufstrebenden Europas im 12. Jahrhundert. Im Gegensatz zu den Konquistatoren des 16. Jahrhunderts, die fremde Kulturleistungen negierten, waren die Europäer des 12. Jahrhunderts trotz religiöser Verblendung klug genug, die hohe Kultur der Araber zu erkennen und von ihr zu lernen bzw. zu übernehmen.

Dass die Kultur der Araber noch in hoher Blüte stand, beweisen z.B. der arabische Philosoph Averroës oder der jüdische Denker Maimonides, beide in Cordoba geboren, beide um 1200 gestorben, Averroës in Marrakesch, Maimonides in Kairo. Ebenso konnte seit 1170 Saladin als Herrscher der Gläubigen einen starken Abwehrriegel gegen weitere Expansionen von Kreuzfahrern und Seldschuken schaffen. Aber nach dem Tod seines Bruders al-Adil im Jahre 1218 erfolgte die Teilung und somit Schwächung des Ayyubiden-Staates. So ist es kein Wunder, dass mit dem Aufkommen der Mameluken seit 1250 diese Teilstaaten, wie auch die Kreuzfahrerstaaten verschwanden. Schließlich eroberten die Mongolen 1258 Bagdad und beendeten damit das Abbasiden-Kalifat. Bereits 1212 konnte ein vereinigtes Heer der Könige von Kastilien, Leon, Navarra und Aragon die Almohaden in der Schlacht von Las Navas de Tolosa besiegen. Egal, ob man nun die Jahreszahlen 1212, 1218, 1250 oder 1258 nimmt, aber sie alle symbolisieren das Ende der gesellschaftlichen Vormachtstellung der Araber. Zwar konnten sich die Araber in Spanien bis 1492 noch halten und das Emirat von Granada erreichte nochmals eine kulturelle Blüte. In Kairo bestand das Kalifat weiter, allerdings nur mit religiösen Befugnissen, die tatsächliche Macht lag bei den Mameluken-Beys, die ebenfalls in Kairo residierten, ehe beide 1517 sich der Macht der Osmanen unterwerfen mussten. Diese beiden Daten 1492 und 1517 stehen für den Niedergang der Araber, dessen gesellschaftlichen Folgen heute noch nachwirken.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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18.08.2014, 11:04
Beitrag: #7
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(17.08.2014 21:23)Suebe schrieb:  Mal kurz nachgelesen:

Die Aussage, der Orient wäre zurückgelieben kann man so nicht machen.
Korrekt formuliert muss es heißen:
Warum ist der Okzident so vorgeprescht.

Es ist wohl so zu verstehen, dass das Fortschittsdenken, der Fortschrittsglaube in Wissenschaft und Technlogie der der Menschheit ständig neue Segnungen bringt, in der Menschheitsgeschichte recht neu ist.
Alle Kulturen, auch unsere europäische bis in die Neuzeit hinein hatten das Denkmodell der "Goldenen Zeit" als Leit-Philosophie.
Glaubten eher an den ständigen Abstieg.
Man konnte versuchen sich auf dem Level zu halten, die eine oder andere kleine Verbesserung war velleicht möglich. Aber generell ging es abwärts.

Ich habe zufällig letzt Woche von der bpb "Eine kleine Geschichte der Menschheit" erworben, da wird dieser Fakt ausgeleuchtet.

(Versandkostenfrei zu € 4,50ein sehr zu empfehlendes Schnäppchen)

Finde den Gedankengang recht interessant, wobei sich auch bei diesem dann die Frage stellt warum sich dieses Fortschrittsdenken in Europa und nicht etwa bei den Osmanen oder in Persien eingestellt hat.

Muss sagen mir war diese Überlegung das die Goldene Zeit schon war und nun der Niedergang folgt nicht neu. Weiß aber nicht ob dieser Gedanke über das ganze Mittelalter und die Frühe Neuzeit gilt, kenne das eher von Völkerwanderung und der Zeit nach der Pestwelle. Muss natürlich nicht sein das es nicht so war, nur weil mir das ganze nur Zeitweise auffällt.
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18.08.2014, 11:13
Beitrag: #8
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(18.08.2014 01:09)Sansavoir schrieb:  Ich denke, dass man diese Frage nicht allgemein beantworten kann. Zwar fiel die gesamte islamische Welt aufgrund der nach 1500 bzw. nach 1700/50 stattfindenden politischen, wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen in Europa zurück, aber diese Aussage trifft auch für nichtislamische Gesellschaften wie China oder Japan zu.

Da hast du recht, in Linz gabs im Frühjahr mal eine Vortragsreihe zu Europa in der Weltgeschichte, in einem Teil ging es auch um Gründe warum Europa so stark aufge- (und später über)holt hat. Vergleiche zu anderen Teilen der Welt gab es, auch zu China. Es wurde erwähnt wie weit China im 12. und 13. Jahrhundert technisch schon war, weiß nicht mehr genau wann (finde auch gerade nichts wo ich damals mitgeschrieben habe) aber China stand technisch nicht soo weit von der industriellen Revolution entfernt. Warum in China diese dann nicht startete? Laut dem was ich von damals in Erinnerung gehabt habe: Weil in China immer genug Arbeitskräfte da waren, China nicht unbedingt nötig hatte Produktion mit Hilfe von Maschinen zu vereinfachen und zu beschleunigen. Warum China nicht wie Europa expandiert hat, darüber habe ich schon mal einen Tread gestartet. Zum Teil lags wohl auch am Gedanken das der Kaiser von China schon über alles Herrsche was sich lohnt.

Die Osmanen wurden in der damaligen Reihe, eher wenig beachtet, dabei waren sie im 15. und 16. Jahrhundert eine Europa wohl mindestens ebenbürtige Macht.
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18.08.2014, 11:21
Beitrag: #9
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
Hier noch eine Kurzinfo zu dem von mir empfohlenen Werk

Zitat:Schriftenreihe (Bd. 1392)
Eine kurze Geschichte der Menschheit

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"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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18.08.2014, 12:50
Beitrag: #10
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(18.08.2014 11:13)WDPG schrieb:  
(18.08.2014 01:09)Sansavoir schrieb:  Ich denke, dass man diese Frage nicht allgemein beantworten kann. Zwar fiel die gesamte islamische Welt aufgrund der nach 1500 bzw. nach 1700/50 stattfindenden politischen, wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen in Europa zurück, aber diese Aussage trifft auch für nichtislamische Gesellschaften wie China oder Japan zu.

Da hast du recht, in Linz gabs im Frühjahr mal eine Vortragsreihe zu Europa in der Weltgeschichte, in einem Teil ging es auch um Gründe warum Europa so stark aufge- (und später über)holt hat. Vergleiche zu anderen Teilen der Welt gab es, auch zu China. Es wurde erwähnt wie weit China im 12. und 13. Jahrhundert technisch schon war, weiß nicht mehr genau wann (finde auch gerade nichts wo ich damals mitgeschrieben habe) aber China stand technisch nicht soo weit von der industriellen Revolution entfernt. Warum in China diese dann nicht startete? Laut dem was ich von damals in Erinnerung gehabt habe: Weil in China immer genug Arbeitskräfte da waren, China nicht unbedingt nötig hatte Produktion mit Hilfe von Maschinen zu vereinfachen und zu beschleunigen. Warum China nicht wie Europa expandiert hat, darüber habe ich schon mal einen Tread gestartet. Zum Teil lags wohl auch am Gedanken das der Kaiser von China schon über alles Herrsche was sich lohnt.

Die Osmanen wurden in der damaligen Reihe, eher wenig beachtet, dabei waren sie im 15. und 16. Jahrhundert eine Europa wohl mindestens ebenbürtige Macht.

Volle Zustimmung.
aaO, die Nachricht von der Entdeckung Amerikas, eines weiteren Kontinents! wäre im Osmanischen Reich, in Persien, Indien und China schnell bekannt geworden. Es hätte staatlicherseits keinen groß interessiert.
Die erste Aktion Asiens in Richtung Amerika wäre 1942 die japanische Besetzung von 2 Aleuteninseln gewesen.

Die europäischen Herrscher des Spätmittelalters haben häufig "Wunderkammern" angelegt. Sammlungen von Besonderheiten und Kuriositäten. Das wurde bestaunt .... fertig. Keine Weiterentwicklungen, nichts.
Götz von Berlichingen dürfte bekannt sein. Der Ritter mit der eisernen Hand.
Die eiserne, funktionsfähige Hand wurde bestaunt, Kuriosität. Keine nachhaltige Weiterentwicklung, nicht mal nachgebaut wurde sie.

Und plötzlich ändert sich alles.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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18.08.2014, 13:53
Beitrag: #11
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(18.08.2014 01:09)Sansavoir schrieb:  Fangen wir mit dem Arabern an, die ihren Siegeszug von der arabischen Halbinsel bis Spanien im Westen und Indien im Osten im 7. und 8. Jahrhundert vollzogen. Ich würde sagen, dass die politische Entwicklung der Araber spätestens seit dem 10. Jahrhundert stagnierte, wenn auch noch auf hohen kulturellen, wirtschaftlichen und technischen Niveau. Während im 7. und 8. Jahrhundert politische Krisen (661, 680, 750) überwunden wurden, sollte man das Kalifat von Harun ar-Raschid nicht nur als Höhe- oder Glanzpunkt des arabischen Orients sehen, sondern auch als Beginn des Niedergangs. Ich begründe dies einerseits damit, dass während des Kalifats von Harun die Konflikte mit den persischen Barmakiden begannen, somit die fruchtbare arabisch-persische Allianz beendet wurde.

Mit der Entmachtung seines Wesirs aus der Barmakidendynastie im Jahr 803 beseitigte zwar der Kalif einen zu mächtig gewordenen Vertreter der persischen Oberschicht, den persischen Anspruch des Mitregierens konnte er aber nicht verhindern. Nach seinem Tod konnten sich persische Dynastien (zum Teil in Konkurrenz zueinander) als faktisch unabhängig etablieren. Andererseits behaupteten sich während der Herrschaft Haruns (de facto) drei unabhängige Dynastien in Marokko, Ifriqa und Algerien, so dass der politische Einfluss des Kalifats in den maghrebinischen Gebieten ebenfalls zurückging. Ein Anordnung Haruns, alle Juden und Christen durch gesonderte Zeichen erkennbar zu machen, trug sicher auch nicht zum Zusammenhalt seiner Untertanen bei. Die Kämpfe der Söhne Haruns untereinander oder gegen die faktisch selbstständigen Herrscher des Maghrebs oder Persiens runden diese Zerfallserscheinungen ab, da sie das Kalifat erheblich schwächten. ......

Muss sagen deine Analysen sind extrem interessant und gut ausgeführt. Kann deiner Analyse im großen und ganzen Zustimmen, der einzige Punkt den ich kritisieren könnte ist das ich nicht finde das damals die Europäer schon auf dem „Weg zu Überholen“ waren. Immerhin kamen noch Rückschläge und auch noch der Vormarsch der Osmanen, dem man lange Zeit fast nichts entgegen setzen konnte. Doch ich vermute das kommt noch.

Mit dem Beginn der Stagnation nach Harun ar-Raschid gebe ich dir vollkommen recht. Ein Indiz das es dann relativ bald politisch bergab ging war das es Byzanz bereits in der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts (zur Zeit Kaiser Michael III) erstmals wieder gelang die Initiative im Osten zu ergreifen, was zumindest die Rückeroberung kleiner Teile betraf.

Das, dass Reich der Araber mal zerfallen musste war klar, es war einfach extrem groß, kein Wunder das starke örtliche Machthaber aufkamen (weiß schon das, dass nur ein Faktor unter mehreren war).

Interessant wäre auch die Frage warum man gegenüber Europa überhaupt so überlegen war. Ich denke das hierfür 2 Gründe extreme Bedeutung hatten: Erstens man hatte den gleichen Vorteil wie einst Rom, dadurch das man über ein sehr großes Gebiet herrschte konnte man Wissen von all diesen Gegenden nutzen, zweitens waren die Reiche denen diese Gegenden vorher gehörten schon vorher weiter als Westeuropa nach der Völkerwanderung. Es handelte sich ja hauptsächlich um Gebiete die zuvor Byzanz oder dem Sassanidenreich kamen.

Einen kleinen Schwung erhielt die Expansion übrigens noch einmal, als es den Seldschuken gelang für kurze Zeit nochmals ein extrem großes Gebiet zu vereinigen und auch noch den Großteil Anatoliens zu erobern. War aber eigentlich keine arabische Expansion sondern eine Türkische.

Sind nur ein paar Ergänzungen und Überlegungen die mir zu deiner brillianten Analyse einfallen.
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18.08.2014, 14:41
Beitrag: #12
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(18.08.2014 12:50)Suebe schrieb:  ./.
Die europäischen Herrscher des Spätmittelalters haben häufig "Wunderkammern" angelegt. Sammlungen von Besonderheiten und Kuriositäten. Das wurde bestaunt .... fertig. Keine Weiterentwicklungen, nichts.
Götz von Berlichingen dürfte bekannt sein. Der Ritter mit der eisernen Hand.
Die eiserne, funktionsfähige Hand wurde bestaunt, Kuriosität. Keine nachhaltige Weiterentwicklung, nicht mal nachgebaut wurde sie.

Und plötzlich ändert sich alles.

Man verzeihe mir das Selbstzitat.

Zur "Eisernen Hand" des Götz von Berlichingen.
aus Wiki:
Zitat:Die „Zweithand“ spielte auch in der neueren Medizin eine Rolle. Die erste willkürlich, also ohne Unterstützung der gesunden Hand, bewegliche Armprothese entwickelte der Berliner Zahnarzt Peter Baliff um 1812. Diese Kunsthand ähnelte äußerlich sehr der jüngeren Götzhand, die Baliff sich zum Vorbild genommen hatte.[4]Confused. 89 Auch weitere frühe moderne Kunsthände wie die von Margarethe Caroline Eichler aus dem Jahr 1836 übernahmen Konstruktionsmerkmale der Eisernen Hand.[4]Confused. 91ff.

Mit dem Ersten Weltkrieg stieg der Bedarf an Prothesen für die oberen und unteren Extremitäten in Europa deutlich an. Robert Forrer berichtet, dass die in Straßburg ausgestellte Balbronner Hand bei den verwundeten deutschen Soldaten größtes Interesse hervorrief.[12]

Im Jahr 1916 lieh sich der deutsche Chirurg Ferdinand Sauerbruch die Prothese von der Familie Berlichingen, um ihre Funktion zu studieren.[10] Sauerbruch berichtete später, der „sinnreiche Mechanismus“ der Götzenhand habe ihm wertvolle Anregungen bei der Entwicklung des sogenannten Sauerbruch-Arms geliefert, der als die erste moderne Unterarmprothese gilt.

Ergo:
In Einzelbereichen, hier Prothesenmedizin, hat das Stagnationsdenken noch Jahrhunderte angehalten.

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18.08.2014, 18:31
Beitrag: #13
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(18.08.2014 13:53)WDPG schrieb:  Interessant wäre auch die Frage warum man gegenüber Europa überhaupt so überlegen war. Ich denke das hierfür 2 Gründe extreme Bedeutung hatten: Erstens man hatte den gleichen Vorteil wie einst Rom, dadurch das man über ein sehr großes Gebiet herrschte konnte man Wissen von all diesen Gegenden nutzen, zweitens waren die Reiche denen diese Gegenden vorher gehörten schon vorher weiter als Westeuropa nach der Völkerwanderung. Es handelte sich ja hauptsächlich um Gebiete die zuvor Byzanz oder dem Sassanidenreich kamen.

Das stimmt. Ich denke aber auch, ein weiterer Vorteil der Araber war, dass sie von den Kulturen der eroberten Länder das übernahmen, was für sie nützlich war. Sie kamen nicht als Zerstörer von Kulturen, sondern nahmen vieles von den Völkern der eroberten Länder (Perser, Griechen, Inder) auf und verbesserten es zum Teil. Sie waren einerseits in der Lage von fremden Kulturen zu lernen, andererseits waren sie selbst sehr innovativ. Hier ähneln sie auch den Römern, die sehr viel von den Griechen oder Etruskern übernommen hatten, aber auch selbst viel Neues entwickelten.

Die Stagnations- und die Zerfallsphasen der Entwicklung waren dagegen oft mit Intoleranz und Ausgrenzung von Bevölkerungsgruppen verbunden.

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19.08.2014, 10:24
Beitrag: #14
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(18.08.2014 11:13)WDPG schrieb:  China stand technisch nicht soo weit von der industriellen Revolution entfernt. Warum in China diese dann nicht startete? Laut dem was ich von damals in Erinnerung gehabt habe: Weil in China immer genug Arbeitskräfte da waren, China nicht unbedingt nötig hatte Produktion mit Hilfe von Maschinen zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Und weil in China die vorindustriellen Ansätze zwar schon in der Frühzeit vorhanden waren (z.B. Fließbandproduktion eiserner Pfeilspitzen schon unter dem ersten Kaiser), aber die entstehenden Fabriken immer in STAATLICHER Hand waren, es also keine Privatinitiative gab. Wurden die fabrikähnlichen Betriebe nicht mehr gebraucht, verschwanden sie wieder, um evtl. später wieder erneuert zu werden; eine Weiterentwicklung, in technischer wie organisatorischer Hinsicht, fand aber nicht statt.
Wenn sie doch mal stattfand, wurde sie mittels steuerlichen Drucks schnell wieder abgewürgt.

VG
Christian
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19.08.2014, 22:27
Beitrag: #15
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
Man könnte ganz böswillig behaupten, dass die Araber ausschließlich von den eroberten Errungenschaften profitierten. Was dann den goldenen Orient ausmachte, war von Byzanz, Persien und Indien übernommen. Da lag aber auch schon der Keim zum Niedergang. Aus hartgesottenen Nomaden wurden in wenigen Generationen dekadente Weicheier. Ähnliches passierte ja später auch mit den Mongolen und Türken.

Der @Suebe hat Karl May erwähnt. Er beschreibt ja den orientalischen Schlendrian recht drastisch, aber ganz aus der Luft ist das nicht gegriffen.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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20.08.2014, 11:47
Beitrag: #16
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(19.08.2014 22:27)Arkona schrieb:  Der @Suebe hat Karl May erwähnt. Er beschreibt ja den orientalischen Schlendrian recht drastisch, aber ganz aus der Luft ist das nicht gegriffen.

Ich denke schon, es zeugt zumindest von Mays wenig genauer Kenntnis der tatsächlichen Hintergründe. Der allwissende, alles lösen könnende Deutsche und er etwas tappsige, wenn auch tapfere Araber, der ihm wie ein Hündchen folgt...das hat schon etwas rassistisches. Würde auch in die allgemeine Einschätzung der damaligen Deutschen von sich selber und von "den Orientalen" passen.
Der "orientalische Schlendrian" ist nichts Inhärentes, sondern kam von außen, vor allem von der Hohen Pforte in Konstantinopel. Da wurde schon drauf geschaut, dass man die Provinzen einerseits leicht unter Kontrolle halten konnte und andererseits maximalen Gewinn aus ihnen ziehen konnte. Das osmanische Lehenssystem war die Folge dieses Bestrebens und der Grund für den Schlendrian.
Das Islamische Reich war vor dem Niedergang aufgrund innerer Zerwürfnisse (z.B. zeitweise dreier Kalifen gleichzeitig!) eines der effizientesten Staatsgebilde, das jemals existiert hate! Schlendrian? Erst mal nicht, das war eine Entwicklung.

VG
Christian
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20.08.2014, 12:19
Beitrag: #17
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(20.08.2014 11:47)913Chris schrieb:  
(19.08.2014 22:27)Arkona schrieb:  Der @Suebe hat Karl May erwähnt. Er beschreibt ja den orientalischen Schlendrian recht drastisch, aber ganz aus der Luft ist das nicht gegriffen.

Ich denke schon, es zeugt zumindest von Mays wenig genauer Kenntnis der tatsächlichen Hintergründe. Der allwissende, alles lösen könnende Deutsche und er etwas tappsige, wenn auch tapfere Araber, der ihm wie ein Hündchen folgt...das hat schon etwas rassistisches. Würde auch in die allgemeine Einschätzung der damaligen Deutschen von sich selber und von "den Orientalen" passen.
./.


sorry,
aber das ist keineswegs eine "deutsche" Besonderheit gewesen.
Unter der Krankheit litten 1870aufwärts die Weißen überhaupt.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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20.08.2014, 12:49
Beitrag: #18
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
AaO wird die die These vertreten, dass die Ursachen, dass der Okzident vorgeprescht ist, zu untersuchen wäre.
Die umgekehrte Fragestellung in die Irre führt.

Denn, es sind alle Kulturen Indien, China, Persien, das Osmanische Reich auch die Mittel- und Südamerikanischen zurückgeblieben.

Der Mensch des Mittelalters fand eine Antwort auf alle Fragen in der Bibel, im koran oder wie die jeweiligen Glaubensbotschaften alle heißen.
War da keine Antwort zu finden, dann war die Frage für den Menschen auch nicht relevant, sonst hätte "der liebe Gott"/ Allah usw. dies in die Bibel/Koran usw. reingeschrieben.
Habe ich dies richtig rübergebracht? Es bestand kein Anlass für Forschung und Wissenschaft, man wusste alles.
(natürlich war das in der angeführten Unbedingtheit auch damals nicht der Fall, wer aber anders dachte, fand sich schnell auf dem Scheiterhaufen)
Mohammed wurde in islamischen Schriften als das "Siegel der Prpheten" bezeichnet, soll heißen damit ist es zu Ende, weitere Wahrheiten, weiteres Wissen darüber hinaus führend gibt es nicht.

AaO wird dann weiter die These vertreten, dass das in Europa aufkommende Bewusstsein der "Unwissenheit" zur "Wissenschaftlichen Revolution" führte.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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20.08.2014, 18:42
Beitrag: #19
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
Wir hatten das schon mal. Damals sind wir zum Schluss gekommen, dass es der Wettstreit unter den europäischen Staaten gewesen sei, der zu einem enormen - technologischen, aber auch religiös-gesellschaftlichen und verwaltungstechnischen - Entwicklungssprung führte, den die anderen Kulturen nicht mehr aufholen konnten.

Dass China, der Islam, Indien generell wissenschaftsfeindlich gewesen wären, das wage ich zu bezweifeln. Denn wir wissen ja: Algebra, Schießpulver, Papier, bewegliche Lettern - alles außereuropäische Erfindungen. Von den Philosophien ganz zu schweigen. Da buken die Europäer nur ein griechisch-römisch-christliches Gemisch neu auf, während z.B. in China ganz neue Ansätze gefunden wurden. Die Chinesen hatten überdies kein "heiliges Buch", auf das man sich verlassen konnte.

Nein, in Europa kam es in der frühen Neuzeit zu einer einzigartigen Gemengelage, die zum entscheidenden Sprung führte, der wiederum den Europäern einen so großen Vorsprung verschaffte, dass sie alle anderen Kulturen unterwerfen konnten und zur Nachahmung des europäischen Weges" zwingen bzw. veranlassen konnten.

VG
Christian
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21.08.2014, 11:51
Beitrag: #20
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(20.08.2014 18:42)913Chris schrieb:  ./.

Nein, in Europa kam es in der frühen Neuzeit zu einer einzigartigen Gemengelage, die zum entscheidenden Sprung führte, der wiederum den Europäern einen so großen Vorsprung verschaffte, dass sie alle anderen Kulturen unterwerfen konnten und zur Nachahmung des europäischen Weges" zwingen bzw. veranlassen konnten.

VG
Christian

Nicht nein, Chris, ja!
Wir sind doch beieinander.
In Europa hat sich in der Breite die Erkenntnis durchgesetzt, dass man "nichts weiß"
gegen den Widerstand zB der Kirche.
Aus dieser Erkenntnis heraus ist Forschung und Wissenschaft erst entstanden.

Um nochmals die Unterschiede zu beleuchten.
Die chinesischen Seefahrer zu Zeiten jenes berühmten Admirals waren in Kenia und in Dschidda - und weiter? Nichts. Aus die Maus.
Man vergleiche die Nachhaltigkeit mit der die Portugiesen den Seeweg nach Indien suchten.

Die Chinesen haben den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfunden.
Und weiter? Wenig, sehr wenig.
Man vergleiche, Gutenberg erfindet den Buchdruck in Europa - und es platzt ein richtiger Knoten, binnen weniger Jahre gibt es in ganz europa Druckereien.

Weitere Beispiele bei Bedarf.

Die Erkenntnis "Ich weiß, dass ich nichts weiß"
ist bis heute der oberste Lehrsatz jeder Wissenschaft.
Und er ist Originär Europäisch.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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21.08.2014, 15:43
Beitrag: #21
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
Was Suebe anspricht, ist richtig. In Europa nutzten private Unternehmer die Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung. In China, Indien oder dem Osmanischen Reich herrschten staatlich gelenkte Wirtschaftssysteme vor, die meist keinen Raum für Privatinitiativen ließen. Buchdruckereien entstanden in Europa infolge privater Initiativen, fast immer ohne Hilfe der Landesherren. Heinrich der Seefahrer war nie Regent, er förderte als Privatmann die Seefahrt von Geldern des Christus-Orden, dem er vorstand usw. In China wurde, nachdem der Kaiser meinte, sich nur aufs Reich der Mitte zu beschränken müssen, nicht nur das Flottenprogramm beendet, es erfolgte sogar ein Rückbau der Flotte. Japan riegelte sich ca. 250 Jahre ab, nur damit der technische (und der damit verbundene gesellschaftliche) Fortschritt nicht Einzug hält.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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21.08.2014, 19:59
Beitrag: #22
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
Dieses "ich weiß, dass ich nichts weiß" ist im menschlichen Denken allem nach keineswegs Allgemeingut gewesen.

zB haben sich die Spanier 27 Jahre in der Karibik herumgetrieben, vor der Haustür der Azteken. Die keinerlei Notiz von ihnen nahmen. Bis dann Cortez aufbrach, der im Gegensatz eine relativ konkrete Vorstellung davon hatte, wo er hinkam, und mit wem er sich verbünden konnte.
27 Jahre sind mehr als ein Vierteljahrhundert!
Überrascht kann da eigentlich niemand mehr sein, sollte man denken.

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22.08.2014, 02:56
Beitrag: #23
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
Die gesellschaftlichen Entwicklungen in Europa sind schon oben genannt wurden. Trotzdem versuche ich mich erst einmal weiter mit der Entwicklung der Seldschuken und den Osmanen bis zur Eroberung von Konstantinopel (1453) zu beschäftigen.

Gerald hatte ja oben auch die Seldschuken und die Osmanen genannt. Zu den Seldschuken möchte ich nicht allzu viel schreiben, ich denke, dass ihr Untergang mit den vielen Teilungen ihres Reiches bzw. der Teilreiche zu tun hat. Die historische Bedeutung der Seldschuken besteht hauptsächlich nur darin, dass sie 1071 in der Schlacht von Mantzikert die Byzantiner besiegt haben und als Folge ihres Sieges erstens Turkvölker nach Kleinasien eindringen konnten und zweitens ein Vorwand für die Kreuzzüge gefunden wurde. Ich habe den Eindruck, dass bereits nach dem Tod von Malik Schah und seines Wesirs (1092) erste Stagnations- bzw. Zerfallserscheinungen auftraten. Ansonsten wäre der Erfolg des 1. Kreuzzuges nicht denkbar. Offensichtlich konnte sich im Seldschuken-Reich keine dauerhafte Zentralmacht etablieren, Tughrul Beg († 1063) oder Alp Arslan († 1072) mussten starke Persönlichkeiten gewesen sein, die nur durch ihre Autorität das Reich zusammenhielten. Gab es solche Persönlichkeiten nicht, traten sofort Zerfallserscheinungen auf. Letztlich ist das eine logische Folge des Fehlens von zentralen Institutionen, aber auch davon, dass die Seldschuken den Großteil lokaler und regionaler Herrscher beließ, ihr Reich sowieso nur ein loser und von Teilungen geschwächter Verband war.

Deshalb wende ich mich dem bereits 1081 abgespalteten Reich der Rum-Seldschuken bzw. dem Sultanat von Ikonion (Konya) zu. Dieses Reich, das sowohl gegen die Kreuzfahrer als auch gegen die Byzantiner kämpfte, sollte man als Vorläufer und Wegbereiter des Osmanischen Reiches sehen. Dieses Reich der Rum-Seldschuken besaß eine hohe Kultur, allerdings wurde es auch durch Erbteilungen geschwächt. Dass die Erbteilung von 1186, nach der zehn Söhne Teilreiche bekamen, folgenlos blieb, lässt sich mit der Krise in Byzanz, den 3. und 4. Kreuzzug erklären. Jedenfalls gelang es einen der Brüder, Kai Chosrau I., das Reich wieder zu vereinigen. Ein sehr fähiger Regent war offensichtlich der zwischen 1220 und 1237 herrschende Aladin Kaikobad, dem es einerseits gelang die anrückenden Mongolen oder die von ihnen verdrängten Kiptschaken zu besiegen, andererseits behauptete er sich auch gegen das Kaisserreich Nikaia. 1243 unterlagen jedoch die Rum-Seldschuken den Mongolen, seitdem waren sie mehr oder weniger bedeutungslose Vasallen der Il-Khane. 1307 löste sich das Sultanat der Rum-Seldschuken auf.

Doch zu dieser Zeit begann die Geschichte eines neuen türkischen Staatswesens. Infolge mongolischer Überfälle wanderte um 1234 ein onghusischer (turkmenischer) Familienverband unter Führung von Ertugrul nach Kleinasien ein. Aladin Kaikobad, der Sultan der Rum-Seldschuken wies Ertugrul und seinem Clan ein Grenzfürstentum (Bithynien) zu, in dem sie Bevölkerungsverluste auszugleichen hatten und in dem sich die Neuankömmlinge vor allem gegen mongolische Angriffe behaupten mussten, dann aber auch aus eigenem Ermessen Angriffe gegen das byzantinische Reich Nikaia starteten. Ertogrul war formell ein Vasall der Rum-Seldschuken, die wiederum Vasallen der Il-Khane waren. Anfänglich wird seine Stellung eher mit der eines Kommandeurs einer Grenztruppe in Bithynien vergleichbar gewesen sein, am Ende seiner Tage hatte er sich jedoch als Herrscher seines Gebietes etabliert. Er muss ein umsichtiger Herrscher gewesen sein, der geschickt das Wegbrechen der Rum-Seldschuken als politische Macht zu seinen Gunsten ausnutzen konnte. Begünstigt durch seine lange Lebens- bzw. Herrschaftszeit (* um 1200) konnte er ein Staatswesen mit 1500 km2 Fläche aufbauen, das er 1281/82 seinem Sohn Osman vererbte.

Ich denke, man braucht nicht darüber zu diskutieren, dass die Geschichte von Osman I., Orchan I. und Murad I. eine Erfolgsgeschichte war. Warum? Ein Grund des Aufstieges ist natürlich in der Schwäche der unmittelbaren Nachbarstaaten zu sehen. Das Sultanat der Rum-Seldschuken löste sich 1307 auf, die Byzantiner hatten ihre Probleme mit Bulgaren oder mit Roger Flor und seiner Katalanischen Kompanie, die sie ursprünglich selbst ins Land geholt hatten. Ein weiterer Grund ist natürlich, dass Osman I. auch bereit war, gegen Byzanz Krieg zu führen. Während seiner Herrschaft konnte er sein Territorium von 1500 km2 auf 18000 km2 ausweiten, also seinen Herrschaftsbereich auf das Zwölffache vergrößern. Dabei konnten die Christen der eroberten Gebiete mit Toleranz rechnen, die etwa knapp die Hälfte der Bevölkerung stellten. Die andere, knappe Hälfte waren turkmenische Nomaden. Der Rest der Bevölkerung waren Militärsklaven, die in ihrem Rang zwischen Osman und den christlichen Einheimischen bzw. den türkischen Nomaden standen. Die Christen (Bauern, Handwerker, Kaufleute) waren außerdem steuerpflichtig, die turkmenischen Nomaden mussten eine Wehrpflicht erbringen.

Am Wichtigsten erscheint mir jedoch die Einführung des Timarsystems, die Variante des osmanischen Lehenssystem, in der einem Reitersoldaten (Sipahi) ein Gut zugeteilt wurde, wo dieser für die Aufrechterhaltung der Ordnung, für das Eintreiben der Steuern oder für die Ertragssteigerung der Ernten verantwortlich war. Der Sipahi war nicht Besitzer des Lehens, sondern er wirkte nur als Vertreter des Sultans, dem fast 90 % des Landes gehörte. Deshalb musste der Sipahi alle Einnahmen, abzüglich seiner festgelegten Ausgaben fürs Pferd, für seine Familie und für sich den Sultan überlassen. Dieses System gewährte einem starken, durchsetzungsfähigen Sultan ständige Einnahmen, ein schwacher Sultan scheiterte jedoch an der Schwerfälligkeit des Systems. Umgedreht war es sicher auch so, dass ein Sultan, dem es gelang die Sipahi zu korrekten und pünktlichen Abrechnen zu zwingen, ein handlungsfähiger Herrscher wurde.

Ein weiterer wichtiger Grund für den Aufstieg der Osmanen war, dass die Machtübergabe von Ertogrul auf Osman I. (1281/82) bzw. von Osman I. auf Orhan I. (1324/26) ohne Blutvergießen verlief, der neue Herrscher wahrscheinlich noch zu Lebzeiten des alten zum Sultan ernannt wurde.

Orhan I. gelang es, das Reich von 18.000 km2 auf fast 100.000 km2, also etwa auf das Sechsfache zu vergrößern. Erstaunlich ist, dass Orhan drei griechische Frauen geheiratet hat, darunter je eine Tochter der byzantinischen Kaiser Andronikos III. und Johannes VI. Kantakuzenos. Da sein älterer Sohn Suleiman, der Eroberer von Rumelien, vor ihm starb, folgte ihm ein jüngerer, Sohn Murad I. im Jahr 1359, ebenfalls ohne Komplikationen. Murad I. konnte bis zu seiner Ermordung nach der Schlacht auf dem Amselfeld im Jahr 1389 das Reich von 100.000 km2 auf 500.000 km2 ausdehnen, also auf das Fünffache. Während seiner Herrschaft wurde das Timarsystem verfeinert, mehrere Kleinlehen (Timar) wurden einem Großlehen (Siamet) unterstellt. Außerdem wurden unter Murad aus ehemaligen Christen die Janitscharen gebildet. D.h. der Sultan konnte eine schlagkräftige Infanterie-Berufsarmee nutzen.

Bayezid I. begann seine Herrschaft mit der Ermordung seines Bruders Yakub. Er begründete damit die Tradition des Brudermordes, die bis ins 17. Jahrhundert bei den Osmanen gebräuchlich war. Inwieweit diese Brudermorde den Staat stabilisierten oder schadeten, ist durchaus diskutabel. Bayezid I. konnte sich bei seinem Brudermord auf das Handeln seines Vaters Murad berufen, der einen seiner rebellierenden Söhne grausam umbringen ließ. Die Brudermorde wurden gerechtfertigt, weil sie angeblich die Herrschaft des fähigsten Nachkommen gewährleisteten. Das heißt, man entschied sich ganz bewusst gegen traditionelle Thronfolgeregelungen wie die Primogenitur oder das Senioriatsprinzip, die ebenfalls nicht garantieren konnten, dass das Staatswesen einen fähigen Herrscher bekam. Dass diese Brudermorde das Reich ein paar Jahre schwächte und vor allem nicht garantierte, dass der Beste, sondern nur der Skupelloseste die Nachfolge antrat, wurde erst sehr spät begriffen. Insgesamt gesehen war Bayezid I. ein erfolgreicher Herrscher, er eroberte Bulgarien und er schlug 1396 ein unter dem Kommando von Sigismund von Luxemburg stehendes Kreuzfahrerheer vor Nikopolis. Aber er musste sich auch der Guerilla-Taktik des walachischen Woiwoden Mircea des Alten beugen und er erlitt 1402 in der Schlacht von Ankara gegen Timur Lenk eine vernichtende Niederlage, die zu seiner Gefangenschaft führte, in der er 1403 verstarb.

Diese Niederlage gegen Timur leitete die erste Krise des Osmanischen Reiches ein. Die Frage ist, warum diese Krise überwunden werden konnte und letztendlich ohne Folgen blieb. Ein Grund dafür ist, dass die Europäer genügend eigene Probleme (Bürgerkrieg zwischen „Burgunder“ und „Armagnacs“ in Frankreich, Konzil von Konstanz, Fortführung des Hundertjährigen Krieges, Hussiten, Aufstieg von Polen/Litauen u.a.) zu lösen hatten und deswegen die Schwäche der Osmanen nicht ausnutzen konnte. Der Hauptgrund ist meines Erachtens aber, dass Timur nicht seinen Sieg ausnutzte, um weiter gegen die Osmanen oder gar gegen Byzanz vorzugehen. Timur ist sowieso sehr schwer einzuschätzen. In jüngerer Zeit wird versucht, ihm nicht nur als Zerstörer, sondern auch als Förderer von Kultur zu sehen. Das fällt mir aber schwer zu akzeptieren, da ich den Eindruck habe, dass sich die Zerstörungen in Persien oder im Zweistromland nachhaltiger auswirkten, als seine kulturellen Leistungen in Samarkand oder Buchara. Außerdem schaffte es Timur nicht, staatliche Institutionen zu schaffen, was wiederum auch seinem Reich nach seinem Ableben (1405) in eine Krise bescherte.

Spätestens in den 1440er Jahren hatten die Osmanen ihre Reichskrise überwunden. Man kann sich nicht dem Eindruck erwehren, dass besonders unter Murads II. zweiter Herrschaft (1446–1451) und dann unter Mehmed (seit 1451) eine besondere Tatkraft gezeigt wird, als ob man bewusst zeigen wollte, wir haben die Krise überwunden! Mehmed reformierte die Janitscharen und andere militärische Einheiten, bereits unter Murad II. wurden aus Europa Kanonengießer abgeworben, so dass Mehmed II. eine Artillerie aufbauen konnte. Ebenso schufen die beiden Sultane eine Flotte aus gemieteten und eigenen Schiffen auf, der Angriff auf die Reste des Byzantinischen Reiches, das sich seit Jahrzehnten als Insel im osmanischen Meer behauptete, war nur eine Frage der Zeit. Schließlich fiel Konstantinopel am 29. Mai 1453. Europa hatte jedoch Glück, dass 1456 ein weiterer Vormarsch der Osmanen nach Europa durch den Sieg der ungarischen Armee unter Janos Hunyadi verhindert wurde. Hunyadi war ein „alter“ Gegner der Osmanen, der ihnen 1444 in der Schlacht bei Warna und 1448 in der (2.) Schlacht auf dem Amselfeld unterlag. Trotz der Niederlage vor Belgrad bestand keine Gefahr für die Osmanen, die Timuriden schwächten sich erneut durch Thronkämpfe und Auseinandersetzungen mit den Usbeken, mit den Aq Koyunlu oder mit den Kara Koyunlu (Qara Qoyunlu).

Ich werde mal sehen, dass ich über die weitere Geschichte der Osmanen zeitnah schreiben kann.

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22.08.2014, 10:12
Beitrag: #24
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
Ich habe mich mit dem Thema gar nicht weiter beschäftigt, nur das meiste gelesen, was ihr so geschrieben habt. Dabei ist mir ein Punkt aufgefallen, der sicher irgendwie eine Rolle spielt, aber ich habe es bisher weder näher durchdacht oder weiter verfolgt.

Bei den ganzen außereuropäischen, mächtigen Reichen fällt auf, daß sie eines nie getan haben- weit entlegene Kolonien gegründet. Man hat zwar versucht, die Nachbarn zu erobern und die eigene herrschaft zu erweitern- aber die Chinesen haben bsp. nie versucht, eine afrikanische Kolonie zu gründen.
Die Araber haben zwar das Mittelmeer beherrscht (oder zu beherrschen versucht), sie haben Handelsrouten eröffnet und kontrolliert, aber auch sie sind nie auf den Gedanken gekommen, irgendwo weit weg von ihrem heimatgebiet eine Kolonie zu gründen. Zumindest so weit ich weiß.

Und irgendwie denke ich, daß es mit den Kolonien zu tun hat, daß die Europäer so weit nach vorne sprangen und die anderen zurückfielen.... Zumindest technologisch gesehen. Wann das Zurückfallen des Orients in geistiger Hinsicht begann, dürfte nicht ganz so weit zurückliegen...

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22.08.2014, 13:04
Beitrag: #25
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(22.08.2014 10:12)Bunbury schrieb:  Und irgendwie denke ich, daß es mit den Kolonien zu tun hat, daß die Europäer so weit nach vorne sprangen und die anderen zurückfielen.... Zumindest technologisch gesehen.

Scheint auf dem ersten Blick naheliegend.
ABER:
Sowohl die Araber als auch die Chinesen gründeten sehr wohl Kolonien.

Die gesamte ostafrikanische Küste war um 1500 fest in arabischer Hand (wenn auch in Gestalt einzelner Handelsstaaten mit Sitzen in den oftafrikanischen Hafenstädten), das Swahili ist eine arabisch-afrikanische Mischsprache, die sich seit dem Eintreffen erster arabischer Händler im 7.Jh. entwickelt hatte. Ab 1730 existierte das Reich von Oman, das die ganze Küste beherrschte, in Sansibar gar eine neue Hauptstadt einrichtete. Damit war Ostafrika auch in politischer Hinsicht als arabische "Kolonie" etabliert.

Unter Zheng He errichteten die Chinesen im 15.Jh. ein Handelsreich, wobei Zheng He bei seinen Fahrten auch immer nachdrücklich darauf bestand, dass die Königreiche, die er anfuhr, ihre Tribute entrichteten. War ein König unwillig, wurde er beschossen und gezwungen, zu bezahlen bzw. besonders feindselige Könige (z.B. Sri Lanka) wurden schon auch mal gefangen genommen und in China hingerichtet. Diese Vorgehensweise kommt meinem Verständnis nach einer Kolonisierung schon recht nahe. Und bis ins 19.Jh. dominierten Chinesen den Seehandel zumindest im östlichen Indischen Ozean und in Indonesien.

Die Europäer machten es selten anders: Anfangs waren ja auch z.B. die portugiesischen Kolonien lediglich Handelsstützpunkte an den (afrikanischen und asiatischen) Küsten, in Arabien, Indien und Indonesien allenfalls mit gesicherten Forts an der Küste. Auch im Fall der Europäer fand der technologische Fortschritt nicht in den Kolonien statt, sondern im Mutterland. Auch im Falle der Europäer waren die Kolonien ein Wirtschaftsfaktor, kaum einmal Anstoß zu technologischen Neuerungen.

Der Unterschied zwischen Europa einerseits und Arabien und China andererseits muss tatsächlich im jeweiligen Mutterland und seiner Verfasstheit zu suchen sein, nicht darin, ob Kolonien oder koloniales Gebahren verhanden war oder nicht. In allen drei Fälen waren die Kolonien nur dafür da, den Reichtum des Mutterlandes zu vermehren. Die für die Ausweitung des Einflsuses nötigen technologischen Neuerungen haben in allen drei Fällen VOR der Kolonisierungsphase stattgefunden, bei den Arabern und Europäern auch noch während dieser Phase (in China war die Phase der staatlich gelenkten Kolonisierung vielleicht auch einfach zu kurz).

VG
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22.08.2014, 13:28
Beitrag: #26
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
Erst mal danke für die Berichtigung. ich dachte, Araber und Chinesen hätten lediglich ein verzweigtes Handelsnetz aufgebaut, um sich Rohstoffe und Einnahmequellen zu sichern.
Ich wußte nicht, daß es auch zu Auswanderungen im größeren Stil gekommen ist.


(22.08.2014 13:04)913Chris schrieb:  Der Unterschied zwischen Europa einerseits und Arabien und China andererseits muss tatsächlich im jeweiligen Mutterland und seiner Verfasstheit zu suchen sein, nicht darin, ob Kolonien oder koloniales Gebahren verhanden war oder nicht. In allen drei Fälen waren die Kolonien nur dafür da, den Reichtum des Mutterlandes zu vermehren.

Die für die Ausweitung des Einflsuses nötigen technologischen Neuerungen haben in allen drei Fällen VOR der Kolonisierungsphase stattgefunden, bei den Arabern und Europäern auch noch während dieser Phase (in China war die Phase der staatlich gelenkten Kolonisierung vielleicht auch einfach zu kurz).

VG
Christian

Tatsächlich wollte ich darauf hinaus, daß vielleicht eine unterschiedliche innere Haltung zur Gründung von Kolonien führte, die dann den Unterschied doch beschleunigte.

So waren ja z.B. für die Gründung einiger europäischer Kolonien ja religiöse Gründe ausschlaggebend- sie standen am Anfang der Kolonialisierung Armerikas- während zu jener Zeit die Araber religiös enorm tolerant waren.
Von den fernöstlichen Kulturen ist eine gewisse Abgeschlossenheit gegenüber anderen Kulturen bekannt, die sich fremdländischen urpsrünglich mal wenig aufgeschlossen zeigte...
Und daß ein gewaltiger technischer Fortschritt aus Amerika kam, ist dann doch nicht zu bestreiten...

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22.08.2014, 14:05
Beitrag: #27
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(22.08.2014 13:28)Bunbury schrieb:  Erst mal danke für die Berichtigung. ich dachte, Araber und Chinesen hätten lediglich ein verzweigtes Handelsnetz aufgebaut, um sich Rohstoffe und Einnahmequellen zu sichern.
Ich wußte nicht, daß es auch zu Auswanderungen im größeren Stil gekommen ist.
Das nun nicht. Aber zur Beherrschung/Dominierung größerer Gebiete außerhalb des eigenen Landes. Auch das ist eine Form der Kolonisation. Die Chinesen gingen nur den Schritt zur direkten Beherrschung nicht, die Araber taten dies im 15. und im 18.Jh.

(22.08.2014 13:28)Bunbury schrieb:  Von den fernöstlichen Kulturen ist eine gewisse Abgeschlossenheit gegenüber anderen Kulturen bekannt, die sich fremdländischen urpsrünglich mal wenig aufgeschlossen zeigte...
Und daß ein gewaltiger technischer Fortschritt aus Amerika kam, ist dann doch nicht zu bestreiten...

Ja, aber erst NACHDEM Amerika nicht mehr europäische Kolonie war! Und zwar LANGE danach; etwa 100 Jahre danach.

Dass die fernöstlichen Kulturen - China, Japan, Korea meinst du wahrscheinlich - abgeschlossen waren, stimmt so auch wieder nicht.
Japan schloss sich ab, richtig.
In Korea wechselten sich Einflussnahmen, Fremdherrschaften und eigene Reichsbildungen ab, die koreanische Kultur ist eine Mischung aus einheimischen Elementen und großen chinesischen und japanischen Einflüssen sowie Einflüssen der sibirisch-mongolischen Reitervölker.

China war weitum ohne echte kulturelle "Konkurrenten", weswegen sich trotz wiederholter Eroberungen durch Fremde immer das chinesische Element durchsetzte; ABER: der auch äußerliche Unterschied zwischen Nord- und Südchinesen ergab sich daraus, dass im Grunde im Norden eine Zeitlang fast gar keine Chinesen mehr lebten. Schon zu Zeiten der Jin-Dynastie (265–420) erlebte der Norden einen Exodus in die damals noch kaum sinisierten Teile des heutigen Südchina. Als Kaiser Wengdi 581 die Sui-Dynastie gründete, war der Antagonismus zwischen "Barbaren" im Norden und "Chinesen" im Süden schon so groß, dass es tatkräftiger Kaiser bedurfte, um das Reich überhaupt zusammen zu halten. Wengdi selber war eigentlich (Kök-)türkischer Abstammung.
Immer wieder wurde Nordchina von Nomaden überrannt (die Liao z.B. gründeten eine relativ langlebige Dynastie), was letzten Endes dazu führte, dass China immer wieder "Input" von außen bekam und sich regelmäßig selbst erneuerte, wenn wieder eine chinesische oder sinisierte Dynastie es schaffte, ein Gesamtreich zu errichten.
Auch die Verbindungen nach Tibet und Indien, aber auch nach Indonesien und Südostasien rissen seit den Han nie wieder richtig ab, so dass auch hier von Abgeschlossenheit Chinas nicht wirklich die Rede sein kann.
Zu Zeiten der Han und der Tang erreichte das chinesische Machtgebiet gar Zentralasien und der chinesische Kultureinfluss mittelbar (über die Seidenstraße) gar Europa, wobei der Austausch auch ein beiderseitiger war, wenn auch in erster Linie mit Persien und Arabien ablief.

VG
Christian
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22.08.2014, 16:02
Beitrag: #28
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
Die Kolonien wie sie die Europäer, Spanier, Portugiesen, Franzosen, Briten, Niederländer usw. ab dem Ende des15. Jahrhunderten gründeten, waren tatsächlich etwas neues. Auch etliche kleine recht unbedeutende Staaten wie Dänemark oder Kurland waren mit von der Partie.

Nachrichten über den zusätzlichen Kontinent Amerika sind in Konstantinopel mit Sicherheit zeitgleich wie in Kopenhagen eingetroffen. Es hat groß keinen interessiert.
Ohne dass es sich nachweisen lässt, kann man stark vermuten, dass die Berber Nordwestafrikas, osmanische Vasallen und versierte Seefahrer, sehr wohl mit der Karibik im 16.17.18. Jahrhundert handelten.
Aber nachhaltige Initiativen im größeren Rahmen fehlen gänzlich.

Die Technologien, auch die Kapitalien waren in den anderen Kulturkreisen in deutlich höherem Masse vorhanden, die Flotte des Zeng war hundertmal so groß, wie die des Kolumbus. Während die Spuren der chinesischen Reisen verwischt sind, kaum mehr wahrzunehmen, hat Kolumbus ohne es einzugestehen! einen Kontinent entdeckt.

In Mesopotamien sind die Menschen "tagtäglich" über Keilschrift-Inschriften und Täfelchen gefallen. Ohne weitere Auswirkungen.
Die ersten Fragmente kamen 1601-02-03 nach Europa und setzten umgehend Entzifferungsversuche in Gang.

Man kann beliebig viele weitere Beispiele anführen.
In Europa war das Bewusstsein entstanden:
"Ich weiß, dass ich nichts weiß"
Woanders nicht.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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22.08.2014, 16:12
Beitrag: #29
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(22.08.2014 14:05)913Chris schrieb:  Das nun nicht. Aber zur Beherrschung/Dominierung größerer Gebiete außerhalb des eigenen Landes. Auch das ist eine Form der Kolonisation. Die Chinesen gingen nur den Schritt zur direkten Beherrschung nicht, die Araber taten dies im 15. und im 18.Jh.

Gut, dann haben wir uns mißverstanden. Für meine Argumentation entscheidend ist tatsächlich, daß eine gewisse Offenheit und Risikobereitschaft, die sich durch Auswanderung, nicht aber durch "simple" Herrschaft und Gebiete ergibt, unter der Bevölkerung der Kolonialgründer gibt.

(22.08.2014 14:05)913Chris schrieb:  
(22.08.2014 13:28)Bunbury schrieb:  Von den fernöstlichen Kulturen ist eine gewisse Abgeschlossenheit gegenüber anderen Kulturen bekannt, die sich fremdländischen urpsrünglich mal wenig aufgeschlossen zeigte...
Und daß ein gewaltiger technischer Fortschritt aus Amerika kam, ist dann doch nicht zu bestreiten...

Ja, aber erst NACHDEM Amerika nicht mehr europäische Kolonie war! Und zwar LANGE danach; etwa 100 Jahre danach.

Nun, Benjamin Franklin hat an der Unabhängigkeitserklärung (oder war es die Verfassung?) mitgeschrieben...
Auch hier ist nicht entscheidend, ob Amerika zu dem Zeitpunkt noch Kolonie war- die Amerikaner jener Zeit waren ein besonderer Menschenschlag- sie stammten nämlich von Menschen ab, die besonders risikofreudig und erfinderisch waren. (Noch vor den Armutsauswanderungen im 19. Jahrhundert) Durch die relative Anbindung an die ehemaligen "Vaterländer" kam es zu einem regen Austausch zwischen den höchst unterschiedlichen Kulturen.
Es geht hier um die geistige Verfassung, die in den Ländern herrschte, nicht darum, welche Struktur genau da bestand.

(22.08.2014 14:05)913Chris schrieb:  Dass die fernöstlichen Kulturen - China, Japan, Korea meinst du wahrscheinlich - abgeschlossen waren, stimmt so auch wieder nicht.
Japan schloss sich ab, richtig.
In Korea wechselten sich Einflussnahmen, Fremdherrschaften und eigene Reichsbildungen ab, die koreanische Kultur ist eine Mischung aus einheimischen Elementen und großen chinesischen und japanischen Einflüssen sowie Einflüssen der sibirisch-mongolischen Reitervölker.

Japan ist sicherlich extremer als die beiden anderen, aber auch hier geht es nicht darum, aus wievielen Völkern Elemente in der jeweiligen Kultur enthalten sind, sondern darum, wie aufgeschlossen und risikobereit man neuen Ideen gegenüber stand. Und den fernöstlichen Asiaten ist noch heute gemeinsam, daß sie ihren Vorfahren große Verehrung entgegenbringen, sich also neuen Einflüssen nicht so ohne weiteres öffnen- ganz egal, in welchem kulturellen Kontext sich das zeigt.
Daß wir Europäer über die Seidenstraße durchaus viele Einflüsse aus China aufnahmen und auch später viel von da kam, ist unbestritten. Viele hier können heute den einen oder anderen weisen Spruch von Laotse oder Konfuzius aufsagen, aber ich bezweifle, daß Goethe bei den Chinesen ebenso bekannt ist .... (Gut, der hat es auch nicht geschafft, seine Weiheiten in wenige Worte zu packen, aber das diskutieren wir dann doch besser an anderer Stelle)...Wink

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22.08.2014, 17:07
Beitrag: #30
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(22.08.2014 14:05)913Chris schrieb:  Von den fernöstlichen Kulturen ist eine gewisse Abgeschlossenheit gegenüber anderen Kulturen bekannt, die sich fremdländischen urpsrünglich mal wenig aufgeschlossen zeigte...
Und daß ein gewaltiger technischer Fortschritt aus Amerika kam, ist dann doch nicht zu bestreiten...

Ja, aber erst NACHDEM Amerika nicht mehr europäische Kolonie war! Und zwar LANGE danach; etwa 100 Jahre danach.

[/quote]


So lange ging es mindestens partiell nicht, Eisenbahn, Bergbau, Landtechnik, Serienfertigung kamen Innovationenn schon seit ca. 1840 von dort.


Zitat:Dass die fernöstlichen Kulturen - China, Japan, Korea meinst du wahrscheinlich - abgeschlossen waren, stimmt so auch wieder nicht.
Japan schloss sich ab, richtig.
In Korea wechselten sich Einflussnahmen, Fremdherrschaften und eigene Reichsbildungen ab, die koreanische Kultur ist eine Mischung aus einheimischen Elementen und großen chinesischen und japanischen Einflüssen sowie Einflüssen der sibirisch-mongolischen Reitervölker.

China war weitum ohne echte kulturelle "Konkurrenten", weswegen sich trotz wiederholter Eroberungen durch Fremde immer das chinesische Element durchsetzte; ABER: der auch äußerliche Unterschied zwischen Nord- und Südchinesen ergab sich daraus, dass im Grunde im Norden eine Zeitlang fast gar keine Chinesen mehr lebten. Schon zu Zeiten der Jin-Dynastie (265–420) erlebte der Norden einen Exodus in die damals noch kaum sinisierten Teile des heutigen Südchina. Als Kaiser Wengdi 581 die Sui-Dynastie gründete, war der Antagonismus zwischen "Barbaren" im Norden und "Chinesen" im Süden schon so groß, dass es tatkräftiger Kaiser bedurfte, um das Reich überhaupt zusammen zu halten. Wengdi selber war eigentlich (Kök-)türkischer Abstammung.
Immer wieder wurde Nordchina von Nomaden überrannt (die Liao z.B. gründeten eine relativ langlebige Dynastie), was letzten Endes dazu führte, dass China immer wieder "Input" von außen bekam und sich regelmäßig selbst erneuerte, wenn wieder eine chinesische oder sinisierte Dynastie es schaffte, ein Gesamtreich zu errichten.
Auch die Verbindungen nach Tibet und Indien, aber auch nach Indonesien und Südostasien rissen seit den Han nie wieder richtig ab, so dass auch hier von Abgeschlossenheit Chinas nicht wirklich die Rede sein kann.
Zu Zeiten der Han und der Tang erreichte das chinesische Machtgebiet gar Zentralasien und der chinesische Kultureinfluss mittelbar (über die Seidenstraße) gar Europa, wobei der Austausch auch ein beiderseitiger war, wenn auch in erster Linie mit Persien und Arabien ablief.

VG
Christian


Das ist alles richtig.
Ich kann nur nicht erkennen, inwiefern dies Erkenntnisse liefert warum zB China in der Zeit 1500 bis 1800 völlig den wissenschaftlich-technologischen Anschluss verlor. Nachdem es zuvor Jahrtausende führend war.
Die von Dir genannte Erfindung des Buchdrucks ist doch symptomatisch, Schlüsseltechnologien werden nicht erkannt und, obwohl lange vorhanden nur rudimentär genutzt

Dass es nicht wie das Osmanische Reich, Persien und Indien total unter die Räder kam und von den europäischen Imperialisten völlig aufgeteilt wurde, ist doch lediglich seiner schieren Grösse geschuldet.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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23.08.2014, 14:13
Beitrag: #31
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(22.08.2014 16:02)Suebe schrieb:  Nachrichten über den zusätzlichen Kontinent Amerika sind in Konstantinopel mit Sicherheit zeitgleich wie in Kopenhagen eingetroffen. Es hat groß keinen interessiert.
Ohne dass es sich nachweisen lässt, kann man stark vermuten, dass die Berber Nordwestafrikas, osmanische Vasallen und versierte Seefahrer, sehr wohl mit der Karibik im 16.17.18. Jahrhundert handelten.

Bekannt waren die Entdeckungen der Spanier und Portugiesen am Bosporus schon sehr rasch.
http://de.wikipedia.org/wiki/Karte_des_Piri_Reis

Dass die Barbaresken-Staaten die Karibik anliefen, ist sehr unwahrscheinlich. Handel war eh nicht ihr Ding, schon gar nicht mit den verfeindeten Christen. Dafür hätten sich zudem garantiert Quellen gefunden. Eher waren sie gefürchtete Piraten, die auch kleinere Küstenorte in Europa in Blitzangriffen überfielen und alles was nicht niet- und nagelfest war samt den gefangenen Einwohnern mitgehen ließen. In den Atlantik drangen sie kaum vor, obwohl Überfälle auf die irische und sogar isländische Küste belegt sind.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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24.08.2014, 13:35
Beitrag: #32
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(22.08.2014 10:12)Bunbury schrieb:  Ich habe mich mit dem Thema gar nicht weiter beschäftigt, nur das meiste gelesen, was ihr so geschrieben habt. Dabei ist mir ein Punkt aufgefallen, der sicher irgendwie eine Rolle spielt, aber ich habe es bisher weder näher durchdacht oder weiter verfolgt.

Bei den ganzen außereuropäischen, mächtigen Reichen fällt auf, daß sie eines nie getan haben- weit entlegene Kolonien gegründet. Man hat zwar versucht, die Nachbarn zu erobern und die eigene herrschaft zu erweitern- aber die Chinesen haben bsp. nie versucht, eine afrikanische Kolonie zu gründen.
Die Araber haben zwar das Mittelmeer beherrscht (oder zu beherrschen versucht), sie haben Handelsrouten eröffnet und kontrolliert, aber auch sie sind nie auf den Gedanken gekommen, irgendwo weit weg von ihrem heimatgebiet eine Kolonie zu gründen. Zumindest so weit ich weiß.

Und irgendwie denke ich, daß es mit den Kolonien zu tun hat, daß die Europäer so weit nach vorne sprangen und die anderen zurückfielen.... Zumindest technologisch gesehen. Wann das Zurückfallen des Orients in geistiger Hinsicht begann, dürfte nicht ganz so weit zurückliegen...

Bei den Arabern muss ich dir etwas wiedersprechen, man hatte doch Handeslniederlassungen an der ostafrikanischen Küste. Was man hier beachten sollte: Es lag wohl auch an der Zeit, damals hatten andere Mächte auch nicht mehr Kolonien.

Bei China hast du recht: Man machte sogar Seereisen, hatte aber wohl 2 Gründe warum man keine Kolonien gründete: Erstens war die Zeit der Seeexpansion nicht allzu lange. Zweitens: Kolonien anzulegen entsprach nicht der Philosophie Chinas, man hatte alles was sich lohnte bereits unter sich vereint.

Ein interessanter Aspekt ist es den du hier einbringst, aber sicher. Man sollte aber auch beachten das es relativ lange dauerte bis die Europäer mehr als nur Handelsstützpunkte errichteten, in Afrika war es erst der Wettlauf der dazu führte das man so weit ins Land vorstieß.
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24.08.2014, 13:41
Beitrag: #33
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(22.08.2014 13:04)913Chris schrieb:  Unter Zheng He errichteten die Chinesen im 15.Jh. ein Handelsreich, wobei Zheng He bei seinen Fahrten auch immer nachdrücklich darauf bestand, dass die Königreiche, die er anfuhr, ihre Tribute entrichteten. War ein König unwillig, wurde er beschossen und gezwungen, zu bezahlen bzw. besonders feindselige Könige (z.B. Sri Lanka) wurden schon auch mal gefangen genommen und in China hingerichtet. Diese Vorgehensweise kommt meinem Verständnis nach einer Kolonisierung schon recht nahe. Und bis ins 19.Jh. dominierten Chinesen den Seehandel zumindest im östlichen Indischen Ozean und in Indonesien.

Ja, aber meines Wissens hat man kaum versucht irgendwie chinesische Strukturen aufzubauen und auch nicht die Länder die man bereiste (außer eben die im näheren Umfeld) langfristig zu beherrschen.

Wie bereits erwähnt: Lag ein bisschen an der Philosophie Chinas.
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24.08.2014, 13:45
Beitrag: #34
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(24.08.2014 13:35)WDPG schrieb:  Ein interessanter Aspekt ist es den du hier einbringst, aber sicher.

Schön, daß du es so verstehst. Smile
Genau so war es nämlich gemeint. Ich habe mich mit dem Thema nicht näher beschäftigt, aber ich kann nun mal nicht verhindern, daß mir manchmal etwas auffällt, wenn ich mich in ein neues Thema hereinlese. Da ich nicht über das Hintergrundwissen verfüge, habe ich euch einfach mal den Ball zugespielt.
Intreessantes Spiel, daß daraus geworden ist.Wink

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24.08.2014, 13:49
Beitrag: #35
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
(24.08.2014 13:45)Bunbury schrieb:  Schön, daß du es so verstehst. Smile
Genau so war es nämlich gemeint. Ich habe mich mit dem Thema nicht näher beschäftigt, aber ich kann nun mal nicht verhindern, daß mir manchmal etwas auffällt, wenn ich mich in ein neues Thema hereinlese. Da ich nicht über das Hintergrundwissen verfüge, habe ich euch einfach mal den Ball zugespielt.
Intreessantes Spiel, daß daraus geworden ist.Wink

Stimmt das ist es was immer wieder mal Schwung in ein Thema bringt. Muss sagen bin begeistert was bisher bei den Fragen zum "aktuellen Heft" so lesenswertes entstand und freue mich auch über die hohe Beteiligung diesesmal extrem.
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25.08.2014, 15:57
Beitrag: #36
RE: Das Zurückfallen des Morgenlandes - Diskussion zum G/Geschichteheft 8/2014:
Nun ja,um auch mal meinen Senf dazuzugeben:

M.E. war der kulturelle Unterschied zwischen Orient und Okzident in der Gesamtheit betrachtet von Beginn an nicht so groß wie gerne kolportiert. Die Höfe Karl des Großen,Harun al Raschids, Rogers von Sizilien und des Kaisers von Byzanz dürften sich ,von regionaltypischen Gegebenheiten abgesehen, allenfalls quantitativ unterschieden haben und die Lebensbedingungen eines Bauern in Ägypten , Indien , der Champagne oder dem Rheingau noch weniger. Die großen Unterschiede inm Mittelalter lagen wohl eher zwischen den Herrschersitzen,den Städten und dem platten Land begründet. Dazwischen lagen allerdings Welten.
Der Entwicklungsstand einer Region richtete sich also im wesentlichen nach der Anzahl urbaner Strukturen.Und die waren im Mittelmeerbereich,und in größeren Flußtälern nun mal stärker als im "Hinterland".Hinzu kam die Adaption antiken Wissens
Mit der Renaissance kam es in den Städten des Okzident zu einer Weiterentwicklung von dieser antiken Basis aus -hinzu kam der wirtschaftliche Schub durch die Entdeckung Amerikas und ein dezentrales Herrschaftssystem in Westeuropa, das Wettbewerb der einzelnen Länder und ein pluralistisches System auf Staatenebene schuf .Das begünstigte ein auch immer mehr vertikal durchlässiges Gesellschaftssystem, das diese Voraussetzungen nutzen konnte.
Das ganze gipfelte in der Aufklärung und der damit verbundenen Enttflechtung von Kirche,Staat und Wirtschaft.

Die arabische Welt hat antikes und indisches Wissen zwar zunächst erfolgreich adaptiert,aber dann kaum mehr weiter entwickelt bzw. die wissenschaftlichen Erkenntnisse,über die man verfügte nicht in die Praxis umgesetzt.Erst mit den Osmanen kamen wieder gewisse Innovationsschübe, die allerdings in einer ziemlich starren Gesellschaftsordnung nur geringe Wirkung entfalteten.

und der ferne Osten hatte sich durch den Isolationismus selbst von den aktuellen Entwicklungen abgekoppelt.

Die einzige Gegend,die eine ähnliche Entwicklung und ähnliche Voraussetzungen wie Europa bot war m.E. der indische Subkontinent und die dortigen Staaten würde ich bis ins 18.Jahrhundert hinein den europäischen durchaus auch als ebenbürtig betrachten.
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01.09.2014, 11:37
Beitrag: #37
Spalltungen im Lager der Seldschuken:
(22.08.2014 02:56)Sansavoir schrieb:  Zu den Seldschuken möchte ich nicht allzu viel schreiben, ich denke, dass ihr Untergang mit den vielen Teilungen ihres Reiches bzw. der Teilreiche zu tun hat. Die historische Bedeutung der Seldschuken besteht hauptsächlich nur darin, dass sie 1071 in der Schlacht von Mantzikert die Byzantiner besiegt haben und als Folge ihres Sieges erstens Turkvölker nach Kleinasien eindringen konnten und zweitens ein Vorwand für die Kreuzzüge gefunden wurde. Ich habe den Eindruck, dass bereits nach dem Tod von Malik Schah und seines Wesirs (1092) erste Stagnations- bzw. Zerfallserscheinungen auftraten.

Genauer genommen gab es sogar schon vor Mantzikert erste Spalltungen. Verwandte des Seldschukenherrschers vor Alp Aslan (Tughril Bey) besaßen bereits Teilgebiete, die eben nur die Oberhoheit des "Hauptherrschers" anerkannten. Das ganze wird ähnlich gewesen sein wie nach Manzikert. Das Hauptheer unter dem Seldschukensultan ist damal gar nicht in Anatolien eingerückt, es begnügte sich damit Armenien einzunehmen um danach die Fatimiden angreiffen zu können. Weder Alp Aslan (der bald nach seinem Sieg an anderen Fronten beschäftigt war) noch sein Nachfolger Malik Schah marschierten jemals in Anatolien ein. Hierführ startete Suleiman ein Mitglied der Herrscherfamilie die Initiative. Er gründete das Rum-Seldschukenreich, das wohl von Anfang an nur lose zu Großseldschukenreich in Persien gehörte.

Die Spalltungen die seit beginn des Aufstiegs der Seldschuken üblich waren, setzten sich nach Malik Schah noch schneller fort, sie waren auch ein Grund für den Niedergang und zuvor noch bildeten sie eine gute Rahmenbedingung für die Ritter des 1. Kreuzzugs.

Das Spalltungen auch das Rum-Seldschukenreich später schwächten (auch wenn es dann oft bald wieder ein Gesamtreich gab) ist angesichts der Anfänge klar. Meineswissens gab es auch unter den Türkischen Kleinfürstentümern die auf die Rum-Seldschuken folgte teilweise welche die ihre aufkommende Macht durch Spalltungen schnell wieder verloren (bei Germiyan z.B. dürfte das der Fall gewesen sein). Das die Osmanen solche Spalltungen vermieden war wohl auch ein Grund ihres Erfolges.
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