Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
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09.11.2014, 22:09
Beitrag: #51
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(09.11.2014 14:22)Suebe schrieb: Deutsche Demokratische Republik Sorry für das Selbstzitat. Hab die Masse meines Posts geschrottet, schreib ich halt nochmals. Deutsche Demokratische Republik war die Selbstbezeichnung. Deutsch ist klar, eine Republik war es auch. "Demokratisch" jedoch empfindet der Mensch insbesondere im Nachhinein in dem Fall als "politischen Witz" Aber, es war keiner. Denn in der DDR gab es eine eigene Definition des Begriffs Demokratie. Aus dem "Philosophisches Wörterbuch" Herausgeber G. Klaus/M. Buhr Band 1 7. Auflage Lepzig 1970 S. 225 Zitat:Demokratie ist .... eine Organisation zur Systematischen Gewaltanwendung einer Klasse gegen die andere. Die Diktatur des Proletariats ist ein qualitativ neuer Typ der Demokratie. Man schreibt hier wohlgemerkt von der Innenpolitik. Und das war auch keine geheime Verwaltungsanweisung oder Durchführungsverordnung, sondern wurde wohl offziell jedem Schüler und Studenten so eingebleut. Der aufmerksame Leser wird feststellen, dass hier in weiteres "Detail" eines Rechtsstaates ohne weiteres verneint wird, die "Rechtsgemeinschaft aller Bürger." "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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09.11.2014, 22:50
Beitrag: #52
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Zitat:Demokratie ist .... eine Organisation zur Systematischen Gewaltanwendung einer Klasse gegen die andere. Die Diktatur des Proletariats ist ein qualitativ neuer Typ der Demokratie. @Suebe, in diesem Zusammenhang mal eine besondere "Kostbarkeit" aus der kommunistischen Klassikerliteratur zum Thema Pressefreiheit. http://www.litde.com/textsammlung-zur-de...eratur.php Zitat:...Die Literaten müssen unbedingt Parteiorganisationen angehören. Verlage und Lager, Läden und Leseräume, Bibliotheken und Buchvertriebe, alles dies muß der Partei unterstehen und ihr rechenschaftspflichtig sein... Zitat:...Wir wollen und werden eine freie Presse schaffen, frei nicht nur von der Polizei, sondern auch vom Kapital und vom Karrierismus, ja noch mehr, frei auch vom bürgerlich-anarchistischen Individualismus. Eigentlich ein Text mit hohem Unterhaltungswert fürs Politkabarett. Ist aber von Lenin (1905, also lange vor der Revolution) und wir armen Abiturienten mussten in der DDR uns mit diesem Machwerk allen Ernstes auseinandersetzen. Wir haben uns grinsend unseren Teil dabei gedacht und waren in der offiziellen Unterrichtsdiskussion natürlich ganz pragmatisch "linientreu". „Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein) |
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18.11.2014, 06:10
Beitrag: #53
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(06.11.2014 15:38)Arkona schrieb: @Titus, das sind doch immer die gleichen Behauptungen, die der Mainstream unters Volk streuen will. Es handelt sich um Fakten, die ich in Folge dieses Beitrages belege und mitnichten um Behauptungen, die vom Mainstream im Übrigen gerne marginalisiert werden. Haltlose Behauptungen aufzustellen, ist nicht mein Stil. Die meisten Probleme bekommt die Linke mit dem Mainstream übrigens, wenn sie die in Deutschland weitestgehend als sakrosankt angesehene EU kritisiert, wie Wagenknecht bei Lanz vor einigen Monaten. Da die SPD seit Schröder deutlich in die Mitte gewandert ist und vor dem Auftauchen der AFD abgesehen von der Linken keine EU-kritische Partei existierte, konnte die die Linke hier in ein politisches Vakuum hineinstoßen. Dass das der Fall war, sieht man ja auch an der Wählerbewegung von der Linken zur AFD (die der Linken ja ideologisch eigentlich nicht sehr nahesteht ![]() (06.11.2014 15:38)Arkona schrieb: Lesen kann bilden. Was einzelne Parteimitglieder blöken oder schreiben, repräsentiert doch nicht die ganze Linke. Wenn diese "einzelnen Parteimitglieder" Parteichefin sind, wie seinerzeit Lötzsch, bzw. andere ranghohe Vertreter (Gysi, Ernst), und keineswegs nur unbedeutende Hinterbänkler, repräsentiert das sehr wohl die Gesamtpartei, Zitat:Gesine Lötzsch verteidigt Kommunismus zumal sie auch noch die Zustimmung der Basis erhalten hatte: Zitat:Wir stellen uns hinter die Parteivorsitzende und begrüßen ihren positiven Bezug auf den Kommunismus als Fernziel der Partei.[...] Nicht nur Gysi hegt mindestens latente Sympathien für die DDR-Diktatur: Zitat:Die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik war der legitime Versuch, nach dem alliierten Sieg über Nazi-Deutschland ein Wiedererstarken sozialer Antriebskräfte des Nationalsozialismus zu verhindern [...] Des Weiteren hat man grundsätzlich Sympathien für totalitäre, linke Diktaturen: Zitat:[...]So hat die damalige Parteivorsitzende Gesine Lötzsch Anfang 2011 für "Wege zum Kommunismus" geworben. Gemeinsam mit dem anderen Parteivorsitzenden Klaus Ernst hatte sie Glückwünsche an Fidel Castro zu seinem 85. Geburtstag gesandt, die kubanische Diktatur als "Beispiel und Orientierungspunkt für viele Völker dieser Welt" hervorgehoben.[...] Die Mauer, das Leid und die Toten, die sie gebracht hat, genießt bei der Linken ebenfalls Sympathien: Zitat:Linke-Politiker boykottieren Mauergedenken Wenn man mit extremen Parteien sympathisiert oder gar Mitglied ist, sollte man weder die Augen verschließen, noch seine Ansicht als demokratisch verkaufen. Man kann ja für die Linke, den Kommunismus etc. sein, aber dann kann man das auch offen zugeben, statt sich zu winden und hermunzudrucksen ("war ja nicht so gemeint"), und seine Postition als eine demokratische zu verkaufen, wie das auch die Vertreter der Linken gerne tun. MfG, Titus Feuerfuchs |
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21.11.2014, 12:59
Beitrag: #54
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Gestern abend habe ich auf Bayern 5 einen Bericht gehört, dass "Die Linke" den "Unrechsstaat" für die DDR inzwischen zum erheblichen Teil akzeptiere,
Der Sprecher meinte allerdings, dass es ja offen wäre, wie lange das tatsächlich so gesehen werde. Seiner Meinung nach wäre "Unrechtsstaat" auch sehr unglücklich gewählt, man müsse von "Willkürstaat" reden, den 1. Niemand in Zweifel setzen könne, und der 2. auch genau das Gegenteil vom "Rechtsstaat" ausdrücke. Also: Die DDR war ein Willkürstaat. ![]() Und das kann nicht in Zweifel gezogen werden. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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21.11.2014, 16:58
Beitrag: #55
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Das ist doch wieder nur ein Euphemismus.
Ist ein Willkürstaat (der ja per definitionem kein Rechtsstaat ist) kein Unrechtsstaat? MfG, Titus Feuerfuchs |
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21.11.2014, 17:48
Beitrag: #56
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Es ist auf jeden Fall die sprachlich genauere und eindeutigere Bezeichnung.
Und von daher auf jeden Fall vorzuziehen, weil sie keinen Ermessensspielraum (zu)läßt, hinter dem sich irgendwer verstecken kann. Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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21.11.2014, 18:14
Beitrag: #57
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Wer versteckt sich deiner Meinung nach hinter der Bezeichnung "Unrechtsstaat"?
MfG, Titus Feuerfuchs |
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21.11.2014, 19:14
Beitrag: #58
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Alle diejenigen, die ernsthaft darüber diskutieren, ob "Unrecht" im moralischen Sinn auch gleichbedeutend ist mit "Unrecht" im juristischen Sinn.
"Willkürstaat" läßt sich juristisch nicht dehnen, deswegen ist es mir lieber. Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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21.11.2014, 19:58
Beitrag: #59
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(21.11.2014 19:14)Bunbury schrieb: Alle diejenigen, die ernsthaft darüber diskutieren, ob "Unrecht" im moralischen Sinn auch gleichbedeutend ist mit "Unrecht" im juristischen Sinn. Ist für mich nicht nachvollziehbar. Natürlich ist ethisches Unrecht nicht zwangsläufig mit juristischem kongruent, dafür ist das Dritte Reich das beste Beispiel. MfG, Titus Feuerfuchs |
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22.11.2014, 10:48
Beitrag: #60
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(21.11.2014 19:14)Bunbury schrieb: Alle diejenigen, die ernsthaft darüber diskutieren, ob "Unrecht" im moralischen Sinn auch gleichbedeutend ist mit "Unrecht" im juristischen Sinn. Verstehe ich nicht. Keine Ahnung, wie du das meinen könntest. Recht und Unrecht im moralischen oder juristischen Sinn sind zumeist im Fluß und in der Zeit einer Art Entwicklung unterzogen. Hat ja auch was mit den vielgenannten Werten zu tun. Zwischen beiden gibt es aber zwangsläufig immer Differenzen. Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte. Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, wollen balde kommen. – Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen! Eduard F. Mörike (1804-1875) |
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22.11.2014, 15:30
Beitrag: #61
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Naja, das wurde hier doch auch hier so diskutiert. Welches Recht hat die DDR gebrochen, damit man sie als "Unrechtstaat"- bezeichnen kann. Oder wie man juristisch drum herumeiern kann, sie nicht als "Unrechtstaat" zu bezeichnen. Wir haben hier eine Menge Beiträge zu dem Thema verfaßt- und eigentlich wäre das wohl nicht weiter nötig gewesen...
Ich weiß nicht, was der Jurist Gysi wieder mal sagen wollte, als er meinte die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen. Irgendwie wollte er sich da wohl mal wieder nach Juristenart herausreden. Aus "Willkürstaat" kann er sich nicht herausreden. Und darum ist mir die bezeichnung eben lieber... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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22.11.2014, 18:01
Beitrag: #62
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(22.11.2014 15:30)Bunbury schrieb: Naja, das wurde hier doch auch hier so diskutiert. Welches Recht hat die DDR gebrochen, damit man sie als "Unrechtstaat"- bezeichnen kann. Die Menschenrechte z.B.. (22.11.2014 15:30)Bunbury schrieb: Oder wie man juristisch drum herumeiern kann, sie nicht als "Unrechtstaat" zu bezeichnen. Wir haben hier eine Menge Beiträge zu dem Thema verfaßt- und eigentlich wäre das wohl nicht weiter nötig gewesen... Er kann sich auch beim Unrechtsstaat nicht herausreden, zumal schon die Existenz dieses Staates Unrecht war, da er ohne völkerrechtlich gültigen Friedensvertrag geschaffen worden war. Bloß weil bestimmte Gesetze in der DDR Gültigkeit hatten, waren sie aus ethischer Sicht noch lange nicht in Ordnung. Im Dritten Reich hatten z.B. auch die Nürnberger Rassegesetze Gültigkeit, was aber nichts daran ändert, dass sie Unrecht waren. MfG, Titus Feuerfuchs |
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22.11.2014, 18:05
Beitrag: #63
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(22.11.2014 15:30)Bunbury schrieb: Naja, das wurde hier doch auch hier so diskutiert. Welches Recht hat die DDR gebrochen, damit man sie als "Unrechtstaat"- bezeichnen kann. Oder wie man juristisch drum herumeiern kann, sie nicht als "Unrechtstaat" zu bezeichnen. Wir haben hier eine Menge Beiträge zu dem Thema verfaßt- und eigentlich wäre das wohl nicht weiter nötig gewesen... Dem kann man nur Zustimmen! Was man unbedingt beachten muss, die Diktaturen wollen sich ja nicht ihr Volk zum Feind machen, wenn einer angepasst lebt, bekommt er keinerlei Probleme. Wenn einer Differenzen mit der örtlichen Baubehörde oder ähnlichem hat, bekommt er sein Recht, kein Problem. In der DDR gab es ein umfassendes Eingabewesen, da hat einer ohne Probleme recht schnell und ohne Kosten sein Recht bekommen können. (oder auch nicht, wobei wir bei der Willkür sind) Problemloser, einfacher und schneller als im Rechtsstaat. Man muss dies bei den persönlichen Erfahrungen der Ex-DDR Bürger mit in Rechnung stellen. Was manche Aufregung zum "Unrechtsstaat" erklärt. Aber wehe, es war einer nicht angepaast, da wurde das Recht gebeugt und gedreht in jede Richtung, da war alles Recht, wenn man dem nur eine gehörige verpassen konnte. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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22.11.2014, 18:16
Beitrag: #64
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(22.11.2014 18:05)Suebe schrieb:(22.11.2014 15:30)Bunbury schrieb: Naja, das wurde hier doch auch hier so diskutiert. Welches Recht hat die DDR gebrochen, damit man sie als "Unrechtstaat"- bezeichnen kann. Oder wie man juristisch drum herumeiern kann, sie nicht als "Unrechtstaat" zu bezeichnen. Wir haben hier eine Menge Beiträge zu dem Thema verfaßt- und eigentlich wäre das wohl nicht weiter nötig gewesen... Nicht mal das stimmt. Opfer von Sippenhaft (zb. Kinder von Dissidenten) oder böswilliger Verleumdung konnte JEDER werden, auch ganz angepasste.... MfG, Titus Feuerfuchs |
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22.11.2014, 18:20
Beitrag: #65
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Ergänzung:
Außerdem machte sich die DDR ihr Volk zum Feind, sonst hätte es die Demos nicht gegeben, die mithalfen, die DDR zu Fall zu bringen. MfG, Titus Feuerfuchs |
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22.11.2014, 19:27
Beitrag: #66
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(22.11.2014 18:16)Titus Feuerfuchs schrieb:(22.11.2014 18:05)Suebe schrieb: Dem kann man nur Zustimmen! (22.11.2014 18:20)Titus Feuerfuchs schrieb: Ergänzung: Mann titus, das ist doch eine ganz andere Kiste. Und geschah mehr oder weniger unabsichtlich. Das ist das hervorstechende Merkmal einer Diktatur, die verliert den kontakt zum Volk, gibt denen alles nötige², Stand 1932, ruiniert damit das ganze Land, und merkt gar nicht, dass das Volk längst ganz andere Bedürfnisse hat. Das haben die schlicht und einfach nicht geschnallt. ²100% sichere Arbeitsplätze, äußerst billige Mieten, billige Grundnahrungsmittel "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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22.11.2014, 20:45
Beitrag: #67
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(22.11.2014 15:30)Bunbury schrieb: Naja, das wurde hier doch auch hier so diskutiert. Welches Recht hat die DDR gebrochen, damit man sie als "Unrechtstaat"- bezeichnen kann. Oder wie man juristisch drum herumeiern kann, sie nicht als "Unrechtstaat" zu bezeichnen. Wir haben hier eine Menge Beiträge zu dem Thema verfaßt- und eigentlich wäre das wohl nicht weiter nötig gewesen... und, wer hat wieder damit angefangen ...? ________________ Das hat nichts mit Rumgeeiere zu tun. Es ging einzig und allein darum, ob es sinnvoll ist den Begriff Unrechtstaat pauschalisierend auf das gesamte Rechtssystem der DDR anzuwenden. Ich denke, dass es SO nicht sinnvoll ist, konnte mich aber im Laufe der Diskussion der sehr vernünftigen Argumentation von @Chris anschließen. Dass in der DDR vielfach Unrecht, auch grobes Unrecht begangen wurde, steht außer Zweifel und wird z.B. auch von Gysi nicht bestritten. Es mag ein paar bedauerliche Ausnahmen geben, aber die übergroße Mehrheit der ehemals Betroffenen, möchte niemals wieder zurück zu dem alten System und ist froh darüber, dass es diese DDR nicht mehr gibt. Daran ändert auch die zu beobachtende DDR-Nostalgie nichts oder eine gewisse Verklärung der positiv erscheinenden Facettierungen des "Arbeiter- u. Bauernstaates". Eine Diskussion darüber macht allerdings nur für jene Menschen Sinn, die nicht von vornherein ideologisch und mental unverrückbar festgefahren sind. Für Menschen, die tatsächlich bereit sind, andere verstehen zu wollen und in dem Zusammenhang auch fähig sind Kompromisse eingehen zu können. Im Übrigen ist der Willlkürstaat eine noch besch... und unpassendere Wortwahl. Man schaue sich nur mal die diversen Bedeutungen für Willkür an und versuche dann auf Willkürstaat zu extrapolieren ... ![]() Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte. Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, wollen balde kommen. – Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen! Eduard F. Mörike (1804-1875) |
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22.11.2014, 21:22
Beitrag: #68
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(22.11.2014 18:01)Titus Feuerfuchs schrieb: Er kann sich auch beim Unrechtsstaat nicht herausreden, zumal schon die Existenz dieses Staates Unrecht war, da er ohne völkerrechtlich gültigen Friedensvertrag geschaffen worden war. Die Existenz bzw. die Gründung der DDR war genau so Recht/Unrecht wie die Existenz bzw. die Gründung der BRD. Wie sah denn dazu die Rechtslage in Deutschland 1945 nach der bedingungslosen Kapitulation aus? Wie ging's bis 1949 weiter, oder nach der Genfer Konferenz 1955? Sicher nichts, was man in zwei Sätzen beschreiben kann, im Gegenteil - ein sehr komplexes und schwieriges Thema. Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte. Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, wollen balde kommen. – Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen! Eduard F. Mörike (1804-1875) |
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23.11.2014, 10:59
Beitrag: #69
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(22.11.2014 21:22)Avicenna schrieb:(22.11.2014 18:01)Titus Feuerfuchs schrieb: Er kann sich auch beim Unrechtsstaat nicht herausreden, zumal schon die Existenz dieses Staates Unrecht war, da er ohne völkerrechtlich gültigen Friedensvertrag geschaffen worden war. Seit wann braucht man denn einen Friedensvertrag, um einen Staat zu gründen?!? Die Gründungen von BRD und DDR 1949 waren der logische Schlusspunkt einer Entwicklung, die schon vor dem Mai 1945 begonnen hatte. Damals bekamen die jeweiligen Befehlshaber der amerikanischen und sowjetischen Besatzungstruppen ihre ersten Direktiven (Direktive JCS 1076 am 26.April 45, Befehl Nr.2 der SMAD am 10.Juni 45), und schon damals zeigte sich, dass die USA sich als Teil einer Vierermannschaft sah und den Frieden als Hauptziel ansah, während der Befehl der SMAD ausschließlich für die SBZ gelten sollte und neben dem Kampf gegen die restlichen Faschisten den Aufbau sozialistischer Strukturen zum Inhalt hatte. Über die Handhabung der Reparationen und Demontagen, die Vorgehensweise bei der Entnazifizierung, Marshallplan, Gründung von Bi-, später Trizone und Währungsreform hatten sich die beiden deutschen Teilgebiete bis 1949 so weit auseinanderentwickelt, dass an der Gründung von zwei deutschen Staaten eigentlich kein Weg mehr vorbei führte. Die Sowjets waren nach der Zusicherung der Beneluxstaaten und der Westalliierten, dass die (West-)Deutschen eine eigene Regierung bilden dürften, aus dem Alliierten Kontrollrat ausgeschieden, es war also keinerlei Rede mehr davon, Deutschland als Ganzes gemeinsam zu verwalten. Mittlerweile gab es im Osten eine ganz andere Wirtschaftsform und auch eine ganz andere Währung als im Westen, der Kalte Krieg (Blockade Berlins nach der Währungsreform!) war in vollem Gang - realistischerweise war Deutschland längst geteilt. Die Gründung von BRD und DDR war nur der logische Schlussstrich unter diese Entwicklung. Und da ein Friedensvertrag nur mit GANZ Deutschland geschlossen werden konnte, war klar, dass dieser Friedensvertrag noch länger auf sich warten lassen würde. VG Christian |
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23.11.2014, 11:25
Beitrag: #70
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(22.11.2014 20:45)Avicenna schrieb:(22.11.2014 15:30)Bunbury schrieb: Naja, das wurde hier doch auch hier so diskutiert. Welches Recht hat die DDR gebrochen, damit man sie als "Unrechtstaat"- bezeichnen kann. Oder wie man juristisch drum herumeiern kann, sie nicht als "Unrechtstaat" zu bezeichnen. Wir haben hier eine Menge Beiträge zu dem Thema verfaßt- und eigentlich wäre das wohl nicht weiter nötig gewesen... War ich das tatsächlich? Man, muss mir da langweilig gewesen sein.... ![]() ________________ (22.11.2014 20:45)Avicenna schrieb: Das hat nichts mit Rumgeeiere zu tun. So hatte ich es am Anfang der Diskussion nicht gesehen. Am Anfang schien es nur darum zu gehen, wie Gysi zu dem Schluss kommen konnte, daß die DDR kein Unrechtsstaat gewesen sei. Und ich gebe ehrlich zu, daß es mich verdammt wütend macht, wenn ein System, das Mauern und Stacheldrahtzäune gebaut hat, um Menschen m Verlassen des Landes zu hindern, das Menschen auch getötet hat, um sie am Verlassen des Landes zu, daß seine Bewohner ausspioniert und für "falsche Meinungen" eingesperrt hat, auch noch darauf hin untersucht wird, ob es in der einen oder anderen Beziehung vielleicht doch ein Rechtsstaat gewesen ist. Das ist für mich juristische Spitzfindigkeit. Nein, in der DDR war sicher nicht alles schlecht, und es hat eine Menge Menschen gegeben, die unbehelligt und einigermaßen gut leben konnten. Aber- so zumindest meine Auffassung von Staat- ist es die Aufgabe des Staates, das Zusammenleben seiner Bürger auf eine faire, geregelte Grundlage zu stellen und somit den Bürgern eine gewisse Sicherheit zu geben. Vielleicht hätte man die Diskussion insofern anders angehen müssen, als das man sich erst mal darüber austauscht, was die Aufgabe eines Staates ist. Eine völlig sachliche Diskussion über die DDR wird wohl erst möglich sein, wenn die Bilder verschwunden sind, die einen geprägt haben. Und ich gebe zu, das Bildvon der DDR, das mich gesprägt hat, stammt aus dem Jahr 1986. Die Eltern meines damaligen Freundes waren kurz vor dem Mauerbau in den Westen gekommen, und wir besuchten seine Verwandten im Osten. Als wir dann in OSt-Berlin die Heimreise mit dem Zug antraten, kam die DDR-Polizei. Mit langen, spitzen Stangen gingen sie den Bahnsteig entlang. Alle zwei, drei Schritte bleiben sie stehen und stießen mit diesen Stangen unter die Waggons. Wir saßen da, völlig angespannt, die Hände zu Fäusten geballt und hofften, daß wir keinen Schrei hören würden und nicht die Spitzen wieder blutig zurückgezogen würden. Dafür gibt es keine Erklärung, keine Entschuldigung. So einfach ist das. Das ist für mich die DDR. Und natürlich spielte es auch eine Rolle, daß der Onkel meines damaligen Freundes weder eine größere Wohnung noch ein neues Auto bekam, weil seine Schwester in den Westen geflohen war. (22.11.2014 20:45)Avicenna schrieb: Eine Diskussion darüber macht allerdings nur für jene Menschen Sinn, die nicht von vornherein ideologisch und mental unverrückbar festgefahren sind. Für Menschen, die tatsächlich bereit sind, andere verstehen zu wollen und in dem Zusammenhang auch fähig sind Kompromisse eingehen zu können. Bitte nicht böse sein- aber welchen "Kompromiss" möchtest du bei einer solchen Erinnerung eingehen? Soll jetzt mein durchaus sachlich orientierter Verstand nach einer vernünftigen Möglichkeit suchen, eine solche Erfahrung in all ihrer Beklemmung und das Gefühl der "Bösartigkeit" abzuwägen? Soll ich nach Gründen suchen, warum meine damalige Beklemmung vielleicht nicht richtig gewesen sein könnte? Aber das war sie. Dieses Herumgestocherre auf dem Bahnsteig war Unrecht. Und ein Staat, der so etwas anordnet, ist ein Unrechtsstaat. Das habe ich in diesen Momenten im Zug auf einer tiefen Ebene begriffen. (22.11.2014 20:45)Avicenna schrieb: Im Übrigen ist der Willlkürstaat eine noch besch... und unpassendere Wortwahl. Man schaue sich nur mal die diversen Bedeutungen fürWillkür an und versuche dann auf Willkürstaat zu extrapolieren ... ![]() [/quote] Finde ich nicht. Aber das kann ich auch verstandesgemäß nicht begründen. Ich weiß einfach, daß es paßt und fühle mich damit wohler. Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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23.11.2014, 12:02
Beitrag: #71
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Mit dem Rechtsstaat ist ist es schwierig.
Es bestehen in der BRD weiterhin Gesetze, die in der Zeit zwischen 1933 und 1945 erlassen wurden. Kaum jemand bezweifelt, dass die Nazi-Diktatur und somit der Staat Unrecht war. Wäre die DDR nicht in der Bundesrepublik aufgegangen, gäbe es weiterhin gültige Gesetze, die zwischen 1949 und 1990 beschlossen worden wären... |
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23.11.2014, 12:23
Beitrag: #72
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Weil man anno 1949 (aus praktischen Gründen?) nur die NS-Gesetze eliminierte, die eindeutig Unrecht waren bzw. nicht mit dem GG übereinstimmten (die DDR machte da einen relativ totalen Neuanfang), während 1990ff. die DDR-Gesetze mit dem Untergang der DDR komplett gelöscht wurden.
Nicht, weil die DDR-Gesetze alle Unrecht waren, aber weil´s halt einfach die DDR nicht mehr gab und es wohl zu mühselig gewesen wäre, alle DDR-Gesetze mit der BRD-Gesetzgebung abzugleichen. 1949 konnte man davon ausgehen, dass viele NS-Gesetze eine Fortführung von älteren Gesetzen aus der Weimarer Zeit und aus dem Kaiserreich waren (BGB!). Man versuchte also lediglich, die NS-Fehler und -Verfälschungen auszusortieren. Ging schneller, war wohl in dem relativen Chaos der Staatsgründung auch praktikabler als eine totale Neuformulierung aller Gesetze. Und: Mit den vorhandenen Gesetzen kannten sich auch die vorhandenen Juristen aus, so konnte die BRD schneller wieder auf ein stabiles Gesetzeswerk gestellt werden. Das war auch der Grund, warum so viele NS-Juristen einfach weitermachen konnten... Insofern gibt´s da schon eine Parallele zwischen dem Umgang mit der DDR-Gesetzgebung und mit der NS-Gesetzgebung: Man hatte 1949 wie 1990 einfach viel zu viel mit anderen Dingen zu tun, um nun auch noch die Gesetze auf völlig neue Basis zu stellen. Als man dann Zeit gehabt hätte, war die Situation schon so eingefahren, dass man das Faß nicht mehr aufmachen wollte. Kann man nachvollziehen, meine ich, man muss dann aber auch die ganzen Nachteile sehen, die gewiss nicht klein waren... VG Christian |
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23.11.2014, 22:52
Beitrag: #73
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(23.11.2014 11:25)Bunbury schrieb:(22.11.2014 20:45)Avicenna schrieb: und, wer hat wieder damit angefangen ...? Keine Ahnung, ob du das warst. Ich glaub mal eher nicht. War wirklich nur eine offene Frage, weil ich's nicht genau wusste. Musst dir ja auch nicht jedes rumhängende Hemd überstreifen ... ![]() (22.11.2014 20:45)Avicenna schrieb:(22.11.2014 20:45)Avicenna schrieb: Das hat nichts mit Rumgeeiere zu tun. Ich gebe zu, dass ich mir das, was Gysi von sich gegeben hatte, vorher nicht durchgelesen hatte, weil ich einigermaßen unbeeinflusst davon sein wollte. Letztlich lief es dann bei mir auf dieses pauschalisierend und Anwendung auf das gesamte Rechtssystem der DDR hinaus. (23.11.2014 11:25)Bunbury schrieb: Nein, in der DDR war sicher nicht alles schlecht, und es hat eine Menge Menschen gegeben, die unbehelligt und einigermaßen gut leben konnten. Da gebe ich dir recht. Nur damit du mich auch richtig verstehst. Ich ganz persönlich weine diesem System keine Träne nach. Du wirst bei mir nicht mal diese DDR-Nostalgie finden. Die Frage nach dem Unrechtsstaat kann ich aus dem Bauch heraus ganz klar mit Ja beantworten. Ich würde auch den Willkürstaat unterschreiben, selbst wenn mir die Vokabel nicht gefällt. Du hast es vielleicht an anderer Stelle schon mitbekommen, dass, wenn ich etwas hinterfrage, ich es dann meist etwas genauer wissen möchte. Eine Fragestellung wie diese hier, arbeite ich nicht anders ab, als die nach der Herkunft der urindogermanischen Sprecher, der Zuverlässigkeit von archäologischen Datierungsmethoden oder der nach der Plausiblität von Out of Africa ff. (23.11.2014 11:25)Bunbury schrieb: Eine völlig sachliche Diskussion über die DDR wird wohl erst möglich sein, wenn die Bilder verschwunden sind, die einen geprägt haben. Und ich gebe zu, das Bildvon der DDR, das mich gesprägt hat, stammt aus dem Jahr 1986... Da hast du wahrscheinlich recht. Vor allem, da es tatsächlich noch nicht wirklich lange her ist. Für "Euch" müssen solche Erlebnisse durchaus das Bild über die DDR nachhaltig geprägt haben. Nicht zuletzt, weil speziell solche Vorgänge an Nazimethoden erinnern. (23.11.2014 11:25)Bunbury schrieb: Und natürlich spielte es auch eine Rolle, daß der Onkel meines damaligen Freundes weder eine größere Wohnung noch ein neues Auto bekam, weil seine Schwester in den Westen geflohen war. Wenn der Onkel deines damaligen Freundes nicht besondere Gründe und/oder gute Beziehungen vorzuweisen hatte, hätte er auch ohne die geflüchtete Westschwester keine größere Wohnung oder ein neues Auto bekommen. Das war einfach die banale und üble Normalität in der DDR. Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte. Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, wollen balde kommen. – Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen! Eduard F. Mörike (1804-1875) |
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24.11.2014, 00:40
Beitrag: #74
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(23.11.2014 22:52)Avicenna schrieb:(23.11.2014 11:25)Bunbury schrieb: War ich das tatsächlich? Man, muss mir da langweilig gewesen sein.... Hätte ja sein können, daß ich es war (auch wenn ich es nicht glaube). manchmal mache ich so etwas, weil mir langweilig ist... ![]() (22.11.2014 20:45)Avicenna schrieb: Da gebe ich dir recht. Ach, mach dir keine Sorgen, ich habe dich schon richtig verstanden. (22.11.2014 20:45)Avicenna schrieb: Du hast es vielleicht an anderer Stelle schon mitbekommen, dass, wenn ich etwas hinterfrage, ich es dann meist etwas genauer wissen möchte. Eigentlich mache ich das normalerweise auch. Aber manchmal, so auch an dieser Stelle, springt es mich irgendwie an und ich frage mich dann auch selbst, was das ganze Getue soll. Müssen wir wirklich nach einer rationalen Begründung für etwas suchen, das wir aus dem Bauch heraus schon eindeutig beantworten können? Muss ich mich wirklich mit rationalen Gründen und Erklärungen auch vor mir selbst dafür rechtfertigen, daß ich etwas nicht in Ordnung finde? So Anfälle dauern bei mir nicht lange, aber manchmal kommen sie eben... ![]() Ich stoße dabei halt nicht immer auf so tolerante und konsensorientierte Diskussionspartner. Danke schön dafür ![]() Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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25.11.2014, 17:04
Beitrag: #75
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Eigentlich sind wir uns ja einig.
Aber irgendwie kommt keine Konsensstimmung auf. Eigenartig. Liegt das vielleicht daran, dass das Thema DDR nach wie vor große negative Emotionen weckt, die andererseits nur schwer verstanden werden. Ich bin Wessie, kann das mehr oder weniger akademisch sehen. Ein älterer Bruder meiner Frau wurde im Oktober 1961 zu einem der ersten Mauertoten. Meine Schwiegereltern hätten Ulbricht, Honecker usw. mit bloßen Händen erwürgt, hätten sie einen erwischt. Neulich las ich, Schröder "Irrtümer über die deutsche Einheit, dass es zumindest zeitweilig im Westen mehr Bewunderer des Sozialismus gegeben hätte, wie in der DDR. Kein Schimmer von der DDR, aber es gab Zeiten wo in meiner Generation die Bewunderung des Sozialismus tatsächlich sehr verbreitet war. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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25.11.2014, 17:18
Beitrag: #76
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Ich habe nur eine Erfahrung mit der DDR gemacht.
1970 reiste ich mit dem PKW von Hannover nach Berlin. Damals war ich bei einer Firma in Berlin beschäftigt, die u.a. in Hannover eine Filiale hatte. Vorher war ich in Berlin gewesen und von dort nach Hannover geflogen. Für den Flug benötigte man nur den Personalausweis. Einen Pass hatte ich nicht dabei. An der Grenze wurde ich zunächst von einer dicken Uniformträgerin angeschnauzt. Im Westen hätte ich sie wegen Beleidigung angezeigt. Dann rief mich ein Vopo-Leutnant in sein Büro. Er war sehr freundlich - wollte mich aber nach meiner politischen Gesinnung und meiner Einstellung zum Wehrdienst aushorchen. Nachdem ich für viel Geld einen Passersatz erhalten hatte, konnte ich meine Fahrt auf der sehr holprigen Autobahn fortsetzen... |
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25.11.2014, 19:13
Beitrag: #77
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(25.11.2014 17:04)Suebe schrieb: Ich bin Wessie, kann das mehr oder weniger akademisch sehen. dann tu's doch mal ... ![]() Wobei ich den Eindruck habe, dass ein größerer Teil der "Wessis" zum Thema DDR erheblich emotionaler eingestellt ist, als die "Ossis" selbst. Im Osten hat man gelacht, geliebt und gelebt wie anderswo auch. Gelacht und geliebt besonders viel, vielleicht mehr als im Westen - naja, und gelebt mit den bekannten Eischränkungen. Diese Einschränkungen waren prinzipiell zwar immer präsent - natürlich -, aber sie prägten nicht permanent das primäre Alltagsdenken. Wenn man damals, wie heute üblich, so eine "Glücklichkeitsstudie" durchgeführt hätte, möchte ich nicht spekulieren, wie die im Vergleich zu den Menschen im Westen ausgegangen wäre ... ich hätte nicht mal im Ansatz eine Vermutung. Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte. Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, wollen balde kommen. – Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen! Eduard F. Mörike (1804-1875) |
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25.11.2014, 20:54
Beitrag: #78
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Naja, ich hatte mein Auskommen und hörte gern Lord Knut auf RIAS. Eine Dienstreise nach Helgoland war aber nicht drin. Und Tante Hilde aus Köln hätte sich ihre geschickten (und fett gesponsorten) Apfelsinen samt Lakritz und Brausepulver von mir aus in den A... schieben können. Das gab es auch hier.
„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein) |
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25.11.2014, 21:23
Beitrag: #79
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Ich schrieb es schon mal irgendwo.
Die DDR-Bevölkerung war keineswegs jeder staatlichen Willkür ausgeliefert. Diktaturen wollen geliebt, nicht gehasst werden. Und dafür tun sie auch einiges. Bloß, wenn die "Kinder unartig sind, wird Papa Staat böse" (frei nach Schröder aaO) Wenn sich einer in der DDR von einer Behörde ungerecht behandelt fühlte, hat er eine Eingabe an Honecker geschrieben. Diese Eingaben wurden von einem Psychologen und einem Stasi-Offizier überprüft, wenn sie diese Prüfung überstanden, hatten die Eingabe gute Chancen. Honeckers Eingabebüro forderte die betroffene Behörde auf, Bericht zu erstatten, und das wirkte oft schon Wunder. Um das zu werten, muss man dies mal zusammenfassen: man hat kein finanzielles Risiko, man braucht keinen Rechtsanwalt. Kuranzt dich heute eine Behörde, gibts es den Rechtsweg, "du" brauchst erhebliche finanzielle Mittel, wirst es in der Regel deshlab bleibenlassen, der Kuranzer grinst sich eins, er hat kein finanzielles Risiko, das trägt der Staat. Es soll auch wirksam gewesen zu sei, vor Wahlen aufs Wohnungsamt zu marschieren: "Wenn ich bis zum Wahltag nicht endlich eine Wohnung habe, gehe ich nicht wählen" Die Wahlen in der DDR sollen tatsächlich zu kleinen Behördenerpressungen tauglich gewesen sein. Immerhin eine gute Wirkung der Wahlen. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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25.11.2014, 22:08
Beitrag: #80
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(25.11.2014 19:13)Avicenna schrieb:(25.11.2014 17:04)Suebe schrieb: Ich bin Wessie, kann das mehr oder weniger akademisch sehen. Ist warhscheinlich so. Aber "ossies" saßen halt nun mal selten im Zug nach Westberlin... (25.11.2014 19:13)Avicenna schrieb: Im Osten hat man gelacht, geliebt und gelebt wie anderswo auch. Gelacht und geliebt besonders viel, vielleicht mehr als im Westen - naja, und gelebt mit den bekannten Eischränkungen. Diese Einschränkungen waren prinzipiell zwar immer präsent - natürlich -, aber sie prägten nicht permanent das primäre Alltagsdenken. Genau so ist es. Weil man die Einschränkungen auch oftmals nicht als solche wahrgenommen hat. Das war schließlich "normal", der Rahmen, in dem das Leben sich abgespielt hat. (25.11.2014 19:13)Avicenna schrieb: Wenn man damals, wie heute üblich, so eine "Glücklichkeitsstudie" durchgeführt hätte, möchte ich nicht spekulieren, wie die im Vergleich zu den Menschen im Westen ausgegangen wäre ... ich hätte nicht mal im Ansatz eine Vermutung. Jetzt enttäuschst du mich aber. ![]() Es gibt immer Menschen, die aus ihrem Leben im Rahmen ihrer Möglichkeiten das beste machen und es gibt immer solche, die sich darüber beklagen, daß sie aufgrund irgendwelcher Umstände nicht die Chancen hatten, die sie verdient gehabt hätten. Ganz egal, wie die Umstände aussehen. Nur ein sehr kleiner Prozentsatz hat tatsächlich Pech... Das verhältnis dürfte sich zwicshen Ost und West nicht groß unterschieden haben, denn was das anbetrifft, waren dann doch beide Seiten in erster Linie Deutsche... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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26.11.2014, 09:40
Beitrag: #81
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Mir hat mal ein Ostpreusse erzählt, er hatte berufich öfter in Berlin zu tun, dass er mal an der Zonengrenze eine derartige Wut auf das ganze "Kommunistenpack" gekriegt hätte, dass er drauf und dran gewesen wäre und den nächsten Vopo am Kagen genommen hätte, inzwischen würde er vorsichtshalber fliegen.
Diese Generation mit ihren Erfahrungen hat das Bild der DDR im Westen bestimmt. Hat man die oben beschriebenen Sympathien geäußert, war die Antwort: Geh doch rüber, mach deine Erfahrungen, ich habe es 10 Jahre mitgemacht. Oder: Der Russe will die Welt beherrschen! Das darf man nie vergessen. Da ist der Sympathisant Suebe besser still gewesen. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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26.11.2014, 13:17
Beitrag: #82
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Hat mein Vater ähnlich gemacht. In frühester Jugend war er Kommunist, und soweit ich weiß, ist er in die DDR gegangen, um als Pazifist dem Armeedienst zu entgehen. Dort hat er dann sogar seinen Meister gemacht.
Als er zurückkam, war er kein Kommunist mehr... Aber er hat auch recht offen darüber gesprochen, daß man ihn anheuern wollte, für die DDR zu spionieren. Leider starb er, als ich noch ein Kind war, deshlab kann ich hier nichts genaueres darüber sagen Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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26.11.2014, 13:52
Beitrag: #83
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(26.11.2014 13:17)Bunbury schrieb: Hat mein Vater ähnlich gemacht. In frühester Jugend war er Kommunist, und soweit ich weiß, ist er in die DDR gegangen, um als Pazifist dem Armeedienst zu entgehen. Dort hat er dann sogar seinen Meister gemacht. Ein Freund der Familie ist 1956 zum Studieren nach Leipzig, wegen dem Wehrdienst. (Sein Vater war ein Leben lang Kommunist, war bis 1943 "wehrunwürdig" und hat in den Jahren der gesamten Jugend des Städtleins das Skifahren beigebracht) Der ist aber 1957 bei Nacht und Nebel zurückgekommen und hat in Eßlingen fertigstudiert, Aus Eigenem: Mit zunehmendem Alter hat man dann Solschenizyn gelesen, Leonhardt sowieso, "Uns gehts ja noch Gold" "Briefe aus einem anderen Land" kam auch mal nach Berlin, der Blick aufs Brandenburger Tor über die 10 Meter Beton weg war auch sehr erhellend.... und gewann eine äußerst distanzierte Haltung zum "realexistierenden Sosjalismus" Und man wurde zum Anhänger der FDGO (freiheitlich demokratischen Grundordnung) und der sozialen Marktwirtschaft... (alles theoretisch ein rechter Sch.... nur, was gibts praktisch besseres?) So wars. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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26.11.2014, 19:01
Beitrag: #84
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(25.11.2014 22:08)Bunbury schrieb: Jetzt enttäuschst du mich aber. Beim Zusammenbasteln der Einzelteile zu einem Ganzen, komme ich jetzt nicht ganz weiter. Sprich - ich sehe noch keinen Zusammenhang zwischen der abgedroschenen Nostalgie, dem Klagen über zustehende, aber nicht erhaltene Chancen bzw. dem tatsächlichen Pech Weniger und den "Glücklichkeitsstudien" ... und dass es da keine großen Unterschiede zwischen Ost und West gegeben haben dürfte? Sorry, wenn ich auf die anderen Sachen nicht eingehe, aber als toleranter und konsensorientierter Diskussionspartner bezeichnet zu werden, hat in mir ein angenehmes Gefühl hervorgerufen, welches ich mir noch eine Weile erhalten möchte ... ![]() Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte. Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, wollen balde kommen. – Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen! Eduard F. Mörike (1804-1875) |
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26.11.2014, 19:21
Beitrag: #85
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(26.11.2014 19:01)Avicenna schrieb: ./. Warmduscher ![]() "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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26.11.2014, 19:41
Beitrag: #86
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Mal was anderes, die Fakten interessieren niemanden?
Das Eingabewesen zb, da würden mich die Erfahrungen der in der DDR einst lebenden sehr interessieren. Hört sich doch gut an, gegen Behördenwillkür angehen, ohne befürchten zu müssen, am Ende mit 5-stelligen Gerichtskosten dazusitzen. Oder auch die Wahlen zu kleinen Erpressungen zu benutzen. Von beidem habe ich nämlich noch nie gehört oder gelesen. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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26.11.2014, 19:45
Beitrag: #87
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(26.11.2014 19:21)Suebe schrieb:(26.11.2014 19:01)Avicenna schrieb: ./. ich weiß ... ![]() Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte. Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, wollen balde kommen. – Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen! Eduard F. Mörike (1804-1875) |
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26.11.2014, 19:54
Beitrag: #88
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(26.11.2014 19:41)Suebe schrieb: Mal was anderes, die Fakten interessieren niemanden? Hier mal der Gesetzestext http://www.verfassungen.de/de/ddr/petitionsgesetz75.htm Papier ist geduldig und Buchstaben kann man verbiegen deswege, wie gesagt, der eine oder andere Erfahrungsbericht wäre doch gut "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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26.11.2014, 20:59
Beitrag: #89
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(26.11.2014 19:54)Suebe schrieb: Papier ist geduldig und Buchstaben kann man verbiegen Ich könnte dir erzählen, was man tun musste, um eine Nacht in Stralsund auf der VP-Hauptwache verbringen zu dürfen und dann als disziplinarische Maßnahme mit einem dauerhaften "Rügenverbot" belegt zu werden. Oder wie man es anstellt, mit Verdacht auf Republikflucht auf der Dienststelle der netten Genossen der TraPO in Zwickau zu landen, um auch dort eine ziemlich schlaflose Nacht verbringen zu können, oder dass es eine dumme Idee war, 1982 mit selbstgemachten Plakaten bei einem kleinen privaten Osterspaziergang auf Fahrrädern gegen NATO-Waffen zu protestieren ... um natürlich wieder außer Haus übernachten zu müssen. aber mit Eingaben ans ZK oder Erpressung des Wahlleiters habe ich's nie probiert, kann ich leider nicht dienen. Aber das gab es auf alle Fälle, man hat davon gehört und auch, dass es im Regelfall keine nachteiligen Folgen hatte. Vielleicht "packt" ja doch noch einer der anderen "Betroffenen" aus und plaudert aus dem Nähkästchen ... ![]() Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte. Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, wollen balde kommen. – Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen! Eduard F. Mörike (1804-1875) |
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26.11.2014, 22:27
Beitrag: #90
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Eigentlich sollte ich mich angesprochen fühlen. Aber lieber später, ich war damals auf Hiddensee als privates Refugium. Da gab es kein Westfernsehen und die Bibliothek hatte der Pastor...
„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein) |
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27.11.2014, 02:58
Beitrag: #91
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Könnte ich auch. Eigentlich war ich ein fleißiges und braves Bürschchen, aus dem ein guter Kommunist hätte werden können. Man hätte mich einfach nur in Ruhe lassen und ab und zu für Nachschub von Büchern sorgen müssen, besonders zu Themen wie Geschichte, Philosophie und Kunst. Dann hätte die Chance bestanden, vielleicht? Man tat aber nichts dergleichen, im Gegenteil, man wollte dem bis dato braven Bürschchen den nicht nutzbaren und brotlosen Kram austreiben oder wie es volkstümlich heißt, "den Jungen auf Trab bringen“ oder „in die Gesellschaft integrieren". Das tat man, indem man den folgsamen Bürschchen sinnvolle Freizeitbetätigungen gab, wie über Sturmbahnen zu stürmen oder Arbeiten, wie an einem Stahlblock aus hochwertigen St 38 den ganzen Tag zu feilen. Leider war das Bürschchen nicht so talentiert im Stürmen und Feilen und Klassen bewusste Arbeiter meinten dann auch, ihm, den man so nicht gebrauchen kann, hart zu kritisieren. Diesen revolutionär-proletarischen Volkszorn nahm sich das Bürschchen sehr zu Herzen, er war dann nicht mehr so brav und fleißig, er wurde trotzig und mimosenhaft und das Allerschlimmste, er ging nicht mehr zum Frisör, die Haare wurden zu lang und die Klamotten sprachen für sich. Zum Arbeiten war er auch zu dumm, man kann ihn nur zum Späne kehren oder zum Bierholen gebrauchen Aber es bestand ja noch die Chance, aus dem missratenen Jungen einen ordentlichen Staatsbürger zu machen: DIE ARMEE
Was ich bei der Armee so erlebt habe, kann man nicht in ironisch-satirischen Ton schreiben. Das ist ein Thema für sich und als ich nach 1,5 Jahren nach Hause gehen durfte, stand für mich fest, in die innere Emigration zu gehen. Ich war sicher kein Widerständler, aber kann von mir aus sagen, dass ich niemand geschadet habe oder mich durch Diebstahl am Volkseigentum bereichert habe. Ähnliches wie Avicenna habe ich aber auch erlebt. Dazu schreibe ich gleich mal weiter. "Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero |
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27.11.2014, 04:45
Beitrag: #92
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
1979 fuhren ein Kumpel und ich mit den Mopeds nach Wernigerode, um eine Bekannte zu besuchen, die aber nicht zu Hause war. Nachdem wir uns den schönen Ort etwas angeschaut haben, fuhren wir weiter nach Bad Blankenburg und von dort aus nach Thale. Da es inzwischen gegen 18 Uhr war, bauten wir im Wald unser Zelt auf und fuhren mit dem Moped zum Abendessen nach Thale, einer kleinen Stadt am Fuße des Harzes. Als wir zurückfuhren, folgte uns ein VP-Lada, der uns auch in den Wald folgte, wo bereits eine andere VP-Abteilung auf uns wartete. Wir mussten auf die Wache, wurden verhört, verbrachten dann die Nacht in einem stark beleuchteten Raum und unsere Eltern mussten in Leipzig um 2 auf die Wache. Über dieses Verhalten der Bullen - Vopo sagte niemand in der DDR - beschwerte sich der Vater meines Kumpels bei irgendeiner Parteibehörde, er hatte kein Erfolg. Mein Vater war nicht in der Partei, er fürchtete um seinen Job und war deshalb mehrere Wochen sehr sauer auf mich. Mein Kumpel hatte damals Kartenmaterial und Lederstiefel eingebüßt, ersteres wurde konfiziert, bei den Stiefeln meinten die Bullen nur, wir würden uns irren, die Stiefel würden sich sicher wieder zu Hause finden. Mein Kumpel sucht seitdem immer noch seine Stiefel. (Nö, das ist jetzt nicht wahr, er hat den Verlust zähneknirschend verkraftet.)
1983 begann aus Anlass des 500. Jahrestages von Luthers Geburtstag die DDR ihr Bild über Luther zu ändern. Deshalb gab es staatliche und kirchliche Veranstaltungen, wo man sich traute mit Kerzen und "Schwerter zu Pflugscharen" - Aufnäher seinen Unmut gegen Pershing, SS-20 und die verkrustete DDR-Führung zu äußern. In Leipzig war seit Tagen bekannt, dass am Sonnabend, den 7. November 1983, also drei Tage vor Luthers Geburtstag, auf der Petersstraße gegenüber dem ehemaligen Kino "Capitol" eine Demo für Frieden und Abrüstung stattfinden soll. Meine damalige Clique traf sich in einer Kneipe und wir fuhren dann auch in die Stadt. Aber einer – Name wird nicht genannt - musste vorzeitig aussteigen. Der bekam nämlich plötzlich Magenkrämpfe, lief grün und blau an und musste vorzeitig aussteigen, um hinter den nächsten Busch zu verschwinden. Danach schleppte sich der arme Mensch nach Hause, um eine unangenehme Nacht bei Tee und Zwieback zwischen Klo und Bett zu verbringen. Sonntagmittag, so gegen 16 Uhr 10, ich war gerade aufgestanden, klingelte es Sturm und mein Kumpel und seine damalige Freundin standen vor der Tür. Zuerst lästerten sie, dass mein Hintern für Heiterkeit der Straßenbahnbenutzer gesorgt hätte, danach kamen sie so langsam mit der Sprache heraus. Sie hatten eine Nacht und einen Vormittag auf der Polizeiwache verbracht, nachdem sie etwa 10 bis 20 m auf der Petersstraße mit einer brennenden Kerze gelaufen sind. Wer nicht schnell genug weg rennen konnte, wurde von den Bullen auf den „Robur“ verfrachtet und danach verhört. Dem einen Teil meiner Clique gelang die Flucht, dem anderen nicht. Mein Kumpel, seine Freundin und die anderen „Eingefangenen“ bekamen „Berlin-Verbot“ für das Jahr 1984, vor allem für das Jugendfestival, das in jenem Jahr stattfand. Wir sind dann halt nicht nach Berlin gefahren, sondern nach Prag und sahen das schöne Berlin erst 1989 wieder. Das hatte aber nichts mehr mit dem Verbot zu tun, Prag war einfacher schöner… Was mir bis heute etwas rätselhaft ist, aber was ich auch nicht mehr wirklich wissen will, ist, dass mein damaliger Dozent mich zu diesem Thema ansprach und meine „richtige Entscheidung“ begrüßte!!! Nach dem Studium dachte ich, meine Mitgliedschaft in der FDJ (Freie Deutsche Jugend) endete mit dem 25. Geburtstag. „Ja, das ist natürlich richtig, aber das gilt nur für Arbeiter“, belehrte mich die FDJ-Sekretärin des Betriebes, „aber Ingenieure bleiben bis zum 30. Lebensjahr in der FDJ.“ “Das kann nicht sein, im Statut der FDJ steht nichts davon.“ „Das ist neu und steht im neuen Statut.“ „Nun, als ich in die FDJ eintrat, galt das alte Statut und da trete ich jetzt aus, weil ich inzwischen 25 Jahre alt bin“. Das ging eine Weile hin und her, schließlich durfte ich aus der FDJ austreten und musste auch nicht mehr deren Veranstaltungen besuchen. Aber als erstes kam eine Mitteilung der Betriebsleitung, dass man mich nicht in die betriebliche Arbeiterwohngenossenschaft aufnehmen kann, was wiederum bedeutete, der Betrieb kann mir trotz Bedarf keine Wohnung stellen. Zweitens kam der Abteilungsleiter zu mir, den ich ein Pamphlet unterschreiben musste, nicht aus dem FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) auszutreten. Ich unterschrieb, obwohl ich damals nicht wissen konnte, dass ein paar Jahre später der DGB mich in Rechtsstreite gegen ehemalige Arbeitgeber unterstützen würde. Drittens kam ein Kollege zu mir, der mich bat, nicht die Mitgliedschaft in der DSF (Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft) zu verweigern. Als er in mein wohl verdattertes Gesicht schaute, meinte er nur, die Brigade hätte sich verpflichtet, dass jeder aus der Brigade Mitglied der DSF wird. Und wenn ich eben kein Mitglied werde, kann die Brigade nicht „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ werden und dies bedeutete, dass keine Prämien ausgezahlt werden. Nun ich einigte mich mit ihm, dass ich den Jahresbeitrag zahle, aber ansonsten von der DSF in Ruhe gelassen werde. Daran hielten sich beide Seiten bis zum Untergang der DDR. Etwas ernster wurde es 1988: da wurde Nicolae Ceaucescu aus Anlass von dessen 70. Geburtstag der Karl-Marx-Orden verliehen. Für mich war das nicht hinnehmbar, da ich Rumänien zum damaligen Zeitpunkt relativ gut kannte. Also schrieb ich zwei DIN-A4-Seiten, warum ich gegen diese Auszeichnung war. Da ich damals nur montags und freitags im Stammbetrieb war, die restlichen Tage auf Baustellen, meist im KKW Lubmin bei Greifswald weilte, wartete ich an einem Montagnachmittag, nachdem ich ein ganzes Wochenende am Text gefeilt habe und ihm in allerschönster Schönschrift schrieb, darauf, dass sich meine liebe Kollegen nach Hause begaben. Endlich waren sie weg und ich heftete mein Pamphlet, an eine Wandzeitung, die im Gang des Bürogebäudes hing. Der Dienstag verging, ich war auf der Baustelle und nichts passierte. Der Mittwoch verging auch, aber kurz vor 16 Uhr musste ich „sofort“ zum Bauleiter. Wenn das Wort „sofort“ fiel, war immer etwas im Busche und mein Leipziger Chef wollte mit mir telefonieren, oder besser gesagt, er brüllte ins Telefon, so dass man nicht viel verstand und den Hörer einige Dezimeter weg vom Ohr halten musste. So hörte der Bauleiter etwas von Konsequenzen, Achse Berlin-Bukarest und Schmierereien, die mir noch sehr Leid tun werden. Am Ende hieß, „Setz’ Dich in den nächsten Zug, morgen früh um 7 hast Du Dich vor der Abteilungsleitung zu verantworten“. So war es auch und am Ende versetzte man mich in eine Produktionsbrigade eines anderen Betriebes im Kombinat. Dort war ich etwa 6 Monate, nach anfänglichen Schwierigkeiten, ich musste in der Sandstrahlerei arbeiten, kam ich mit den Leuten ganz gut zu Recht, auch dank des dortigen Chefs, der – wie der Zufall es will – ein gebürtiger Siebenbürgen-Sachse war. Nun habe ich etwas aus dem Nähkästchen geplaudert. Meinen Freundeskreis habe ich diese Erlebnisse erzählt, wobei ich sagen muss, dass nicht alle mich unterstützten oder gar Verständnis entgegen brachten. Meinen Eltern habe ich damals nur Halbwahrheiten erzählt, so z.B. dass mein Produktionseinsatz unter der Rubrik „sozialistische Hilfe“ fiel. "Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero |
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27.11.2014, 10:49
Beitrag: #93
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
(26.11.2014 19:01)Avicenna schrieb: Beim Zusammenbasteln der Einzelteile zu einem Ganzen, komme ich jetzt nicht ganz weiter. Sprich - ich sehe noch keinen Zusammenhang zwischen der abgedroschenen Nostalgie, dem Klagen über zustehende, aber nicht erhaltene Chancen bzw. dem tatsächlichen Pech Weniger und den "Glücklichkeitsstudien" ... und dass es da keine großen Unterschiede zwischen Ost und West gegeben haben dürfte? Ich seh schon, mir war mein Gedanke mal wieder völlig klar, aber nicht notwendigerweise für jeden nachvollziebar... Zunächst einmal- natürlich ist es so, daß es in der DDR mit Sicherheit Menschen gegeben hat, die in glücklicher waren als andere im Westen. Aber es nervt einfach dieser Automatismus- wann immer über die Nachteile der DDR gesprochen wird (im Großen und Ganzen), dann kommt halt irgendwer (in dem Fall halt leider du ![]() Jaaaa. Konnte man. Hat aber nunmal gar nichts damit zu tun, ob die DDR ein Unrecht- oder Willkürstaat war. Denn in jedem System gibt es Menschen, die es verstehen, sich mit den Umständen zu arrangieren und ihr Leben leben. Der Onkel meines damaligen Freundes war so jemand. Er war wirklich glücklich. Er hatte Arbeit, seine Frau hatte Arbeit, sie lebten nicht im Großen Luxus, aber sie hatten alles, was sie brauchten. Und der Staat ließ sie in Ruhe. Ganz anders die Lebensgefährtin des Opas. Die maulte ständig herum, wie teuer ein Döschen Ananas im "Delikat" oder Exquisit" sei und wie teuer es sei, eine Ananastorte zu backen. (Wobei ich mich dann immer frage, warum sie unbedingt eine Ananastorte backen musste.) Beide danach gefragt, ob sie glücklich wären oder nicht, hätte der Onkel geantwortet, er sei glücklich und die Freundin vom Opa nicht. Das sagt aber nichts über das System aus, sondern eher darüber, wie die Menschen sind. Wenn der Staat einen in Ruhe ließ, kommt es eher auf die innere Einstellung an, was das Glücksempfinden angeht, als auf die staatlichen Rahmenbedingungen. Von daher dürften die, die vom Staat in Ruhe gelassen worden waren, genauso glücklich und unglücklich gewesen sein wie die West-Deutschen. Und mein Satz, dass letztendlich beide Deutsche seien, war eine Spitze dagegen, daß ich den Großteil meiner Landsleute für Jammerlappen halte... ![]() (26.11.2014 19:01)Avicenna schrieb: Sorry, wenn ich auf die anderen Sachen nicht eingehe, aber als toleranter und konsensorientierter Diskussionspartner bezeichnet zu werden, hat in mir ein angenehmes Gefühl hervorgerufen, welches ich mir noch eine Weile erhalten möchte ... Ich hoffe, das kannst du dir erhalten. ![]() Aber warum du auf die anderen Sachen deswegen nicht eingehen willst, verstehe ich nicht... Vor allem, auf welche "anderen" Sachen... Sieh es so, du hast mich einfach überrascht. Von dir hätte ich das mit Auch in der DDR waren die Leute glücklich" eben einfach nicht erwartet. ![]() Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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27.11.2014, 13:24
Beitrag: #94
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Die Artikel von Avicenna und Sansavoir haben mich veranlasst, eine Serie die ich mal im Alten Forum schrieb hier herein zukopieren.
http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...p?tid=6583 Denn sooo harmlos war die Staatsgewalt in der alten BRD auch nicht. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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27.11.2014, 19:58
Beitrag: #95
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Ein Kollege, damals Student, wollte in Bulgarien einen Geierbrutplatz aufsuchen, der dummerweise an der türkischen Grenze lag. Verhaftet. Es dauerte 3 Wochen, bis ein Flugzeug mit ostdeutschen und tschechischen Abschiebekandidaten voll war und er bekam 2 Jahre Auslandsverbot. Als so Gebrandmarkter hatte er einen Personalausweis in Rot (normal war blau), das war wie der gelbe Stern.
„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein) |
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27.11.2014, 20:43
Beitrag: #96
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Einer der Punkte, der der DDR schon von der Definition zum Rechtsstaat fehlte, war die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Sie war wohl in der 49er Verfassung enthalten, ging aber endgültig spätestens mit den Ländern 1952 unter. Um dies irgendwo auszugleichen, wurde das "Eingabewesen" geschaffen. Es hatte die genannten Vorteile. Gravierender Nachteil jedoch: Eine absolut feudale Regelung. Wer da Recht oder Unrecht bekam lag völlig im Ermessen des Souveräns. Für Deutschland ein Rückfall ins Spätmittelalter. Schon der Bürger der beginnenden Neuzeit konnte seinen Landesherrn vor Gericht ziehen. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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27.11.2014, 21:55
Beitrag: #97
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Nun ja, es gab immer noch eine nächsthöhere Instanz, die man in Anspruch nehmen konnte. So man die Geduld und Frechheit dazu besaß. Ich hatte das als Sorgerechtsstreit bis hoch zum Bezirk durch, zwar Recht bekommen aber ohne Handhabe das wirklich durchzusetzen. Wer lässt schon sein Kind von der Polizei holen?
„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein) |
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30.11.2014, 16:21
Beitrag: #98
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RE: Die DDR ein (kein) Unrechtsstaat?
Fahrt durchs Abenteuerland
Einmal besuchte ich meinen Freund Sebastian, der im damaligen Westberlin an der TU in Dahlem studierte. Ich nahm die Transitautobahn Hof - Westberlin. Vorherrschender Dialekt im Westberlin jener Tage war schwäbisch. Jeder Verpisser, der dem Wehrdienst entgehen wollte, domizilierte in Westberlin, denn dort lebende Personen konnten nicht zur Bw eingezogen werden. Aber der Reihe nach. Am Grenzübergang Hof reihte ich mich in die betreffende Warteschlange ein. Westbürger hatten eine eigene Warteschlange, ebenso wie Ausländer oder LKW. Ich schaute vor dem ersten Kontrollpunkt links den Berg hoch und sah die durchaus imponierende Grenzanlage der DDR im Querschnitt. Erster Metallzaun, zementierter Weg für die Trabis der Grenztruppen, Minenstreifen, Hundelaufgräben, Selbstschussanlegen, zweiter Metallzaun, Wachtürme. Das alles muss die DDR Milliardensummen gekostet haben. Einmal fuhr ich nachts mit dem Zug von Hamburg nach Stuttgart. Da sah man die Grenze in Form eines Lichterbandes, die sich bis zum Horizont hinzog. Nachts war die Grenze beleuchtet. Endlich war ich an der Reihe. Ein etwas unfreundliche Sachse fragte mich, ob ich Funk oder Waffen dabei hätte. Guten Gewissens konnte ich verneinen. Dann kamen sie mit einem fahrbaren Spiegel und schauten unter meinen Wagen. Nichts verdächtiges erkennbar. Am ersten Checkpoint musste ich meinen Pass abgeben. Der Pass kam auf ein Laufband und landete 200 m weiter vorne in einem fensterlosen Bunker. Dort saßen Grenzer, die riesige Listen wälzten und prüften, ob es sich bei mir nicht um einen Republikflüchtling handelte. Da konnten sie bei mir ohnehin nicht fündig werden. Dann bekam ich meinen Pass wieder versehen mit einem riesigen Transitvisum der DDR, gültig für die Hinfahrt. Ich durfte Gas geben. Freie Fahrt war auf den ersten 20 km er Transitautobahn nicht möglich. Grund: auf der Gegenfahrbahn mussten DDR-Bürger 20 km vor der Grenze die Autobahn verlassen. Ein Schild gemahnte: "Letzte Ausfahrt für DDR-Bürger". Also fuhren auf dem von mir genannten Streckenabschnitt nur Westdeutsche, deshalb wurde nichts repariert. Dann erst konnte man etwas schneller fahren. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 110 km/h. Ichüberschritt diese nie, denn die Strafen waren drakonisch. Russische Militärs und DDR-Funktionäre in dunklen schwarzen Limousinen mit zugezogenem Vorhang fuhren locker viel schneller. In der Magdeburger Börde kam dann irgendwann die HO-Raststätte Niemegk. Dort konnte man nur mit Westgeld bezahlen. Auch DDR-Bürger, die über Westdevisen verfügten, waren dort zugelassen. Mir fiel auf, dass diese ständig an ihren Kindern herum mäkelten. Ich aß in Niemegk immer ein Riesenkotelette mit Salzkartoffeln, Gemüse und trank dazu ein Bier. Diese Portion gab es zum Komplettpreis von 4,50 DM. Trinkgeld war verboten sonst wurde man angeschnauzt. Irgendwann erreichte ich dann Westberlin und musste mich per Faltplan nach Kreuzberg durchschlagen, wo mein Freund wohnte. Navis gab es damals noch keine. Auf dem Rückweg dann dieselbe Prozedur mit Essen in Niemegk. Zuvor hatte ich wieder ein Riesenvisum ein gestempelt bekommen, gültig nur für die Rückfahrt. Es wurde übrigens genau die Zeit geprüft, die man benötigte um von Hof nach Westberlin bzw. von dort zurück zu fahren. Wurde das Zeitlimit überschritten, konnte es Schwierigkeiten mit den Grenzsicherungsorganen der DDR geben. Das Verlassen der Transitstrecke war streng verboten. |
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