Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 0 Bewertungen - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
War Petrus tatsächlich in Rom?
12.03.2016, 09:31
Beitrag: #2
RE: War Petrus tatsächlich in Rom?
Eine allgemeine Überlegung zur Quellenlage des frühen Christentums:

Was das Christentum betrifft, dürfte vieles auch deshalb nicht überliefert (oder vielleicht erhalten geblieben) sein, weil diese religiöse Bewegung sich in einem lokalen Rahmen entwickelt hat, zudem in einem Land, das relativ weit vom Zentrum der Macht entfernt war. Zunächst dürften die Christen ohnehin nur als "jüdische Sekte" wahrgenommen worden sein, zur (endgültigen) "Abspaltung" vom Judentum bzw. Entwicklung einer vom Judentum unabhängigen "christlichen" Richtung dürfte es erst später gekommen sein. (Mag sein, dass dabei auch der "Jüdische Krieg" 66 n. Chr. Auswirkungen hatte.)

Hinzu kommt noch, dass es in Rom damals sehr viele religiöse Kulte / Bewegungen etc. gab, und das Christentum wurde zunächst sicher auch in der Öffentlichkeit nicht anders wahrgenommen.

Weiter gibt es Indizien dafür, die vermuten lassen, dass sich das Christentum in der Form, die heute die offizielle Überlieferung bildet, erst herausgebildet haben dürfte, und es ursprünglich auch andere "christliche" Richtungen gegeben haben wird, worauf auch z. B. Apogryphen verweisen.

Ich denke, dass das alles zu berücksichtigen ist, bei einem Versuch, die Frage, ob Petrus tatsächlich in Rom war, zu beantworten.

Petrus hat in der Bibel mehrere Namen, der Name Simon war zu seiner Zeit z. B. ziemlich verbreitet, wenn wir uns das Neue Testament ansehen. Es wäre also vorstellbar, dass in der Figur des Hl. Petrus (wie wir sie heute kennen) verschiedene Figuren miteinander verschmolzen sind. (Das so etwas vorkommt, zeigt die (katholische) Figur der Maria Magdalena sehr deutlich.)

"Petrus" könnten ursprünglich durchaus mehrere Personen gewesen sein. Z. B. könnte der ursprüngliche "Petrus" tatsächlich ein Jünger, Freund oder Vertrauter von Jesus gewesen sein, der nach dessen Tod (und Auferstehung) dessen Lehre in Judäa oder Galiläa verbreitet hat und für die ersten Christen daher eine wichtige Leitfigur war. Als die "christliche Lehre" später in Rom ebenfalls Verbreitung fand, könnte es dort einen Anführer gegeben haben, der mit Petrus ursprünglich gar nichts zu tun hatte.

Er oder ein weiterer "Petrus" könnte sogar unter Nero tatsächlich während der "Neronischen Christenverfolgung" hingerichtet worden sein. (Wobei bei dieser Christenverfolgung inzwischen umstritten ist, ob es tatsächlich eine Christenverfolgung war.) Seine Hinrichtung könnte übrigens auch andere Gründe gehabt haben als das Märtyrium.

In der Überlieferung oder auch Erinnerung könnte dieser "Petrus" mit dem Jünger "Petrus" verschmolzen sein, und darauf könnten die späteren Bischöfe von Rom, denen durch die politische Situation der "Völkerwanderung" eine Führungsposition anderen Bischöfen gegebenüber zugefallen war, aufgebaut haben, als es darum ging, ihre nunmehrige "Sonderstellung" als Päpste zu legitimieren.

Die Frage, ob der Apostel Petrus tatsächlich sozusagen der "erste Bischof von Rom" und somit der Vorläufer der späteren Päpste bzw. der erste Papst war, wird sich sicher nicht eindeutig beweisen oder widerlegen lassen. Ebenso wenig auch die Frage, ob er den Märtyrertod starb, ob er tatsächlich hingerichtet wurde und die Gründe dafür. Wenn er tatsächlich in Rom hingerichtet wurde, ist davon auszugehen, dass er hier beigesetzt wurde.

Wenn er bereits zu Lebzeiten seine Anhänger/innen gehabt hat, wäre vorstellbar sein Grab tatsächlich nicht in Vergessenheit geraten ist.

Allerdings wäre auch vorstellbar, dass die Gründung von Petrus-Kultstätten erst mit dem Aufstieg der Bischöfe von Rom zu Päpsten begonnen hat. In diesem Fall sind doch Zweifel angebracht.

Für seinen Roman "Quo Vadis" hat Henryk Sinkiewicz für seine Figur des Petrus die christliche (heute: röm.-kath. Überlieferung) übernommen. Zu dieser gehört auch das Motiv, dass Petrus mit dem Kopf nach unten gekreuzigt wurde. Die bisherigen Verfilmungen sind zwar dem Roman nicht gerecht geworden, haben sich aber in solchen Details an die Romanvorlage gehalten.

Ein anderer Schriftsteller, der Petrus in einem Roman vorkommen lässt, war der finnische Schriftsteller Mika Waltari: "Minutus der Römer" aus dem Jahr 1964. Auch hier findet sich die Kreuzigung mit dem Kopf nach unten, die hier ausdrücklich am selben Tag wie die Enthauptung des Apostel Paulus stattfindet. (Allerdings vermutet der Mikaris Erzähler Minutus, dass Petrus diesen Wunsch "mit dem Kopf nach unten" nicht wegen Jesus hat, sondern weil ihm klar ist, dass sein Tod so etwas schneller eintreten und weniger schmerzhaft sein wird.)

---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Nachrichten in diesem Thema
RE: War Petrus tatsächlich in Rom? - Teresa C. - 12.03.2016 09:31

Möglicherweise verwandte Themen...
Thema: Verfasser Antworten: Ansichten: Letzter Beitrag
  Rom - fähige und unfähige Kaiser: WDPG 49 92.208 14.04.2018 20:50
Letzter Beitrag: Hallo
  Die Sage von den Galliern in Rom Aurora 2 6.509 05.01.2017 21:07
Letzter Beitrag: Aguyar
  Der Vatikan in Rom Aurora 2 5.644 23.12.2016 21:26
Letzter Beitrag: Aurora
  Ewiges Rom dieter 39 76.944 29.09.2016 00:47
Letzter Beitrag: zaphodB.
  Dr. Schnabel von Rom Aurora 1 4.140 05.07.2016 13:31
Letzter Beitrag: Aurora
  Kolosseum in Rom von Kriegsbeute erbaut Aurora 6 10.825 25.01.2016 00:29
Letzter Beitrag: Aurora
  Skandale im alten Rom Presseschau Steppenwolf 0 4.262 13.09.2012 12:16
Letzter Beitrag: Steppenwolf

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds